Nächtliche Energiekrise

Ich gehe jetzt rüber! Mit Schwung schlage ich die Bettdecke zurück und setze mich auf die Bettkante. Wartend. Wenn man nachts um kurz vor drei Uhr ankündigt, zu den Nachbarn auf der ande, der neben einem liegt, davon abhält. Finden Sie nicht auch? Der meiner dreht sich auf die andere Seite und macht gar nichts. Ich gehe jetzt rüber, wiederhole ich und warte. Drei Atemzüge lang. Dann stehe ich auf und höre ein gemurmeltes „bis gleich“. Bis gleich? Ich verkünde ein drittes Mal, dass ich jetzt sofort, im Nachthemd und mit einer Stinkwut im Bauch an ein fremdes Fenster auf der anderen Straßenseite im Erdgeschoss klopfen werde. Der, der neben mir liegt schlägt jetzt endlich ebenfalls die Bettdecke zurück und setzt sich auf.

Wahnsinn, höre ich ihn leise fluchen und wir stehen gemeinsam – ein bisschen blöd – in meinem Schlafzimmer. Um uns herum, an Wänden, Decke und Möbeln eine Vielzahl an pinken und grünen Punkten. Blinkenden Punkten. Irrenhaus sagt er und ich bin mir nicht ganz sicher ob er damit mein Haus oder nur mein Schlafzimmer meint. Bei Ersterem könnte ich ihn nicht widersprechen und bei zweitem im Moment leider auch nicht. Der Nachbar im Erdgeschoss gegenüber hat seine Weihnachtsbeleuchtung angestellt. Die Energiekrise ist ihm schnuppe und er beleuchtet den Gehsteig, die Straße und das Haus gegenüber bis in den zweiten Stock mit bunten blinkenden Laserpunkten. Bei aller Liebe….das geht gar nicht. Verschwendung ging mir schon immer gegen den Strich. Verschwendung von Energieressourcen gehört dazu und jetzt im Moment ganz besonders. Ist es denn so schwer, ein bisschen zu sparen? Vor allem bei den Dingen die so unnötig sind. Es ist 3:00 Uhr nachts! Meinetwegen soll er von sechs bis zehn die Nachbarschaft beleuchten, aber die ganze Nacht…. als hätten wir unerschöpfliche Ressourcen. Ich merke, dass ich das was ich denke laut sage und der, der neben mir steht, kann mir nicht widersprechen, denn bei den Themen Energie und Klimakrise haben wir ähnliche Einstellungen. Da sich sein Gehirn allerdings noch im Schlafmodus befindet konzentriert er sich auf die Unverschämtheit, fremde Schlafzimmer in ein Bordell zu verwandeln. Wie im Puff, sei es bei mir sagte er und ich möchte lieber nicht wissen ob das eine Vermutung oder eine Feststellung ist. Wie im Puff wiederholt er und erklärt, dass ihn diese blinkenden Punkte wahnsinnig machen würden. Allerdings ist er weniger auf den Nachbarn, als vielmehr auf mich sauer. Wäre ich gerade eben nicht so hoch gerumpelt, hätte er sie – die Punkte – nämlich gar nicht erst gesehen und hätte geschlafen. Und er würde sie im übrigen auch jetzt nicht sehen, wenn ich nicht auf die tolle Idee gekommen wäre, meine Vorhangstange abzuschrauben und zu entsorgen, bevor ich eine neue gekauft habe. Die dünnen Schals die jetzt ersatzweise vor den Fenstern hängen, haben gegen die massiven Laserpunkte von gegenüber keine Chance. Ein einziges Irrenhaus höre ich und ihn ziehe meine Socken an.

Da er anscheinend nur jammert, werde ich mich selbst um die Punkte kümmern müssen. Seit ich ihn vor einigen Jahren zu Herrn Maia von unten geschickt habe um diesen zu bitten sein unglaublich lautes Windspiel im Sommer Gewitter doch bitte abzuhängen und das ganze zu einem mehr als peinlichem Missverständnis ( Walnüsse von Herrn Meier) führte, weigert er sich, nachts bei meinen Nachbarn vorstellig zu werden. Immerhin beginnt auch er sich anzuziehen und scheint wenigstens mitkommen zu wollen. Das gefällt mir, denn es zeigt dass dieser Mann durchaus fürsorglich ist. Er wird sich mit seinen 2 m hinter mich stellen und dafür sorgen dass meine 1,60 m unbeschadet wieder zurückkommen, nachdem ich den Nachbarn gefragt habe aber noch alle Tassen im Schrank hat. Danke, sage ich und dass ich es süß finde dass er sich Sorgen um mich macht. Erst an der Wohnungstür erklärte mir, dass er sich weniger Sorgen um mich als um den, der mein Schlafzimmer beleuchtet macht. Gegebenenfalls würde er deeskalieren eingreifen müssen und deshalb mitkommen. Weibliche Wut um 3:00 Uhr nachts sei nicht zu unterschätzen, das habe er gelernt.

Da ich nun wirklich nicht zu Wutausbrüchen leide fühle ich mich nicht angesprochen und schaue nur betreten zur Seite, als er mir den Besenstil aus der Hand nimmt, “auf gar keinen Fall“ zischt und ihn an die Wand lehnt. Ob ich den gar nichts gelernt habe, möchte er wissen und erinnert mich daran, dass die Nachbarn über mir gute zwei Jahre kein Wort mehr mit mir gesprochen haben, nachdem ich Ihnen gedroht habe ihre Weihnachtsdeko persönlich zu entsorgen. Ich beisse mir auf die Unterlippe und denke peinlich berührt an diesen Zwischenfall. Auch damals bin ich mitten in der Nacht aufgestanden und habe mich vielleicht etwas im Tonfall vergriffen. Zurecht allerdings wie ich finde und wie sie hier: (Babbo Natale muss sterben) nachlesen können. Eine Viertelstunde später liegen wir wieder im Bett. Ich habe nachts um drei auf offener Straße eine flammende Rede bezüglich der Energiekrise gehalten. Ich glaube sie war gut. Sehr pointiert, vielleicht etwas zu emotional und ganz sicher ein klein wenig zu laut angesichts der Uhrzeit. Allerdings musste ich in ein gekipptes Fenster rufen, denn ganz hat es mir der Nachbar von gegenüber nicht geöffnet. Aber sonst waren meine Argumente wirklich gut. Zumal mein Nachbar sich nicht mal im Zimmer mit dem Laserlicht aufgehalten hatte. Leider tanzen immer noch grüne und pinke Punkte in meinem Schlafzimmer und das verstehe ich überhaupt nicht. Wir, der Nachbar und ich, waren einer Meinung. Er hat sogar gelächelt und ich war mir sicher, dass er gleich in das angrenzende Zimmer geht um die Lasershow zu beenden.Mitz….mein Freund winkt mich zum Fenster und zählt leise murmelnd die Fenster des gegenüberliegenden Hauses ab. Verdammt! Wir haben an das falsche geklopft. Ohne ein weiteres Wort ziehen wir uns wieder an und fahren nach Schwabing. Da gibt es ein dunkles Schlafzimmer. Mit Vorhängen. In Giesing werde ich mich erst mal nicht mehr blicken lassen.

19 Gedanken zu “Nächtliche Energiekrise

  1. Ob sich der falsche Nachbar auch denkt: “Schatz, ich schlafe heute bei dir in Trudering. Hier hat gerade um 3 Uhr nachts so eine Verrückte an mein Fenster geklopft und mir eine flammende Rede über die Energiekrise gehalten.”? 😄 Eine wunderbare Geschichte, liebe Mitzi! 😍

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  2. Beim Fensterln war das falsche Fenster immer schon fatal…
    Doch, auch wenn sie, hölzern, isolierend wirken, Besenstiele bringen nicht viel. Drahtscheren, Seitenschneider sind da besser möchte ich noch anmerken.
    Übertriebene Lichtspiele, noch dazu zur Unzeit bzw. rund um die Uhr fand ich immer schon daneben.
    Und, wie ist das Zimmer dort so? Vermietet er auch länger, denn ein Stundenhotel wird er ja nicht haben, zumindest würde ich ihn das fragen. Nachdem er sich zu solchen Behauptungen verstiegen hat. Woher weiß er eigentlich, dass man dort nicht mehr die gewöhnliche rote Laterne, sondern eine ganze Lasershow bevorzugt? Doch, für die Nacht gäbe es noch genug Fragen…

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    1. Oh ja, ich hätte auch noch sehr sehr viele Fragen. Allerdings weniger an meinen Freund, da möchte ich die Antworten nicht wissen und geh mal davon aus dass es sich um Vermutungen handelt oder um nächtliche Besuche vor meiner Zeit. Den Besenstil habe ich übrigens wieder als Waffe noch als Werkzeug mitgebracht. Ich wollte damit nur relativ sanft an das Fenster klopfen, da die auch im Erdgeschoss recht hoch sind.

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    1. Oh doch, ich mag Absätze sehr und kann mir gut vorstellen, dass es ohne ziemlich schwer zu lesen ist. 🙈 Beim Schreiben und Hochladen war die Seite schon ziemlich komisch und ich hatte eine seltsame Schriftart. Hab dann ziemlich lange rumgebastelt und irgendwann sah es wieder normal aus. Auch jetzt wenn ich es am Handy aufrufe, habe ich Absätze. Anscheinend hat es aber doch nicht funktioniert. Ich schau mir das heute Abend am PC noch mal an. Irgendwas scheint dann doch nicht geklappt zu haben. Liebe Grüße

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  3. Mitzi, ich würde ähnlich wütend werden – und dann würde ich nach einem Bolzenschneider oder ähnlichem suchen, um alle Kabel durchschneiden zu können, falls die in erreichbarer Höhe sind. – Das hätte mich auch schon lange vor der Energiekrise gestört.
    Gute Nacht!

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    1. Ich hoffe mal, dass die Stromversorgung der Häuser in meiner Straße nicht öffentlich zugänglich ist. Zu meiner eigenen Sicherheit. Letzte Nacht war das Ding übrigens aus. Vielleicht hat der falsche Nachbar seinem direkten Nachbarn von meinem Besuch erzählt. Liebe Grüße

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