Herr Mu und der Frühling

Schön, sagt eine Freundin und lächelt, als sie die Tulpen auf meinem Tisch sieht. Ich nicke und wir schauen sie bestimmt eine Minute lang an ohne mehr als „schön“ zu sagen. Sie sind so schön, dass einem die Worte fehlen. Es liegt in der Natur des Frühlings, dass wir uns nach all der Dunkelheit und dem Grau nach Farben sehnen und jeden bunkten Klecks willkommen heißen. Diese Tulpen aber, sind trotz unserer ausgehungerten Sinne, die schönsten, die je in meiner Vase standen. So kräftig lila und gelb, mit fast Pfingstrosen großen Blüten und so herrlich welkend…..schön. Ich hätte sie dir gerne gezeigt.

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1:0 für Paul

Ich bin ein höflicher Mensch. Da können Sie wirklich jeden Fragen. Ob man meine Macken und Eigenarten charmant oder schrecklich findet, darüber kann man streiten. Über meine guten Umgangsformen aber nicht. Dachte ich, bis mir mein Nachbar Paul vorwarf, dass meine vermeintliche Höflichkeit an Dummheit nicht zu überbieten ist. Ich sehe das anders.
Was würden Sie denn denken, wenn Sie Samstagmorgen bei strahlendem Sonnenschein, zwei älter Damen vor der Haustüre antreffen, die konzentriert die Namen der Klingelschilder betrachten? Dass sie einen Raubüberfall planen? Dass sie gleich zu randalieren beginnen und das Treppenhaus zerlegen? Vermutlich nicht. Und genau deshalb habe ich die beiden Frauen auch ins Haus gelassen ohne mich nach dem Grund zu erkundigen. Wenn man halbwegs höflich ist, dann hält man anderen die Türe auf, auch wenn man sie nicht persönlich kennt. Und auch was meine angebliche Dummheit betrifft liegt Paul falsch. Nachdem die beiden reizenden Damen mich nämlich ohne Einleitung fragten ob ich glücklich bin (Antwort ja) und ob ich an Gott glaube (Antwort verweigert) war ich schlau genug mich ganz schnell aus der Affaire zu ziehen.

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10.000 Dinge #4

Es heißt, der durchschnittliche Deutsche besitzt etwa 10.000 Dinge. 2014 als ich über die Studie gestolpert bin erschien mir diese Zahl unglaublich hoch. Nachdem ich im darauffolgenden Jahr feststellte, dass sich in meiner Wohnung 1.018 Bücher (Stand Oktober 2011) befanden, relativierte sich die Zahl. Und seitdem ich älter und neugieriger werde und ab und an vom Fenster aus Umzüge beobachte, halte ich die Zahl für durchaus realistisch. Jedes Jahr erhöht sich unser Besitz und wenn man nicht ab und an mit kritischem Blick vor Schränken und Kellerabteilen steht, dann wachsem einem die Dinge schnell über den Kopf. Der Zuwachs meiner Dinge über all die Jahre ist unter anderem den Ausmisten meiner Eltern geschuldet. Wenn die Platz brauchen, wird es bei mir schnell eng. Es handelt sich hierbei um eine Art Generationenvertrag. Die Verantwortung für die Dinge, die man nicht mehr will, aber unmöglich wegwerfen kann, wird dem Nachwuchs übergeben. Ich vermute, dass dies seit Generationen wunderbar funktioniert. Leider haben Generationsverträge die vertrackte Klausel, dass sie nur funktionieren, wenn eine nächste Generation vorhanden ist. Nichten und Neffen zählen hier leider nicht, da diese per Definition nur bei direkten Eltern zu Erfüllung verpflichtet werden können/wollen. (Ich habe es versucht, glauben Sie mir).

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Der Hirschkopf bleibt! – 2024

Kirschen gegessen – Wasser getrunken
Bauchweh bekommen – Arzt gerufen
Ins Krankenhaus gekommen -gestorben

Entgegen der Weissagung des alten Kinderreims werden Sie die Kombination aus Kirschen und Wasser vermutlich überleben. Empfehlen kann ich sie Ihnen trotzdem nicht. Insbesondere wenn es sich um ein ganzes Pfund frischen Steinobstes und mehrere Mundvoll, versehentlich konsumierte Schlucke von hochsommerlich, abgestandenen Bayerischem Seewasser handelt. Dann ist Ihnen etwa dreißig Minuten später klar, warum kluge Mütter noch heute von dieser Mischung abraten – Ihr Magen rebelliert.

Weitere sechzig Minuten später sind die Kirschen Geschichte und Sie – sofern Sie bei 30 Grad in der prallen Sonne liegen – reichlich erschöpft. Ihr Kopf ist so leer wie Ihr Magen und Sie lassen sich leichtsinnig zu Versprechen hinreißen, deren Tragweite Ihr geschwächter Geist in diesem Moment nicht erahnen kann. Ob das gut ist? Unbedingt! Ich glaube fest daran, dass vieles gar nicht erst begonnen werden würde, wenn einem klar wäre, worauf man sich einlässt. Ich jedenfalls hätte meiner Freundin an diesem Augusttag sicher nicht versprochen, ein Buch über die Liebe zu schreiben, wenn ich geahnt hätte, dass ich mich über fünf Jahre lang nicht an dieses Thema herantrauen würde. Nicht unbedingt, weil es über die Liebe nichts zu erzählen gibt. Ganz im Gegenteil. Sie ist ein wunderbares und dankbares Thema. Ich scheute mich, weil ich gut ein halbes Jahrzehnt brauchte, mir das OK von jedem einzelnen meiner Exfreunde und allen bisherigen Dates einzuholen. Gebraucht hätte – am Ende habe ich es gelassen und hoffe nun, auf das Wohlwollen, die Geduld und die Nachsicht meiner Freunde, Exfreunde, Dates und meines Partners. Von letzterem habe ich die Erlaubnis bereits ungefragt erhalten. Mit grandiosem, männlichem Selbstbewusstsein lehnte er im Türrahmen und lächelte milde. Sehr unbesorgt, teilte er mir mit, dass alles was ich über ihn schreiben und erzählen könnte, doch nur nett sein könne. Dass „nett“ ein Wort mit besonders vielen Untertönen ist, übersah er. Ja, nett sei es mit uns immer gewesen, versicherte ich ihm und wünschte mir ein wenig von seinem Selbstbewusstsein. Dann hätte ich ihm nämlich gleich gestehen können, dass ich den Buchstaben „A“ in meinem imaginären Inhaltsverzeichnis für ihn reserviert habe. Nur nicht nett für z.B. Amore sondern für „arrogantes Arschloch“. Natürlich sagte ich es ihm nicht. Eine Beziehung lebt von Überraschungen und dieses Buch wird ganz sicher eine werde. Für ihn ganz sicher und für Sie hoffentlich auch. 2024 kommt es. Und um mich selbst ein bisschen unter Druck zu setzen, erzähle ich Ihnen schon heute davon.

Der Hirschkopf bleibt!

Eine bunte Sammlung von Erzählungen die sich um das Thema Liebe drehen. Von skurrilen und ungewöhnlichen Verabredungen, über aufregenden Anfänge und Herzflattern und bis hin zu Momenten, in denen ein unbedachter Satz im falschen Moment, den Alltag und langjährige Beziehungen ordentlich durcheinanderwirbelt.

Eine erfrischende Erinnerung, wie vielfältig, überraschend und faszinierend die Liebe sein kann. Geschichten über das Suchen, das Finden und das Bewahren der Liebe laden ein, sich in den amüsanten Erzählungen wiederzuerkennen. Und keine Sorge. Die Autorin wird ihnen keine Tipps geben. Sie wird sie lediglich beruhigen, dass es völlig ok ist, ab und an der Liebe zu verzweifeln. So geht es uns allen.

Il ballo del qua qua o lasciatemi dormire!

„No! Basta! Mi sono addormentata due ore fa e me ne frega niente chi ha fatto il ballo del qua, qua. Sono tedesca e per farmi vergognare per il TV ho gia Thomas Gottschalk con Wetten dass.“

Schluss! Aus! Es reicht. Halb zwei in der Nacht unter der Woche und meine Handy piepst nahezu ununterbrochen, weil ich vergaß eine WhatsApp Gruppe italienischer Verrückter lautlos zu stellen. Vampire…ihr seid Vampire, schreibe ich ihnen und schiebe ein „Pipistrelli“ hinterher, weil mir in dieser späten Stunde nur noch das Wort für Fledermäuse einfällt, was in etwa gleichbedeutend ist. In beiden Fällen handelt es sich um Geschöpfe der Nacht. Während ich mir die Zähne putze piepst es munter weiter und ich bereue zutiefst Mitglied der „Sanremo 2024“ Gruppe zu sein. Ich schimpfe mit dem Mund voll Zahnpaste und tippe gleichzeitig „John Travolta“ und „Ballo del qua qua“ in das Suchfeld bei Google ein. Ach du mein Gott! Die nächste halbe Stunde verbringe ich auf der Bettkante sitzend mit wilden Diskussionen ob und wenn ja, wie peinlich, dieser Auftritt gewesen ist. Um es für Sie abzukürzen: Thomas Gottschalk hat seinen Gästen viele Peinlichkeiten aufgebürdet. Amadeus hat mit dem Ententanz aber mächtig aufgeholt. Ich meine….John Travolta! John Travolta und der Ententanz?! Unangenehm und ich hätte es fast verpasst. Verpasst wegen einer Lapalie wie Schlaf.

Sie haben keine Ahnung wovon ich spreche, oder? Also….

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Isar?

Isar? schreibt einer, den ich fast schon mein ganzes Leben lang kenne. Unbedingt, antworte ich und schalte die Kaffeemaschiene aus. Wenn man aus einem einzelnen Wort mit Satzzeichen genauso viel Information wie aus einer drei Minuten Sprachnachricht ziehen kann, dann kennt man sich nicht nur lange, sondern auch gut. „Isar?“ ist gleichbedeutend mit: „Meine Neujahrsvorsätze haben auch dieses Jahr nichts gebracht. Ich habe in diesem noch jungen Jahr jeglichen Schrei meines Körpers nach Bewegung so konsequent ignoriert, dass mir mein Rücken jetzt so weh tut, dass ich mich gezwungen sehe, ihm kurzfristig entgegen zu kommen. Alleine habe ich keine Lust und kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es dich bei Sonnenschein eh raustreibt. Ich schreibe dir in letzter Zeit so selten, dass ein einziges Wort reichen wird und ich mir sämtliche Floskeln sparen kann, weil du mich sicher gerne sehen willst.“ Aus meinem „Unbedingt“ kann er im Gegenzug herauslesen, dass ich es so schäbig finde mir nur ein Wort und ein Satzzeichen aufs Display zu werfen, dass ich mir das eigentlich angebrachte Satzzeichen in Form eines Ausrufezeichens spare. Wir kennen uns vielleicht ein bisschen zu gut und eine halbe Stunde später, als er vor meiner Türe steht, sage ich ihm, dass wir uns bei noch weniger Worten aufs Gedankenlesen verlegen müssen.

Er sagt ok, und wir gehen an die Isar. Ok ist ein Wort mit nur zwei Buchstaben. Fügt man einem so kurzem Wort für die nächste Viertelstunde kein weiteres hinzu, sollte man sich besser in Gesellschaft einer wirklich guten Freundin befinden, um nicht als mundfaul und verstockt zu gelten. Einer Freundin, die nicht unbedingt Worte braucht, weil der Weg zur Isar auch so genug zu erzählen hat. Wir kommen an der Wohnung vorbei, in der ich aufgewachsen bin und schauen beide automatisch zum Küchenfenster, als würden wir erwarten, dort meine Mutter zu sehen. Erinnern uns wortlos an die Kneipe gegenüber in der wir vor einem halben Leben, im Sommer Eis gekauft haben und wundern uns über einen Zebrastreifen, den es noch nicht gab, als wir todesmutig die große Straße überquerten, die heute eigentlich recht klein und ruhig ist. Erreichen den Park und gehen den kleinen Trampelpfad um den Spielplatz herum um uns zu versichern, dass der kleine Weiher dahinter noch immer da ist. Für so etwas braucht es keine Worte. Wir machen das immer, wenn wir hier sind. Ohne dass es uns sonderlich interessiert, sonder vermutlich nur, weil wir es schon immer so gemacht haben. Alles gut, frage ich ihn und er antwortet mit auf meine Zwei-Wort-Frage mit einem Wort. Selbstverständlich. Also nicht. Wir gehen weiter. An den Tischtennisplatten vorbei. In einem Leben, das schon lange vorbei ist, stellten wir dort fest, dass Tischtennisbälle grüne Flammen schlagen, wenn man sie anzündet. Die Platten sind noch dieselben wie damals.

Auch die Buchen. Warum auch nicht. Buchen bleiben für gewöhnlich dort wo man sie das letzte Mal gesehen hat. Nicht ganz so gewöhnlich ist es, dass man unter ihnen auch dreißig Jahre später noch weiß, welche Sommernachmittage man unter ihnen verbracht hat. Wir setzen uns auf eine Bank in der Sonne. Die Bänke hier haben vielleicht andere Bretter bekommen – aber sie sind noch hier. Genauso wie die Grillplätze. Die Isarbrücken eh und die Kiesel darunter sind genauso warm, wie sie es in der Sonne immer waren. Der Kiosk steht dort wo er schon immer stand und wir setzen uns ans Wasser. Er hat hellbraune Augen und im rechten einen dunkelbraunen Fleck. Schon immer. Ich bitte ihn, nachzusehen ob in meinen Grünen noch der goldene Punkt ist. Er schüttelt den Kopf. Schlammbraun und nicht einer sondern zwei Punkte. Schon immer, sagt er und dass sich für seinen Geschmack gerade zu viele Dinge zu schnell ändern und verschwinden. Diesmal antworte ich mit nur einem Wort: Nein.

Nichts ändert sich. Weder unsere Ein-Wort-Gespräche, wenn es ihm nicht gut geht, noch unser liebster Ort, wenn einem von uns die Worte fehlen. „Isar?“ bedeutet seit über dreißig Jahren nämlich auch, dass gerade alles aus dem Ruder läuft und einer von uns dringend etwas vertrautes braucht.

Ernsthaft?

Es tut mir leid, dass ich Ihnen heute noch immer die Geschichte schuldig bleibe, warum ich aus dem Bus geflogen bin. Hätte ich letztes Jahr kurz vor Weihnachten im Vorabendverkehr „Die AfD ist gefährlich!“ gebrüllt, dann könnte ich aktuell einen schönen Bezug herstellen. Habe ich aber nicht. Unter uns…es ergab sich keine Gelegenheit, sonst…warum nicht? Stimmt ja.
Ich kann Ihnen heute leider noch keine launige, kleine Erzählung bieten, weil ich die letzten Tage doch recht viele Mails wegen diesem Post erhalten habe.

Erlauben Sie mir hier gesammelt zu antworten:

Ernsthaft? Ich schreibe lediglich die Daten der am Wochenende anstehenden Demonstrationen und Sie fühlen sich berufen mir eine zwei Seiten lange Mail zu schreiben und mir zu erklären, dass meine politische Haltung Schrott ist.
1. Kennen Sie die gar nicht und 2. Meine Haltung, anscheinend nicht Ihre.

Ernsthaft? Ich mache deutlich, dass ich die Demonstrationen gegen rechtes Gedankengut sehr postiv bewerte und Sie erlären mir, dass menschenverachtende und zutiefst rassistische Äußerungen toleriert werden müssen, damit das Volk zusammenhält und sich gegen die Regierung stemmen kann.
1. Ganz und 2. sicher nicht.

Ernsthaft? Sie erklären mir mit Worten die einem Vorschulkind angemessen sind, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Das alles wird nur von der bösen Presse aufgebausch und außerdem hat das alles auch sein gutes.
So wie 1933 als die Arbeitslosigkeit sank, meinen Sie?

Ernsthaft? In keiner der Mails gehen Sie auf die Punkte meinerseits (Rassismus, völkische Ideologien oder Antisemitismus) ein. Auch auf Nachfrage nicht. Ein ums andere Mal anworten Sie mit einer Gegenfrage oder machen ein neues Thema auf. Wäre es nicht so ermüdend, wäre es faszinierend. Es wäre aber schön, wenn Sie dabei nicht versuchen würden, mir die Welt zu erklären. In der befinde ich mich bereits eine ganze Weile und konnte mir eine eigene Meinung bilden.

Ernsthaft? Sie schnappen sich einzelen Sätze von Kommentierenden unter meinem Beitrag und stellen sie auf Ihre Seite OHNE den darüberliegenden Kommentar ebenfalls zu zitieren und drehen das ganze so, dass es Ihre eigenen Thesen stützt. Vielleicht war Ihnen nicht klar, wie unschön und falsch das ist, aber dann nehmen Sie es, wie gebeten, bitte ganz schnell wieder raus. Gerne können Sie den kompletten Beitrag verlinken, aber doch nicht aus dem Kontext gerissene Sätze.

Danke an all die Meinungen die öffentlich unter dem Beitrag standen. Auch die, die mir nicht passen. Das worum es mir geht, aber ich in ruhigeren und weniger pampigen Worten in den Kommentaren unter den Kommentaren geschrieben und muss es hier nicht noch mal wiederholen.

Und damit würde ich jetzt dann auch hier den Deckel erstmal zumachen und mich wieder (Zitat) „meinen sonst ausschließlich heiteren Erzählungen“ widmen. Sie sind schon lustig…ausschließlich heiter…na, da haben Sie auf dieser Seite aber auch nicht allzutief gegraben.

Herzlichst
Mitzi

München

Ob heute in München über 100.000 Menschen (lt. Polizei) oder doch über 200.000 (wie die Veranstalter schätzen) anwesend waren, wird man nicht mehr herausfinden.

Aber es war voll. So voll, dass die Versammlung aufgelöst werden musste. Unter einem sonnigen Himmel war es eine friedliche Veranstaltung. So viele in jedem Alter, die Hoffnung, dass viele einzelne Menschen eben doch etwas bewegen können.