Der Grantler schmunzelt gnädig

Einer der schönsten Gerüche: Holz. Das schönste Licht in einem Raum: Sonne, die durch große Fenster scheint. Beides traf gestern zu und eigentlich hätte der schlaksige, grantige Mann mit dem wirren Haar, alleine schon deshalb lächeln müssen. Tat er nicht. Er macht es nie, wenn ich mit dem Schlüssel in der Hand den langgezogenen Raum im Erdgeschoss seines Geburtshauses betrete. Egal wie fein die Holzdielen duften, egal wie herrlich sich die Frühlingssonne, in der Holzvitrine spiegel…er bleibt grantig und schaut missmutig auf die, die da reinkommen und sich zwischen seinen Fotos und Zitaten an der Wand treffen. Mittlerweile geht mir ein Lächeln von ihm nicht mehr ab. Der Valentin grantelt und ich lächele. Wegen der Sonne, wegen dem Holzgeruch und vor allem, weil ich endlich wieder einmal hier in der Au sein darf. Es wäre mir wurscht gewesen ob ich oder ein anderer liest, aber ehrlich gesagt ist es schon besonder schön, dass ich es sein darf und dass der Robert vom Münchner Theater Südsehen dabei ist. Den mag ich mindestens genauso gern wie Holz und Sonne. Ob er sich über diesen Vergleich (ohne weitere Erklärung) freuen würde weiß ich nicht. Sicher aber ist, dass er sich über das Publikum genauso freut wie ich.

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Eine weniger…

Mein Nachbar, der alte Herr Meier, steht am Gehsteig und schaut. Schaute, als ich zum Einkaufen ging und schaute, als ich eine halbe Stunde später wieder zurück kam. Weil er traurig schaut, stelle ich mich neben ihn und schaue auch ein bisschen. Einen, wie den Meier, darf man nicht fragen ob er traurig ist. Dann würde er doch nur sagen, dass es kein Wunder ist, dass der Wirt schließen muss. Mit so viel gutem Essen auf der Karte und so wenig essenden Gästen, kann eine Kneipe in Giesing nicht funktionieren. Oder doch, das kann sie natürlich schon, nur die Kneipe, die sich in unserem Haus befindet, die wird so nicht funktionieren. Egal welcher Wirt sie betreibt, die Kundschaft ist die gleiche und die isst nun mal nicht jeden Abend außer Haus, findet sich aber gerne jeden Abend auf ein Bier ein.

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Von Stiften, dem Kugeln und Hund

Ich krame, sage ich einem der mich eben anrief und sich erkundigte, was ich gerade mache. Kramen ist ein seltsames Wort. K R A M E N…kennt man es überhaupt oder ist es eines jener Worte, das ich nutze, sonst aber kaum jemand? Google kennt es und erklärt: „In einer Ansammlung mehr oder weniger ungeordneter Dinge herumwühle“. Das trifft es ganz gut, unterschlägt aber die große Freude mit der man in seinen eigenen Dingen, die man kennen sollte, doch immer wieder auf so altes stößt, das man einen Weile nachdenken muss, bevor einem einfällt woher man es hat.

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Wenn er nur wieder grantig schaun würd´

Obwohl es erst kurz nach sechs ist, liegt über der kleinen Straße, nahe der Isar bereits die Nacht. Novemberdunkel und Herbstkalt wirkt sie wenig einladend, obwohl sie hübsch ist. Alte Häuser reihen sich aneinander und die Straßenlaternen versuchen tapfer die Dunkelheit zu vertreiben. Ab und an geht einer über den Gehsteig. Menschen die nach Hause kommen, Paare die ihren Hund ausführen und manche die einfach nur von einem Ende des Viertel zum anderen müssen. Sie unterscheiden sich von mir und haben ein Ziel. Ich habe keines. Ich bin nur hier, weil Jules über Semmelknödel geschrieben hat und ich ganz plötzlich selbst einen solchen im Magen hatte. Einen harten, kalten und schwer verdaubaren. Woher der kam, wusste ich nicht, bis ich auf dem Heimweg in die kleine Straße an der Isar eingebogen bin. Jetzt weiß ich es, denn ich und der blöde Knödel der zwischen Magen und Herz hängt, stehen vor dem Geburtshaus von dem, der einst so wunderbar über diese Beilage geschrieben hat. Hier in der Zeppelinstraße 41 wurde Münchens großer Volkssänger am 4. Juni 1882 geboren. Und auch wenn es dem Valentin wahrscheinlich herzlich wurscht gewesen wäre, dass hundertvierzig Jahre später eine am Abend vor der Gedenktafel steht und sich erinnert, bleib ich genau da stehen. Viel mehr hätte es ihn vielleicht gefreut, dass er, der alte Grantler, mir und meinen Geschichten recht viel Glück gebracht hat. Obwohl…wahrscheinlich wäre ihm auch das egal gewesen. Recht freundlich soll er ja nicht gewesen sein. Das widerrum ist mir reichlich wurscht. Von seinem grantigen und missmutigem G´schau hab ich mich noch nie nicht einschüchtern lassen.

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Natraj mit Rhett Butler

Verdammt, ich fluche leise, als ich mich durch mein Kellerabteil schiebe und im Dunklen an etwas stoße. Ein leises Lachen verrät mir, dass ich Paul und keinen Karaton angerempelt habe. Zum bestimmt fünften Mal an diesem Abend. Jedes Mal, wenn das Licht im Keller ausgeht, muss sich einer von uns den Weg nach draußen bahnen, um es für kurze drei Minuten wieder anzumachen. Seit meiner nächtlichen Ansprache zur Energiekries vor versammelter Nachbarschaft, darf ich mich über die kurze Zeitschaltuhr nicht beschweren und fluche nur ganz sanft. Ich stoße mit dem Gesicht gegen den Pauls Rücken und höre sein Lachen jetzt von oben und nicht mehr unten. Wir tasten uns kichernd an der Wand des Kellers entlang und als wir gleichzeitig nach dem Lichtschalter greifen und uns gegenseitig kichernd auf die Finger klopfen, entsteht im wieder angehenden Licht für einen kurzen Moment eine etwas peinliche Stille. Kein Wunder, denn sind wir beide nur im Keller, weil uns Halloween und die nach Süßigkeiten bettelnden Kinder auf die Nerven gehen. Unsere Wohnungen sind beide über Laubengänge zu erreichen und wenn wir unsere Türen nicht öffenen, klopfen die Eltern der Kinder an unsere Fenster. Da wir nicht im Dunklen sitzen wollten, sind wir geflohen. Dass wir das nun trotzdem tun und beide vorgaben unsere Keller ein wenig aufzuräumen ist reichlich albern. Anfangs mittlerweile aber ganz lustig. Paul grinst und hält mir eine CD unter die Nase. Eine die er auch einmal hatte. Eine, die vermutlich jeder in unserem Alter einmal hatte und die ich mir mit siebzehn gekauft habe. Wir gehen zurück in mein Kellerabteil und hocken uns wieder vor den Karton mit meinen alten CDs und Kassetten. Drei Minuten lang wühlen wir uns durch meine musikalische Vergangenheit, erkennen einen ähnlichen Musikgeschmack und rempeln uns an, als das Licht erneut ausgeht.

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Nächtliche Energiekrise

Ich gehe jetzt rüber! Mit Schwung schlage ich die Bettdecke zurück und setze mich auf die Bettkante. Wartend. Wenn man nachts um kurz vor drei Uhr ankündigt, zu den Nachbarn auf der ande, der neben einem liegt, davon abhält. Finden Sie nicht auch? Der meiner dreht sich auf die andere Seite und macht gar nichts. Ich gehe jetzt rüber, wiederhole ich und warte. Drei Atemzüge lang. Dann stehe ich auf und höre ein gemurmeltes „bis gleich“. Bis gleich? Ich verkünde ein drittes Mal, dass ich jetzt sofort, im Nachthemd und mit einer Stinkwut im Bauch an ein fremdes Fenster auf der anderen Straßenseite im Erdgeschoss klopfen werde. Der, der neben mir liegt schlägt jetzt endlich ebenfalls die Bettdecke zurück und setzt sich auf. Weiterlesen

Ohne ihn brennt´s nur halb so schön

„Iljana, komm raus“, fordert der alte Säufer mit rauer, noch nachtschwerer Stimme. Iljana, die mazedonische Aushilfe des vietnamesischen Schönheitssalons schüttelt lächelnd den Kopf. Sie kennt den Alten seit bald einem Jahr und hat sich daran gewöhnt, dass er morgens vor dem Laden sitzt und nach ihr ruft. Er ist eine treue Seele. Und wie man die meisten treuen Seelen gern hat, so mag man auch ihn. Man hat sich an seine kratzige Stimme und seinen schwankenden Schritt gewöhnt. Nach den ersten Schlucken aus der kleinen Jägermeisterflasche geht er gerader und man versteht ihn besser. Die meisten. Iljana nicht. Sie spricht noch immer kaum Deutsch, braucht es aber auch nicht. Letztes Jahr stand Iliana an der Kasse des vietnamesischen Backshops. Seit er schließen musste arbeitet sie im vietnamesischen Schönheitssalon. Iljana ist eine treue Seele. Ihr ist es egal, ob sie Semmeln abkassiert, oder Geld für frisch manikürte Fingernägel in die Kasse wirft. Ihre Arbeitgeber versteht sie noch schlechter als den Säufer, weil der ihr wenigstens nur einzelne Worte um die Ohren haut. Der vietnamesische Singsang dagegen gleicht einem nicht zu verstehenden Gemurmel. Auch für mich.

„Iljana“, schreit der Alte, „es brennt!“ Solange es draußen brennt, ist es nicht ihr Problem, sagt Iljana – glaube ich – und füllt meinen Becher mit heißer Milch. Weil die Kaffeemaschine aus dem Backshop noch nicht abgebaut ist, gibt es im Schönheitssalon morgens warme Getränke zu erwerben. Warum auch nicht. Der Säufer hat sich selbst etwas mitgebracht und öffnet im Türrahmen stehend den zweiten Jägermeister. Ich stell mich mit meinem Kaffee neben ihn und trinke draußen, weil es drinnen nicht mehr nach Gebäck sondern nach Lacken riecht. Seine Fingernägel sind gepflegter als meine. Es wundert mich, das einer, der so riecht, so schöne, alte Finger hat. „Schau, Iljana“, sagt er und meint mich. Ihm ist es egal,mit wem er spricht. So egal, wie ihm der Laden ist, vor dem er sitz. „Schau, Iljana, es brennt. So schön brennt es.“ Ich nicke und rufe nach Iljana. Auf der anderen Straßenseite steht eine Pappel. Ihre gelben Blätter brennen im Sonnenlicht des Herbstmorgens. Der Baum ist wunderschön. Zu schön um ihn nicht anzusehen.

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Meiers Taschentücher

Braun sei ich geworden, sagt der alte Mann neben mir. Nicht zu mir, sondern zu einem ebenso alten Herren, der auf meiner anderen Seite langsam unter den Bäumen entlang schlurft und auf eine Bank zusteuert. Ja, ziemlich, nickt dieser und mustert mich mit aufmerksamen Blick. Kein Wunder sei es, meinen beide, weil ich ja unbedingt den Sommer noch ein wenig verlängern wollte. Das würde ich ständig machen, murmeln sie und konzentrieren sich auf den Kiesweg, auf dem bereits Herbstlaub liegt. Während ihre Schritte leise knirschen, sage ich nichts und bin dankbar, dass die beiden die Stille unter den Bäumen mit Worten füllen, damit etwas gesagt wird, wo es eigentlich nicht viel zu sagen gibt. Mir selbst würde nichts einfallen. Im Gegensatz zu ihnen bin ich heute nicht zum Spazierngehen am Friedhof, sondern zum Abschied nehmen. Sie begleiten mich ein Stück und ziehen sich dann zurück.

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Herbst…ganz normal, sagt Herr Mu

Bist traurig, fragt mich Herr Mu und ich schüttle den Kopf. Nein, murmle ich und lasse mich neben ihn plumpsen. Das Holz der Bank ist Sonnenwarm und ich mache es wie Herr Mu. Schlüpfe aus meinen Schuhen und wackle mit den nackten Zehen. Seit einigen Monaten sitzt er wieder an der Bushaltestelle und macht es sich dort fast jeden Tag gemütlich. Herr Mu wartet nicht auf den Bus. Herr Mu wartet auf Menschen aus der Nachbarschaft, mit denen er sich für ein paar Minuten unterhalten kann. Und wenn einer wie ich kommt; einer der eigentlich reden will, aber nichts zu sagen hat, dann ist Herr Mu einfach da und erwartet nichts. Drei Busse fahren vorbei und ich beobachte wie Leute aus- und einsteigen, während ich einfach in der Sonne sitzen bleibe und den abgeblätterten Nagellack an meinem großen Zeh ins Licht halte. Herbstwarm ist es, sage ich nach dem vierten Bus und der alte Mann nickt. Still liest er seine Zeitung und schaut nur kurz auf. Und trotzdem wird´s schon kälter, rede ich weiter, weil ich so gerne etwas sagen möchte aber selbst nicht weiß was. Der Nagellack an den anderen Zehen blättert auch ab merke ich und stelle fest, dass mir das aber heute völlig egal ist. Nicht wirklich kalt, fange ich wieder an. Heut ist es ja richtig warm, aber unter dem Warm, wird´s schon kalt. Es herbstelt und obwohl der Herbst nach dem Sommer so schön ist und ich mich wirklich darauf freue, kommt er doch ein bisschen arg schnell, finden Sie nicht? Herr Mu faltet seine Zeitung zusammen und legt sie neben sich. Ein paar Minuten lang sagt er nichts, grüßt mit einem Nicken einen Nachbarn und lehnt sich dann zurück. Ob ich das Wetter meine, will er wissen und es dauert ein bisschen, bis ich den Kopf schüttle.

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Schwabinger Bombennacht

Als vor zehn Jahren in Schwabing eine alte Fliegerbombe gefunden und später zur Explosion gebracht wurde, stand einer von denen die aus ihren Wohnungen evakuiert wurden, vor meiner Haustür. Es war früher Nachmittag und er trug T-Shirt und Pyjamahose. In den Händen sein Telefon, Schlüsselbund und Geldbeutel. Auf den Lippen ein Grinsen. In der Regel reichte das. Das Grinsen für mich und Schlüssel und Geld für eine kurze Evakuierung. In München werden oft Bomben gefunden und meist können die Bewohner schnell wieder zurück in ihre Wohnungen. Diesmal nicht. Dass es länger dauern könnte hatte man wohl angedeutet und wäre er nicht, dank vorheriger Nachtschicht aus dem Tiefschlaf gerissen worden, hätte er vielleicht eher nach anderen Schuhen und nicht nach einer Flasche Wein gegriffen, als er von Polizei und Feuerwehr begleitet in sein Auto stieg. So stand er zerzaust, in Flipflops und übermüdet vor meiner Türe. Sein Grinsen reichte nicht und meine Tür blieb zu. Sie blieb verschlossen wärend ich abends im Radio von 3.000 evakuierten Personen hörte, die Bilder des abgesperrten Areals in den Nachrichten sah und als es dunkel wurde von Notunterkünften in Schulen las. Erst als klar war, dass in dieser Nacht gar nichts mehr passieren würde ging ich ins Treppenhaus und setzte mich neben dem, der dort noch immer wartete. Nicht weil ich ihn sehen wollte – das ganz sicher nicht. Nein, einzig aus der Sorge, dass er im Laufe der Nacht beginnen würde das Adressbuch seines Telefons zu durchforsten und bei irgendeiner anderen Frau Unterschlupf finden würde. Ohne die Bombe in Schwabing vor zehn Jahren wäre das mit uns wahrscheinlich nichts mehr geworden. Wenigstens wir profitierten. Das wunderbare alte Schwabing rund um die Feilitzstraße nicht. Ein Teil von ihm wurde in dieser Nacht gemeinsam mit der Bombe zerstört.

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