Weiß nicht was

Der Mann, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht, kommt nicht vorbei. Er ist, er weiß nicht was. Das ist ungewöhnlich. Ich kenne ihn wütend – kurz und heftig wie ein Gewitter. Dauerhaft bewölkt kenne ich ihn nicht. Ich kenne ihn lachend und kenne ihn ruhig, weil er selten mehr als nötig sagt. Sich Worte verkneifend kenne ich ihn nicht. Ich kenne ihn eine Antwort rigoros verweigernd und schmunzelnd den Kopf schütteln. Linkisch mit den Schultern zuckend, kenne ich ihn nicht. Ich kenne ihn angefressen und weiß, dass er es heute nicht ist. Heute ist er, er weiß nicht was und das ist ungewöhnlich.

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Das fragile Gleichgewicht von Kirschen. U-Bahn Gedanken

Sie steigen jeden Morgen an der Haltestelle Donnersberger Brücke ein und fahren bis zu den Siemenswerken. Ich stelle mir vor, dass sie beide im gleichen Unternehmen arbeiten und sich dort, vor vielen Jahren auch kennen gelernt haben. Damals hat man ihnen vielleicht beiden angesehen, dass sie frisch verliebt waren. Heute sieht man die Zuneigung nur noch ihr an. Jeden Morgen legt sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel und jeden Morgen schiebt er sie weg, noch bevor sich die Türen der Bahn geschlossen haben. Weiterlesen

Herr Meier schimpft. Frau Obst auch.

Ich habe einen neuen Freund. Zugegeben es ist eine etwas einseitige Beziehung. Mein neuer Freund weiß nichts von mir. Hat keine Ahnung dass es mich gibt, und wenn er es wüsste oder zu denken fähig wäre, dann wäre es ihm egal. Mein neuer Freund ist der Mars, der jeden Abend von meinem Balkon aus zu sehen ist. Wie so oft, fallen einem die Dinge erst auf, wenn man über sie stolpert. Oder wenn man, wie in meinem Fall, nach 20 Jahren die Sehstärke kontrollieren lässt.  Weiterlesen

Ein Höschen führte zum Eklat

Mein Nachbar Herr Meier, spricht nicht besonders viel, ist grantig, konstant schlecht gelaunt und wirkt immer etwas mürrisch. Dennoch würde ihn die Hausgemeinschaft nicht als unfreundlich beschreiben. Er ist schon in Ordnung, der Meier. Auf seine spezielle Art scheint er uns zu mögen. Die lauten Studenten aus dem Hinterhaus, das lesbische Pärchen aus dem ersten Stock und die netten Russen die die Pakete für das ganze Haus entgegen nehmen. Er mag auch die Vietnamesen, die seit einigen Monaten den Back-Shop betreiben. Das ist neu und wie ich erfahren habe, besucht Herr Meier den Back-Shop erst, seit er auf der Eigentümerversammlung erfahren hat, dass Frau Obst die Vietnamesen nicht ausstehen kann. Herr Meier mag alles was Frau Obst nicht mag. Schon aus Prinzip. Weiterlesen

Der Hirschkopf bleibt!

Den Streit eines Paares mitzuerleben berührt mich unangenehm. Es widerstrebt mir zu sehen, wie dünn die Schicht an Liebe ist, die über den harten Bodensatz von Egoismus, Sturheit und Gleichgültigkeit gestreut wurde. Wenn die Diskussion der Farbe von Sofakissen zu verbalen Totalausfällen führt, dann sollten Paare zum Therapeuten. Der Streit, der mich unangenehm berührte, amüsierte dich. Warum eine Therapie, meintest du. Ein kurzer Ikea Besuch am Samstag Nachmittag würde ihnen doch sehr deutlich machen, dass ihre Beziehung Mist ist. Weiterlesen

Franz hat jetzt weiche Hände – U-Bahn Gedanken.

Wenn es richtig ist, dass sich „Sie Arschloch“ schwerer sagt, als „Du Arschloch“, dann möchte ich nach der heutigen U-Bahnfahrt einigen Paaren die Rückkehr zur formellen Distanz ans Herz legen. Dem Paar hinter mir ist es wahrscheinlich egal, was ich denke. Mehr noch. Wenn ihnen schon scheißegal ist, was der Ehepartner denkt, dann dürfte ihnen meine Meinung zu ihrem lautstarken Streit vermutlich gleich doppelt scheißegal sein. Mir wäre es auch egal, würde ich nicht direkt neben ihnen stehen und mir ihre Fäkalsprachlichen Ausgeburten nicht so ungefiltert um die Ohren fliegen. Weiterlesen

Zettelwirtschaft in Büchern

Die kleine Karte ist unscheinbar. Kaum größer als ein Post it. Im Laufe der Jahre ist das rosa Papier dünn und grau geworden. Obwohl ich sie seit über zwanzig Jahren nicht mehr in der Hand hatte, erkenne ich sie sofort wieder. Sie liegt jetzt auf dem Boden vor meinen Füßen und ist aus Milan Kunderas Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ gefallen. Sofort schießen mir die Tränen in die Augen, weil es mir unmöglich ist, nicht an Karenin, den sterbenden Hund im Buch, zu denken. Die Erinnerung an Karenin verschwindet schnell, die Tränen bleiben. Wegen der Karte. Weiterlesen

So, bitte nicht!

Versucht sich ein Liebespaar darin, nach Beendigung der Liebe, ein Freundespaar zu werden, geht das meistens gründlich schief. Der klügste meiner Exfreunde und ich, können davon ein Lied singen. Wir trennten uns, blieben aber einfach weiter in der gemeinsamen Wohnung  hocken. Beide. Man ist ja erwachsen. Man hat sich ja noch sehr gerne. Man möchte ja Freunde bleiben. Ich weiß nicht wie er es sieht, aber der Entschluss nach einer Trennung die Wohnung nicht aufzulösen, ist die schnellste und wirkungsvollste Methode eine Freundschaft zu zerstören. Weiterlesen

Drei Dates im Gegenwert eines Badezimmerschrankes

Einen meiner engsten Freunde nenne ich den Besten. Nicht weil er mein bester Freund ist, obwohl er das vielleicht tatsächlich ist, sondern weil er in vielem einfach unschlagbar ist. Er weiß wie wir meine Spüle zerlegen müssen um den Siphon zu reinigen (und wieder zusammen setzen); er kennt sich mit Zeckenbissen aus und hat zu fast allem eine, meistens ziemlich kluge, Meinung, die er auch begründen kann. Weiterlesen