Einen meiner engsten Freunde nenne ich den Besten. Nicht weil er mein bester Freund ist, obwohl er das vielleicht tatsächlich ist, sondern weil er in vielem einfach unschlagbar ist. Er weiß wie wir meine Spüle zerlegen müssen um den Siphon zu reinigen (und wieder zusammen setzen); er kennt sich mit Zeckenbissen aus und hat zu fast allem eine, meistens ziemlich kluge, Meinung, die er auch begründen kann. Den Sprung vom Bekannten zum Freund schafft er neben vielen großen und kleinen Dingen auch durch seine kompromisslose Ehrlichkeit. Er rückt mir den Kopf zurecht, wenn er in den Wolken hängt und schert sich nicht um meine Launen, weil er die eigenen mit Hingabe pflegt. Das ist nicht rücksichtslos, das ist genau richtig. Denn nur so ist es möglich über viele Jahre das Leben des anderen intensiv mitzuerleben ohne irgendwann genervt oder gelangweilt zu sein. Es ist nicht leicht einem Freund zu sagen, dass man anderer Meinung ist – viel leichter ist es einfach zu nicken. Und es ist nicht leicht, eine Stunde schweigend durch eine fremde Stadt zu laufen, weil man sich mit oder ohne Worte gestritten hat und sich gerade ziemlich scheiße findet. Schwer ist es auch bei manchen Themen zuzugeben, dass sie einen nicht interessieren. Man sollte es trotzdem tun. Eine Freundschaft hält das locker aus. Nur über das Seichte, das Oberflächliche und das Alltägliche zu reden, liefert nicht genügend Gesprächsstoff.
Alles erzähle ich dem Besten aber dann doch nicht. Nachdem er meine Anmeldung auf einem Dating-Portal anfangs noch mit einem aufmunternden „Mach mal“ kommentierte, wurde sein Blick schnell zweifelnder. Das kann er gut, der Beste. Zweifelnd schauen. Dann braucht er keine Worte, sein Blick sagt dann: „Du spinnst und weil du das weißt, werde ich es nicht weiter kommentieren.“ Die wirklich wichtigen Dinge weiß er. Man spricht ja miteinander. Die unwichtigen, sich ständig wiederholenden, berichte ich lieber dosiert. Man will ja auch künftig miteinander sprechen. Ich glaube er schätz es ab und an nicht alles erzählt zu bekommen. Allerdings mehren sich in den vergangen Tagen die Hinweise darauf, was man für 14,99 Euro alles käuflich erwerben kann.
Neulich saß der Beste auf den Fließen in meinem Bad und montierte einen Badezimmerschrank. Handwerklich kann ich da nicht viel beitragen, also saß ich nur daneben um seine investierte Zeit wenigstens durch meine Anwesenheit zu honorieren. Zwischen Scharnier eins und Scharnier zwei, der Hinweis des Besten, dass Ikea das Ding für 14,99 verkauft. Ich nicke und es dauert einen Moment, bis ich sein Grinsen bemerke. Der Beste trägt also auch zur Besucherzahl dieser Seite bei. Und während ich mich darüber noch freue, legt er die Schrauben zur Seite und holt er meinen Blog ausgedruckt aus seiner Tasche. „Ich hab dir die Kommafehler angestrichen.“
Mehr sagte er erst mal nicht und ich dachte darüber nach, dass man für 14,99 Euro für einen soliden, hübschen und durchaus praktischen Gegenstand erhielt. Vielleicht hätte ich diesen Betrag lieber schon vor Jahren bei Ikea und nicht in den monatlichen Mitgliedsbeitrag des Dating Portals investieren sollen. Date drei, vier und fünf nach Dr. X fanden binnen eines Monats statt und ich habe dem Besten nicht davon erzählt. Wahrscheinlich weil ich damals für 14,99 Euro das genau Gegenteil eines Badezimmerschrankes erhielt. Die Herren waren unanständig, unattraktiv und kompliziert.
Unanständig der Erste, dessen aktuelle Beziehung auf so wackligen Beinen stand, dass er schon vor der Beendigung nach potentiellen Nachfolgerinnen suchte.
Unattraktiv der Zweite. Mag sein, dass ich oberflächlich bin, aber ein Minimum physischer Anziehung muss vorhanden sein.
Kompliziert der Dritte, der fünf Minuten lang versuchte ein Stück Süßstoff mit dem Messer zu zerteilen, weil er nur ein halbes in den Kaffee haben wollte.
Dem Besten habe ich nicht davon erzählt. Es war nicht wichtig. Gerne hätte ich ihm das mit dem Süßstoff pantomimisch nacherzählt. Da wir aber beide Zucker bevorzugen, ergab sich keine Gelegenheit.
Er erfährt es jetzt, weil ich ihm das eben getippte mailen werde. Nicht wegen der Kommafehler, sondern wegen seiner Person. Da ich sein Gesicht nicht sehen werde, muss er mir im Zweifel telefonisch mitteilen, dass ich ihn aus dem Mist hier rauslassen soll. Ich erfinde dann einen unsichtbar, nicht realen besten Freund und nenne ihn, den Zweitbesten. Zufällige Ähnlichkeiten mit realen Personen sind dann zufällig Die Kommafehler streicht er mir hoffentlich trotzdem weiter an.
Ich bin immer wieder begeistert!!!!!
Klingt nach einem wirklich tollen besten Freund!!!!
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Danke, Norma.
Es freut mich sehr, dass es dir gefällt.
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mir gefallen deine beiträge wirklich sehr gut
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Ich mag wie du schreibst. Und wie dein Bester tickt. Und also auch wie du tickst. Danke für deinen Besuch in Carmilund!
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Es wird sicher nicht der letzte Besuch gewesen sein!
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Ach komm schon! Wat für Kommafehler? 😆
Liebe Grüße, Werner 🙂
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Es ehrt dich, dass du einfach drüber liest. 😉
Liebe Grüße
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😂
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