Sommerräume

Mein Balkon und mein Laubengang sind mir heilig. Ich habe sie so gern wie meine Wohnung und betrachte sie von Frühling bis Herbst als zwei weitere, besonders schöne Räume. Öffentliche Räume, denn egal ob man will oder nicht, als Geheimnisträger eignen sich die Sommerräume nicht. Von allen Balkonen im Haus ist meiner der Wilde. Man sieht es von unten wenn man den Kopf in den Nacken legt und die Hausfront hinauf blickt. Bei mir ist nichts ordentlich, aber alles üppig. Schlampig nennt ihn Frau Obst, die den Kopf nicht in den Nacken legt, sondern sich täglich einmal gefährlich weit über die Brüstung lehnt um zu kontrollieren ob es vielleicht ordentlicher geworden ist.

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Wegen des Clowns. Und wegen dir.

Er weiß es noch nicht, aber er wird heute Nacht heute bei mir bleiben. Ich fasse den Entschluss, als wir das Kino verlassen. Noch aber sage ich es ihm nicht.  Zu offensichtlich ist es, zu gewollt und ich schäme mich ein wenig. Ich lade ihn auf einen Drink ein. Ein Absacker nach dem Film. Rede und lache seinen Einwand, morgen früh raus zu müssen, einfach weg. Es ist leicht, ihn zu einem weiteren Glas zu animieren. Zu leicht, denke ich mir auf dem Weg zur Bar und frage mich kurz ob es schon immer so leicht war. Vor leeren Gläsern sitzend, bitte ich ihn, mich nach Hause zu bringen. Meine Wohnung liegt auf deinem Heimweg und meine Straße ist mir heute zu dunkel. Er kann nicht ablehnen. Dunkle Straßen sind ein Argument, dem man sich nach Jahren der Freundschaft nicht erwehren kann. Vielleicht kann man sich als Mann einem solchen Argument auch nie erwehren. Ich habe nicht gelogen. Heute ist mir die Straße zu dunkel und ich könnte sie nicht alleine gehen. Nicht wegen der Dunkelheit und nicht, weil ich weiß, dass irgendetwas nicht stimmt. Weiterlesen

Nicht geschafft

Sie hätten sich auf dich gefreut, sagen die Trauzeugen und ich sehe, dass es ihnen jetzt Umstände macht, mich alleine hier stehen zu sehen. In unserem Alter ist es doch normal die Sitzordnung einer Hochzeitsfeier streng nach „Mann-Frau-Mann-Frau“ auszulegen. Ich verstehe, dass es ihnen nun schwer fällt mich unter zu bringen und wundere mich nur kurz, weil ich nur für mich und nicht für dich zugesagt habe. Unsicher tippelt die, welche die Trauung bezeugt hat auf ihren hohen Absätzen auf und ab und schüttelt hektisch den Kopf als der, der das auch tat, in Richtung des Kindertisches deutet. Doch, das sei schon in Ordnung sage ich, umarme noch einmal zur feinen Organisation beglückwünschend und gehe dann an den einzigen Tisch, dessen Blumenvase bereits mehrfach umgekippt ist. Weiterlesen

Alter egal – U-Bahn Gedanken

Obwohl es gestern erst den ganzen Tag geregnet hat, ist es heute schon wieder angenehm heiß. Zu heiß würden viele behaupten; angenehm italienisch warm, sage ich. Obwohl es in München im Sommer recht warm wird, gibt es nur wenige italienische Woche. Solche Wochen zeichnen sich nicht nur durch die Temperatur aus. Vielmehr erinnert sich an diesen Tagen die ganze Stadt, dass sie sich tief im Herzen dem Süden häufig verbundener fühlt als dem Norden. An solchen Tagen gehen die Münchner langsamer, schlendern mehr und bleiben noch lieber für ein Schwätzchen stehen. Die Münchnerinnen tragen schönere Kleider, höhere Schuhe und ein bisschen mehr Rouge auf den Wangen. Sie tun es, weil die Münchner Männer in jenen Tagen ihren Charme zusammen kratzen und häufiger anerkennend lächeln, wenn ein schönes Kleid an ihnen vorbei läuft. Und wenn die Münchnerin ein besonders großes Glück hat, dann trifft sie auf einen Italiener, der das ganze noch ein bisschen besser als der Münchner kann. Weiterlesen

Im Bmpf wird gegrillt – U-Bahn Gedanken

Im Bmpf verschwinden Dinge. Die Dinge werden entweder versehentlich geklaut, oder jemand, dem sie nicht gehören, hat sie mitgenommen. Ich vermute, dass Dinge die mitgenommen werden und die einem nicht gehören, ebenfalls geklaut werden. Wie man etwas versehentlich klaut, weiß ich leider nicht. Ich würde den, der gerade vom versehentlichen Klauen berichtet, gerne danach fragen, wie so etwas funktioniert, aber ich möchte sein Telefonat nicht unterbrechen. Er redet mit so lauter und klarer Stimme, dass man ihn unmöglich stören darf. Wer mit einer solchen Stimme ganze acht Reihen in einem Bus unterhält, berichtet ganz offensichtlich etwas von großer Wichtigkeit. Weiterlesen

Ein zweiter Blick

Er hätte jetzt ein Katze, teilte mir ein etwa siebzig jähriger Mann vor einigen Wochen mit. Ich kannte ihn nicht und stand nur zufällig morgens an der Bushaltestelle, auf deren Bank er saß. Neben sich ein Trolli zum transportieren von Einkäufen und in den Händen ein Smartphone, lächelte er mich freundlich an und deutete auf das Display auf dem wohl ein Foto der Katze zu sehen war. Weiterlesen

Franz hat jetzt weiche Hände – U-Bahn Gedanken.

Wenn es richtig ist, dass sich „Sie Arschloch“ schwerer sagt, als „Du Arschloch“, dann möchte ich nach der heutigen U-Bahnfahrt einigen Paaren die Rückkehr zur formellen Distanz ans Herz legen. Dem Paar hinter mir ist es wahrscheinlich egal, was ich denke. Mehr noch. Wenn ihnen schon scheißegal ist, was der Ehepartner denkt, dann dürfte ihnen meine Meinung zu ihrem lautstarken Streit vermutlich gleich doppelt scheißegal sein. Mir wäre es auch egal, würde ich nicht direkt neben ihnen stehen und mir ihre Fäkalsprachlichen Ausgeburten nicht so ungefiltert um die Ohren fliegen. Weiterlesen

Etwas weniger Tiefgang

Er fragt mich, ob ich glücklich sei und leckt sich einen Rest Milchschaum aus dem Mundwinkel. So richtig glücklich. Irritiert stelle ich meine leere Tasse ab und sehe, angesichts der gestellten Frage, Stolz in seinen Augen. Eben waren wir noch beim zuletzt gelesenen Buch und plapperten uns ziellos durch den Nachmittag. Jetzt wird es ernst. Weiterlesen

Ein Pfirsich für Annette

„Schreib weiter.“ Steht in ihrer SMS und ich sehe das Ausrufezeichen dort, wo der Punkt  am Ende des Satzes steht. Ein Fragezeichen wäre angebracht gewesen. Und überhaupt eine Frage und nicht eine Aufforderung. Mein Einwand, dass ich die letzten beide Tage schon etwas geschrieben habe, wird mit einem „Na und? Schreib weiter!“ weggewischt. Sie musste es genauso wenig tippen, wie ich meinen Einwand anbringen musste. Ungeschrieben und ungesagt, hängt es in der Luft und hat seinen Weg zum Empfänger gefunden. Weiterlesen