Ob ich glücklich bin fragt mich eine Kollegin und ich nicke. Ernsthaft, hakt sie nach und lehnt sich neben mich an die Arbeitsplatte der Kaffeeküche unseres Büros. Wieder nicke ich und deute mit dem Kopf zum Fenster. Jetzt gerade? Ja, schau dir das Wetter an. Draußen ist Hochsommer und heute morgen roch es wieder nach großen Ferien. Ich erzähle ihr vom Geruch, der mir heute um halb sieben an der Bushaltestelle in die Nase stieg. Diese wunderbare Mischung der gerade erwachenden Stadt, frischem Kaffee aus unzähligen Küchen und der Hitze eines Augusttages die sich so früh noch nicht schwer, sondern federleicht auf die Schultern legt. Gemischt mit Abgasen – so seltsam es klingt – ist dies genau die Kombination nach der bereits vor Jahrzehnten die Wochen kurz vor den großen Ferien gerochen haben. Meine Kollegin riecht es nicht. Sie fragt sich und mich, ob man überhaupt noch glücklich sein kann in einer Welt wie der unseren. Bei einer solchen Frage verschwindet der schöne Geruch und ganz automatisch relativiere ich. Natürlich lässt mich nichts von dem was ich täglich höre kalt. Die Dürre, die Brände und das enorme Leid, das sie mit sich brachten geht an mir nicht spurlos vorüber. Auch der Krieg in der Ukraien – seit sechs Monaten schon – nicht und nichts was ich täglich in den Nachrichten sehe. Trotzdem…heute morgen roch es unheimlich gut. Scheiß auf den Geruch, sagt sie und erzählt von einem Streit mit ihrem Mann. Während mein Kaffee nicht mehr ganz so gut schmeckt höre ich es mir an und kann ihre schlechte Laune verstehen. Weniger verstehen kann ich, warum ich zugeben soll, dass die meisten Beziehungen Schrott sind und versuche mich mit einem Schulterzucken aus der Affäre zu ziehen.
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