In meinem ganzen Leben war ich vermutlich nur ein Mal lang so selbstbewusst, so über den Dingen stehend und so wenig Mainstream wie ich es mir vorher und später oft gewünscht habe. Es waren jene neun Monate in denen ich als Sechzehnjährige ausschließlich zwei Oberteile getragen habe. Ein enganliegendes Shirt mit kurzen Ärmeln aus schwarzem Samtimitat und ohne jeden Schnickschnack und ein als Skiunterwäsche deklariertes dünnstoffiges, freigeripptes hellblaues Unterhemd mit einem feinen roten Streifen über die Brust. Letzteres gehörte meinem Vater, wurde von mir einem Impuls folgend vom Wäscheständer genommen und noch feucht zu meinem Eigentum erklärt. Dazu zwei Paar Jeans in einem Stadium zwischen perfekt eingetragen (meine Definition) und reif für die Tonne (Aussage meiner Mutter), sowie lachsfarbenen Chucks die ich, soweit ich mich erinnern kann, nur im Bett auszog. Chucks mit denen man aufgrund unzähliger Glasscherben durch die Isar stapfen konnte, die problemlos an den Füßen trockneten und die ich mehrmals aus dem Müll retten musste, weil Eltern nur selten die Bedeutung perfekter Turnschuhe zu schätzen wissen. Auf wenigen Fotos meiner Teenagerzeit finde ich mich hübscher als damals. Ungeschminkt, die langen Haare immer etwas zerzaust und recht zuversichtlich die nächsten sechzig bis siebzig Jahre erwartend. Wenig ist vom Teenager jener Tage geblieben. Das Unterhemd aber, das gibt es noch. Weiterlesen
Aufgetragen
