Der Grantler schmunzelt gnädig

Einer der schönsten Gerüche: Holz. Das schönste Licht in einem Raum: Sonne, die durch große Fenster scheint. Beides traf gestern zu und eigentlich hätte der schlaksige, grantige Mann mit dem wirren Haar, alleine schon deshalb lächeln müssen. Tat er nicht. Er macht es nie, wenn ich mit dem Schlüssel in der Hand den langgezogenen Raum im Erdgeschoss seines Geburtshauses betrete. Egal wie fein die Holzdielen duften, egal wie herrlich sich die Frühlingssonne, in der Holzvitrine spiegel…er bleibt grantig und schaut missmutig auf die, die da reinkommen und sich zwischen seinen Fotos und Zitaten an der Wand treffen. Mittlerweile geht mir ein Lächeln von ihm nicht mehr ab. Der Valentin grantelt und ich lächele. Wegen der Sonne, wegen dem Holzgeruch und vor allem, weil ich endlich wieder einmal hier in der Au sein darf. Es wäre mir wurscht gewesen ob ich oder ein anderer liest, aber ehrlich gesagt ist es schon besonder schön, dass ich es sein darf und dass der Robert vom Münchner Theater Südsehen dabei ist. Den mag ich mindestens genauso gern wie Holz und Sonne. Ob er sich über diesen Vergleich (ohne weitere Erklärung) freuen würde weiß ich nicht. Sicher aber ist, dass er sich über das Publikum genauso freut wie ich.

Egal ob viele oder wenige kommen, im Valentinhaus kann man sich recht sicher sein, dass es eine schöne Mischung wird. Hier saßen aus Platzgründen schon mal welche hinter einem auf dem Fensterbrett, hier schlief schon mal einer während einer Lesung ein, hier waren fast alle meine Freunde und hier sind vor allem immer die Münchner, die mir vertraut sind, auch wenn ich sie gar nicht kenne. Die Au ist eines der beiden Viertel in dem ich aufgewachsen bin und dessen Bewohner ein ganz besonderer Schlag sind. Corona sei dank war ich ewig nicht mehr hier. Viel zu klein, zu eng und viel zu viele ältere Gäste für die Zeit der Pandemie. Auch danach, weil diese saublöden zwei Jahre viel geändert haben. Aber eben nicht alles und nicht dauerhaft. Der Valentin zum Beispiel schaut noch genauso wütend wie vor drei Jahren, während ich einen Tisch zum Fenster schiebe und nach der grünen Leselampe suche. Das Verlängerungskabel ist immer noch etwas zu kurz und ich finde es lustig, dass man sich über so was freuen kann. Wahrscheinlich nur jemand wie ich, der Veränderungen jeglicher Art erst einmal misstrauisch beäugt, selbst wenn sich um Verlängerungskabel handelt. Die Zitate seiner Stücke kenne ich auswenig, aber nach drei Jahren und während man wartet, kann man sie ruhig noch einmal lesen. Schöner als die ist es aber mit Robert wartend einen Kaffee zu trinken und sich wie früher zu fragen ob überhaupt wer kommt. Wenn in München die Sonne an den ersten Frühlingstagen scheint, dann kommt der Münchner eher selten am Nachmittag zu einer Lesung. Weil wir das aber wissen, sind wir gespannt ob es zwei oder ein Handvoll sein werden.

Eine gute Handvoll ist es am Ende und das war grad richtig. So erzählen und lesen nicht nur wir, sondern bekommen am Anfang gleich mal selbst etwas erzählt. Soll ich euch was erzählen, fragt eine weit über neunzig Jährige und strahlt uns an? Natürlich! Wir bekommen ein Gedicht von Eugen Roth vorgetragen und ich wünschte mir, dass ich fähig wäre so gut und so mitreißend etwas vortragen zu können. Und mit so strahlenden Augen ein Gespräch zu beginnen. Letzteres gelingt mir vielleicht, dann wie könnten Augen nicht strahlen, wenn man einen so interessanten Menschen trifft. Wir lesen und erzählen und am Ende ratschen wir alle. Über das Viertel. Über die Texte alter Münchner Schriftsteller und über meine Erinnerungen, die in Erzählungen einfließen und die – wenn ich Glück habe – sich mit dem decken, was unsere Zuhörer auch schon erlebt haben. Wenige sind im Raum, aber er war randvoll. Mit Lachen, mit Erzählungen von allen und nicht zu letzt mit dem was dieser Ort für mich ausmacht: dem Gefühl hier unglaublich gerne zu sein und endlich, endlich wieder sein zu dürfen.

Und der grantige Valentin hat am Ende sogar geschmunzelt. Aber auch nur, weil ich ihn endlich richtig ausspreche. Falentin. Ganz klar. Es heißt ja auch Vater und nicht Water. Wenigstens das hab ich von ihm gelernt. Zeit wurde es.

16 Gedanken zu “Der Grantler schmunzelt gnädig

  1. Er schaut weiterhin so, das ist halt das mit dem Zelluloid und er könnte gesagt haben: Muaß i jetzat imma so bleim, wia auf dem Foto do? Jedenfalls wird er angesichts des Publikums gemurmelt haben: da siech i wieder etliche, die net dasand.

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  2. Sollte ich es vielleicht doch ausprobieren, über 90 zu werden und dir dann mit leuchtenden blauen Augen ein Gedicht von Eugen Roth oder ein anderes zu rezitieren? Wie ich mich und mein Gedächtnis kenne, müsste ich das dann aber ABLESEN.
    Ich weiß nicht, ob dieses Wagnis das Alter wert wäre! Ich will nur eine 8 vorn haben.
    Dicken Gruß zu dir

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  3. das mit dem Falentin hab ich von dir auch schon gelernt und denke das F immer ganz laut und betont wenn ich seinen namen lese 🙂 lustig, obwohl ich an einem ganz und gar unsonnigen februarabend dort war, wusste ich gleich, um welches holz es geht. immer wieder finde ich es richtig schade, dass es nicht direkt ums eck ist und ich nicht öfter dabei sein kann.

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