Traum echt

Heute ist der erste März. Und Weihnachten. Frühling, aber auch wieder Winter. Ein Winter, der nach Meer und warmen Sand riecht. Es ist verwirrend, im März aufzuwachen, sich wie an Weihnachten zu fühlen und das Meer zu riechen. Ich habe vom Strand geträumt, weil ich kurz vor dem einschlafen mit Einem der am Meer lebt, telefoniert habe. Er stand am Wasser als wir telefonierten und durch die Leitung schwappte der Geruch bis zu mir. Der Sand auf dem er stand war sicher nicht warm, aber das interessierte meinen Traum nicht. Meine Träume interessieren sich kaum für die Realität und enden selten mit dem Aufwachen. Meistens bleiben sie bei mir, bis ich mir das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt habe. Dann erst verschwimmen sie langsam.  Als es heute Morgen nach Meer roch, dachte ich noch zu träumen. Das kann ich auch mit offenen Augen. Vielleicht sogar noch besser. Die bunten Lichtpunkte an der Decke meines Schlafzimmers hätten jedenfalls besser in einen Traum, als in die Realität gepasst. Sie waren aber echt. Als der Wecker das zweite Mal klingelte, waren sie noch immer da und sehr real. Mein Nachbar von gegenüber, hatte die Weihnachtsdeko – eine Lichtkugel, die Straße und die Hauswand meines Schlafzimmers mit Laserlicht spickte – wieder ins Fenster gestellt. Das letzte Mal tat er das an Weihnachten. Warum gerade heute um 5:30 Uhr am ersten März? Ich weiß es nicht. Vielleicht weil jetzt der Schnee liegt, den er an Weihnachten vermisste. Die Erinnerung an Weihnachten vermischte sich mit dem Traum von Sand und Meer. Beides mag ich. Das was echt ist, der 1. März, ist mir noch egal. Dort bin ich noch nicht angekommen. Frühestens nach dem Zähneputzen, vielleicht auch erst am Abend, wenn ich weiß ob sich das ankommen lohnte.

In der U-Bahn auf dem Heimweg beklagt sich einer, dass er sich an seine Träume nicht erinnern kann und bedauert es arg. Ich habe nichts dagegen, mich an Sonne, Sand und Strand zu erinnern.  Andere Träume würde ich gerne in den Falten zwischen den  Laken zurücklassen. Vor Jahren träumte ich, dass mein damaliger Freund mich betrogen hat und wachte tieftraurig auf. Ich wusste, dass es nur ein Traum war und konnte das Entsetzen über den Vertrauensbruch trotzdem nicht abschütteln. Ich sah meinem Freund beim Aufwachen in die Augen und wendete mich ab. Sagte ihm, er hätte mich gerade im Traum betrogen und bat ihn, mich jetzt bloß nicht anzusprechen. Der geduldigste aller Männer stöhnte nur leise und versuchte die Wut und Traurigkeit mit dem Duft frisch gebrühtem Kaffees zu vertreiben. Er lies mich schmollen und meldete sich erst beim gemeinsamen Abwasch zu Wort. Ob mir klar sei, dass er sich nicht für einen von mir geträumten Vorfall rechtfertigen würde, wollte er wissen. Ich zuckte mit den Schultern und deutete an, dass eine präventive Entschuldigung durchaus hilfreich sein könnte. Sicher nicht, sagte er und noch etwas nicht ganz so freundliches. Das durfte er sagen, weil wir es beide nicht mochten, wenn ich mich albern verhielt. Ich blieb albern und erinnerte mich daran, dass schon meine Mutter davon erzählte, wie ich als Kind schlafend lachte. Ich lache und weine noch heute im Traum und wache, je nachdem, gut oder schlecht gelaunt in der Früh auf. Wenn man mich nicht von alleine aufwachen lässt, kann ich mich an nichts erinnern. Der geduldigste meiner Freund hat es ausprobiert. Er weckte mich und bat mich zu erzählen worüber ich schlafend gelacht habe. Das Lachen steckte noch in meinem Hals, aber ich wusste nicht mehr warum. Ihm sagte ich, dass ich es ihm eh nicht erzählt hätte. Nicht, bevor er sich für den Traumbetrug einige Wochen zuvor entschuldigt hätte. In dieser Nacht landete ein sehr reales Kissen in meinem Gesicht. Er hatte Glück, dass ich mich in gute Laune geträumt hatte und ihm Kissen und Betrug großmütig verzieh.

Gelacht haben wir nachts oft. Er ist der Einzige den ich wecken darf, um ihm von einem Traum zu erzählen. Ab und zu habe ich es gemacht. Dann lagen wir nachts im Dunklen nebeneinander, redeten und lachten ein bisschen und schliefen mitten im Gespräch wieder ein. Das letzte Mal an Weihnachten. Heute morgen, kurz vor sechs Uhr rief ich ihn an, um mich zu erkundigen ob sein Strand demjenigen glich, von dem ich geträumt hatte. Ich muss ihn aus dem Tiefschlaf gerissen haben, denn er legte nach einem leisen Grunzen wortlos wieder auf. Vorhin schrieb er mir eine SMS, in der er mich darauf hinwies, dass er sich im Urlaub, wenn er neben mir liegt gerne von mir wecken lies. Nicht aber, wenn er einen langen Arbeitstag vor sich hätte. Wenig später schrieb er mir eine weitere Nachricht. Er sei seit Samstag in Mailand. Einer Stadt ohne Strand, falls ich das vergessen hätte. Und dass wir das letzte Mal vor zwei Wochen telefoniert haben. Ich werde ihn später anrufen und fragen, ob er es für möglich hält, dass ich auch die grünen Lichtpunkte an meiner Schlafzimmerdecke heute morgen nur geträumt habe.

Ich bin froh, dass mir ein Blick auf den Kalender beweist, dass heute der erste März ist. Obwohl…auch das könnte ich träumen. In diesem Fall, wäre der ganze Tag ein Traum gewesen. Nicht das Schlechteste, dann hätte ich auch nicht die Kekse meiner Kollegin genascht und müsste mich morgen nicht dafür entschuldigen. Vielleicht können Sie mir in einem kurzen Kommentar wenigstes das heutige Datum bestätigen. Das wäre eine große Hilfe und ich würde die Geduld meines Freundes nicht über die Maßen strapazieren. Vielen lieben Dank im Voraus.

18 Gedanken zu “Traum echt

  1. 1. März, guck dir meinen Header an, liebe Mitzi. Der Mensch kennt zwei Realitäten, die seiner Wachwelt und die des Traums. Manchmal ragt etwas von der einen Realität in die andere und beeinflusst sie. So auch bei dir. In den letzten Jahre träume ich sehr oft, dass ich an einem Text schreibe. Dann mühe ich mich damit ab und wenn ich sicher bin, dass er gut so ist wie er ist, wache ich auf und weiß nicht mehr, worum es ging. Wenn man einen Traum unbedingt behalten will, muss man sich unmittelbar nach einer REM-Phase wecken lassen. Der Partner kann sie sehen, weil sich unter den geschlossenen Lidern die Augäpfel hin und her bewegen. (REM, engl. Rapid Eye Movement (dt. sinngemäß: schnelles Augenrollen).

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    1. 1. März – danke, Jules ;). Auch für den Hinweis der REM-Phase. Ich werde es niemanden zumuten mich beim Schlafen zu beobachten. Vielleicht ist es besser sich nicht an alles zu erinnern. Im Traum etwas geschafft zu haben und dann ohne Erinnerung aufzuwachen ist gemein. Du hättest dich wecken lassen müssen.
      Liebe Grüße

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    2. Verrückt! Ich hingegen erinnere mich manchmal nach dem Aufwachen an geträumt Texte. Leider sind die immer so schlecht, dass ich sie keinesfalls im wachen Leben verwerten kann. Dumme Sache, oder? Da wünscht man sich doch, lieber keine Erinnerung an Traumtexte zu haben.

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  2. Ich kann mich leider zumeist nur an die Träume erinnern, die mich ebenfalls mit tiefer Traurigkeit erfüllt aufwachen lassen. Die abzuschütteln dauert meist ein paar Stunden. Ganz besonders unangenehm ist es, wenn man träumt, dass man aufwacht und dann aber munter weiter träumt. Da brauche ich eine sehr lange Gassirunde mit dem Schäfertier, um so eine Nacht hinter mir zu lassen. Von Strand und Meeresluft träume ich auch gerne. Da würde ich auch einfach versuchen, weiter zu schlafen, wenn man mich ließe 😉 Schlaf gut und träum schön!

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      1. Jepp. Nächste Woche wird gerutscht! Vielleicht gibt’s ja noch ein wenig Schnee – der ist immer für einen Rutsch gut. Und sonst rutsche ich einfach das Treppengeländer runter. Dafür bin ich zwar theoretisch zu alt – im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit ist mir das aber praktisch egal. 😀

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  3. Traumhafte Geschichte! Dem schließe ich mich an!

    Die Träume sind in meinem Leben immer wichtiger geworden und stehen nun weit vor TV irgendwo zwischen Film anschauen und Bücher lesen.
    Das „schonträumen“ wenn ich noch wach bin, oder das „nochträumen“ nach dem Aufwachen gefällt mir auch sehr gut.
    So’n alter Kerl wie ich muss nachts häufiger ins Bad und nun habe ich es schon das 3. Mal erlebt, dass ich im Traum aufgewacht bin – zum Bad – wieder ins Bett – weitergeschlafen und tatsächlich den Traum, wie nach einer Werbepause, exakt an der unterbrochenen Stelle weitergeträumt habe. Schade, dass mir das nicht häufiger gelingt. Aber ich arbeite daran. 😉

    Gruß Heinrich

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  4. Träume sind schon verrückt D!as eigene Erinnerungsvermögen aber auch! Du hast die ganze Problematik wieder sehr unterhaltsam beschrieben und auch Dein geduldiger Freund hat Dich dabei wieder mehr oder weniger liebevoll unterstützt! Danke Dir dafür, dass Du meine Abende mit Deinen „privaten“, ehrlichen, lustigen, nachdenklichen,…Geschichten verschönst!
    In letzter Zeit sind Träume irgendwie ein großes Thema! Leider bin ich da völlig unbegabt. Ich weiß, dass ich träume, aber selten, was! Schon blöd! Aber es kann nicht jeder wie Samtmut sein… sie ist ja eine wahre Traumkünstlerin, die einen Blog mit verrückten Träumen füllt! Alles Liebe, Nessy

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