Randnotiz Glück

Eigentlich wollte ich letztens zum Glück etwas ganz anderes schreiben. Nämlich, dass es in meinen Augen immer nur flüchtig und vergänglich sein kann und darf. Sonst würde es sich abnutzen.

Außerdem zeigt sich das Glück ganz oft da wo man es nicht erwartet. Z.B.

  • in dem Moment, in dem man die Zahnarztpraxis verlässt
  • in einer erstaunlich sauberen Bahnhofstoilette, nachdem man im U-Bahn Tunnel 45 feststeckte und zuvor einen halben Liter Tee getrunken hat
  • wenn das E-Mail Postfach 65 unglesene Mails anzeigt, man sich zwei Tage lang gar nicht traut es zu öffen und dann feststellt, dass 63 davon Spam sind.

Alles für Sie im März getestet. 3 x große Glücksgefühle. Und die blühenden Bäume und Büsche kommen noch oben drauf.

Es muss also nicht immer ein Lottogewinn sein. Trinken Sie einfach ganz schnell, ganz viel Brenneseltee und fahren Sie dann U-Bahn oder Bus. Viel Glück!

Randnotiz

Der Nachbarsjunge ist in der ersten Klasse und für meinem Geschmack lernen die viel zu schnell lesen. Seit er alles, aber auch wirklich alles in meiner Wohnung entziffern kann, komme ich zunehmend in Erklärungsnot. Ginge es nach mir, sollten die mit Bruchrechnen beginnen. Das zu erklären ist leichter als die Geschichte hinter dieser Postkarte.

Randnotiz #DepptrotzAbi

Unter Studium wird primär das wissenschaftliche Lernen und Forschen an Universitäten und anderen Hochschulen sowie diesen gleichgestellten Akademien verstanden – sagt Wikipedia.

Ich möchte gar nicht widersprechen und habe sowohl das eine als auch das andere in der Vergangenheit betrieben. Leider kann ich trotz Abitur und Hochschulabschluss anscheinend nicht bis 10 zählen.

Heute kam der Strafzettel aus Österreich – die 10-Tages Vignette war abgelaufen. Und das obwohl ich sogar noch mit einem Kalender nachgerechnet habe (blöderweise habe ich dabei den 31. August übersehen). Meinen Nichten und Neffen sage ich nächstes Mal, das ein Studium klasse ist, sie sich aber bitte erst Dreisatz, kleines Einmaleins und zählen bis in den mittleren zweistelligen Bereich aneignen sollen. Ihre Tante ist der Beweis, dass das nicht selbstverständlich ist.

P.S. Und teuer ist das!!!

Randnotiz #3

Er hätte mir keine Blumen mitgebracht, sagt er und erkundigt sich provokant ob das in Ordnung sei. Schließlich geht es den Frauen ja um Gleichberechtigung und ich hätte ihm in all den Jahren schließlich auch nie einen Strauß überreicht. Selbstverständlich sei das in Ordnung. Ich sage ihm, dass ich gerne auf Blumen am 08. März verzichte, wenn ich dafür das gleiche Gehalt wie er bekommen würde. Mein Gott, er verdreht die Augen. Warum ich denn bei jeder Bemerkung gleich so ein Fass aufmachen würde und ob ich keinen Spaß verstehen würde.

Nein, ich verstehe keinen Spaß, seit wir vor Jahren den identischen Job hatten und ich ein Viertel weniger als er verdiente. Heute lache ich darüber noch weniger. Es ist 2018. Als Entschädigung hätte ich Blumen verdient. Nicht für das Gehalt, sondern für den blöden Spruch. Wenigstens das. 

 

 

Randnotiz – Geschlachteter Nikolaus

08:00 Uhr
Wie schön es doch ist, wenn man morgens im Büro einen Nikolaus vorfindet. Diesmal schlachte ich ihn nicht. Ich muss an meinem Ruf arbeiten. Ganz liebevoll werde ich ihn durch den Advent auf meinem Schreibtisch stehen haben. Er wird mich ermahnen, es ruhig und gelassen angehen zu lassen. Einen Kerl, der so lieb lächelt, schlachtet man nicht einfach.

08:10 Uhr
Ich hätte etwas frühstücken sollen. Mein Magen knurrt und ich rieche die Schokolade durch das Papier. Wenn ich ihn vorsichtig am Rücken öffne, dann kann ich ihm eine kleine Rippe entnehmen. Ganz vorsichtig. Und dann wieder einpacken, damit er den ganzen Advent neben dem Bildschirm steht und lächelt.

08:25 Uhr
Ich habe ihm den Kopf abgerissen. Den ganzen Rumpf abgetrennt. Bin ja kein Chirurg und weiß nicht wo Nikoläuse die Rippen haben, die man entfernen kann. Es war ein Versehen und weil mir das sonst keiner glaubt, fotografiere ich den sterbenden Nikolaus. Zu lange lasse ich ihn aber nicht leiden. Das hat er nicht verdient. Er lächelte so lieb.

09:00 Uhr
Welcher Depp schenkt mir einen Nikolaus? Es muss einer sein, der mich nicht mag. Einer der weiß, dass ich jetzt über ein schlechtes Gewissen habe, weil alle meine Kollegen die ihren jetzt bis Weihnachten auf dem Tisch stehen haben und ich, die kleine Blonde aus dem hintersten Zimmer, erbarmungslos zugeschlagen hat. Wüsste ich es nicht besser, würde ich vermuten er kommt aus Norddeutschland. Irgendwo bei Hamburg.

Randnotiz #3

„Entspannen!“, befiehlt Gihan und präzisiert seine Abweisung, indem er sich über mich beugt und mit der Hand vor meinem Gesicht herumfuchtelt, bis ich brav die Augen schließe.

„Wasser ok?“, fragt er und ich schüttle den Kopf. Es ist zu heiß, sage ich und meine Abwehrkräfte werden mit kaltem Wasser gestärkt. Ich schreie auf. Er soll sich zusammen reißen, herrscht ihn seine Kollegin, am Waschbecken neben uns, an und Gihan jault beleidigt auf. Er schimpft. Das missfällt der Kollegin. Bei mir dürfe er, sagt er und ich schüttle mir Wassertropfen von der Nasenspitze.

Bei mir darf Gihan wirklich fast alles. Wahrscheinlich weil ich immer den letzten Termin habe und wir uns, während die Farbe in meinem Haar einwirkt, immer eine Portion Falaffel im Hinterzimmer teilen.

Als Nachspeise gibt es eine Kopfmassage, die ich nicht bezahlen muss. Gihan ist eine Diva, aber das kann er und macht er mit Hingabe. Ich verliebe mich dann kurz in ihn. Ich entliebe mich, wenn er mir die Kopfhaut ein zweites Mal verbrüht und mir meine letzte Milchschnitte abschwatzt.

Ich hasse Frisörbesuche. Aber Gihan mag ich.

Randnotiz #3

Ich war gerade volljährig geworden und arbeitete in einer Bank. An diesem letzten Oktobertag fielen bereits die ersten Schneeflocken. Kalter Wind und rutschiges Laub waren nichts für den wackligen, über achtzigjährigen Kunden, den ich gerade bediente.

Ob er wirklich unbedingt morgen, an Allerheiligen, auf das Grab seiner Frau müsse, fragte ich ihn und deutete auf den Stock, der nur notdürftig für einen sicheren Schritt sorgte. Er lächelte und nickte. Freilich, sagte er. Stell dir vor, sie (seine Frau) sitzt da oben, wartet und keiner kommt.

Ich habe den Satz nie vergessen. Allerheiligen (und immer wenn mir dieser Satz durch den Kopf schießt) muss ich an das Grab meiner Großeltern, meiner Urgroßeltern und meiner Großtante Mitzi. Ich weiß nicht ob ich daran glaube, aber…stell dir vor, sie sitzen da oben, warten und keiner kommt. Ich muss hin. Ich will hin. Ich bin gerne dort.

Randnotiz – kurzer Sturm, dann Stille

Bei Christophrox, Sie wissen schon…den,  dessen Seite und den ich mag…schrieb ich unter seinen Artikel „Blame it on the Weatherman“ dass es ja fast schon schick sei, dieser Tage ein Selfie mit trauriger Schnute und dem Hashtag #metoo in die sozialen Medien zu werfen.

Es ist eine Frechheit so etwas zu schreiben. Das weiß ich. Ich weiß es, weil ich eine Frau bin. Und weil ich eine Frau bin, weiß ich auch, dass fast jede von uns diesen Hashtag posten könnte.  Oft wegen Banalitäten, die einen so banal sie sein mögen trotzdem wütend und nach Luft schnappend zurück lassen. Manchmal wegen Unverschämtheiten, die keine Lappalien sondern anmaßende Grenzüberschreitungen oder gedankenlose Dummheit sind. Und seltener aber viel zu oft wegen dem Unaussprechbaren, das manche von uns für den Rest ihres Lebens mit sich rumschleppen. Ein Hashtag reicht nicht.

Ich schrieb ihm unter seinen Artikel weiter, dass eine jede brüllen sollte. Treten und um sich schlagen. Nicht in einer kurzen Hashtag-Welle sondern immer dann, wenn es vorkommt. Dann würde der kurze Sturm zu einem eisigen Wind werden, der manchem Arschloch unangenehm ins Gesicht bläst. 

Manche können es nicht. Aber all die, die fassungslos vor Wut nach Luft schnappen, die können brüllen und aufschreien. Der Hashtag ist gut. Aber er reicht nicht. Nicht wenn nach dem Sturm wieder die Stille kommt. Brüllen Sie meine Damen (und Herren), brüllen Sie im echten Leben gegen diese Übergriffe an. Laut genug, damit es auch für jene reicht, denen die Stimme versagt.

 

Randnotiz Restauranttoiletten

Am Rande, ärgern Sie sich auch über die Toiletten in Restaurants? 

Manche gleichen Wohnzimmern. Sie sind fast schon gemütlich und so schlecht beleuchtet, dass es unmöglich ist, sich die Petersilie zwischen den Schneidezähnen rauszupfriemeln. 

Schlimmer sind aber die, die gut beleuchtet sind. Eben noch saß man bei Kerzenlicht vor einem Rotweinglas und lächelte sein Gegenüber verführerisch an. Weil man wollte und vor allem weil man es konnte. Man war verführerisch. Hat es genau im Spiegelbild der Weinflasche gesehen. Rosige Wangen, lange seidige Wimpern und ein feiner Glanz in den strahlenden Augen. Auch im Löffel des Gegenübers sah man sich glänzen. 

Wie eine Speckschwarte glänzt man, bemerkt man Stunden später auf der Toilette unter grellem Neonlicht. Oktoberblasse Haut und rosig sind nicht die Wangen sondern die Zähne. Vom Rotwein. 

Restaurants mit Kerzen am Tisch, haben auf der Toilette doch bitte ein eben solches Licht bereit zu stellen. Stumpenkerzen zum Beispiel. Gerade so viele, dass man die Petersilie noch entdeckt, sich den Rest aber schön reden kann.  

Gestern grüßt Sie Mitzi, auf einer Restauranttoilette tippend. 

Ich gehe nicht zurück. Wenn ich schon mitgenommen aussehe, wie mag dann er erst bei Tageslicht aussehen.