Der Sommer ist vorbei, sagen sie und blicken wehmütig aufs Meer. Schön war er, der Sommer, und heiß. Aber jetzt ist er vorbei, bekräftigen sie. Man würde es bereits spüren und den Herbst bereits in den Wolken erahnen. Für einen kurzen Moment nicke ich, bevor ich heimlich den Kopf schüttle. Nein, für mich ist der Sommer noch nicht vorbei – zwischen meinen Zehen kitzelt der Sand, das Meer ist herrlich warm und die Abendsonne ist stark genug, um mein Strandtuch in kurzer Zeit zu trocknen. Trotzdem stoße ich mit Freuden am Abend auf den zur Neige gehenden Sommer an. Schön war und ist er. Besonders schön, weil ich ein Teil von ihm sein durfte. Ein kleiner Teil des ligurischen Sommers, der spätestens in diesem Jahr zu meinem wurde. „Ciao Mitzi“ sind nur zwei Worte, aber wenn sie täglich mehrmals von verschiedenen Menschen gerufen werden, dann sind es Worte die bewusst machen, dass man an einem Ort nicht mehr länger fremd ist, weil man regelmäßig kommt und geht und trotz des Urlaubs ein bisschen in das italienische Leben von früher eintaucht. Der Sommer ist vorbei sagen meine Freunde und ich verdränge den Gedanken, dass dies auf München vermutlich wirklich zutrifft, indem ich noch einmal ins Meer springe und das Gesicht in die warmen Sonnenstrahlen halte um möglichst viel davon mit in den Herbst und den Winter zu nehmen.
Ich mag sie, sage ich dem mutigsten meiner Freunde und merke wie sehr es stimmt, wenn es an der Tür klingelt und einer vor ihnen davor steht. Mittlerweile kenne ich gefühlt das halbe Haus und jeder einzelne von ihnen ist etwas besonderes. Für die Selbstverständlichkeit mit der sie alle mich auf- und unter ihre Fittiche genommen haben, bin ich dankbar. Das erste Mal wohnte ich mit einer Freundin in einem Ferienhaus in den Hügeln nahe des Ortes, später in einem Appartement auf der anderen Straßenseite. Mittlerweile im gleichen Haus, was überaus praktisch ist, da ich mich noch immer noch nicht an den Kamillentee mit Rum weit nach Mitternacht gewöhnt habe und heilfroh bin, danach nur drei Türen weiter und keine Treppen laufen zu müssen. Wahrscheinlich haben sie sich mittlerweile auch an mich gewöhnt. Die Blonde aus München, die Liegen verachtet und ihr Strandtuch lieber direkt auf die heißen Steine legt. Die, die noch immer manchmal etwas vehement verneint und erst Minuten später die Frage versteht und dann umständlich erklärt, dass das komische frittierte Zeug eigentlich doch recht gut geschmeckt hat und sie dachte man hätte sich nicht nach dem Geschmack erkundigt, sondern danach ob sie es kennt. Ich versteh was sie sagen, das ist kein Problem, aber manchmal glauben sie es mir nicht und einer springt auf, um mir – um mich nicht auszuschließen – urplötzlich Bilder vom letzten Urlaub zu zeigen. Dann lächele ich nur, sehe sie mir an und verrate nicht, dass ich eigentlich lieber weiter dem Gespräch gefolgt wäre und nur nichts sagte, weil es für meinen Geschmack völlig reicht, wenn bereits sechs Erwachsene wild durcheinander reden und gestikulieren – egal ob auf deutsch oder italienisch. Letzten Sonntag waren sie alle gleichzeig auf dem Balkon bei mir gestanden, gesessen und gelehnt und während ich die zweite Kanne Kaffee aufsetzte sprangen urplötzlich alle gleichzeitig auf und teilten mir mit, dass um elf eine Messe im Nachbarort ist. Anhand dieser recht knappen Information erwartete man von mir zu erahnen, dass mir bewusst war, dass die sechs sich bereits vorher intensiv darüber unterhalten hatten ob man dorthin gehen würde, ob man zu Fuß oder mit dem Auto fährt und dass man sich recht schnell auf den Weg machen müsse. Dann steht die Deutsche in der Küche, wird von sechs Augenpaaren angestarrt und hört nur „Eh?!?!“ Eh, was? Gerade wollten sie noch einen Kaffee und jetzt werde ich von mehreren Armen Richtung Tür geschoben. In Momenten wie diesen stemme ich die Fersen in den Boden. Denn auch wenn ich bei dem vorangegangen Gespräch nicht anwesend war, erahne ich, dass die Kombination meines leicht durchsichtigen Strandkleides und eines möglichen Kirchgangs nicht die beste ist. Drei Minuten später sitze ich umgezogen in einem Auto und teile dem mutigsten meiner Freunde mit, dass sie alle gepflegt an der Klatsche haben. Ich bin mir sicher, dass sie das auch von mir denken. Spätestens seit ich beim Anblick eines völlig unverfänglichen Foto minutenlang in lautes Lachen ausgebrochen bin und bis heute nicht wirklich erklären kann warum. Im Oktober soll ich eine Kühltasche mitbringen sagen sie und ich habe ein bisschen Sorge was sie mir alles mitbringen werden. Freuen wird es mich, das weiß ich und ich überlege selbst schon, was ich ihnen mitbringen kann. Sie sind großartig – alle. Am großartigsten aber einer. Der, den ich schon jetzt vermisse und der sich ein Bein ausgerissen hat, damit ich direkt neben ihm wohnen konnte. Ein Danke reicht längst nicht aus, ich muss mich darauf verlassen, dass er weiß wie glücklich mich die letzten Tage bei ihm machten.
Der Sommer ist vorbei, ich spüre es, als der Zug in München einfährt und ich meine offenen Schuhe verfluche. Ich bin in München angekommen und auch die anderen sind zurück in die Orte gefahren in denen sie leben und arbeiten. Das Meer muss an diesem Dienstag, dem letzten Tag im August ohne uns auskommen und im ersten Stock des Hauses am Meer ist nun für einige Tage ruhiger. Im Oktober sehe ich sie alle wieder. Dann ist der Sommer vorbei, aber das macht nichts. Der ligurische Herbst ist auch schön und sie werden mich für verrückt halten, wenn ich dann noch im Meer baden werde.
Der Sommer scheint bei uns schon lange vorbei, was mir nebenbei gesagt als Hitzemuffel sehr entegegnkommt 🙂
Aber ich kann Deine Wehmut verstehen. Dafür freuen sich viele mit mir, dass Du wieder da bist 🙂
Und dass Deine Freunde in Italien tatsächich an einem Sonntag noch bereit sind, frischen Kaffee und Deine Terasse einfach stehen zu lassen, um in eine Messe zu gehen… ich glaube, ich muss meine Vorurteile ordentlich revidieren 🙂
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Ich freue mich auch, wieder daheim zu sein. So sehr ich Italien mag – meine Heimat mag ich ebenso gerne. 🙂 Wir gehen alle nicht mehr regelmäßig, aber ab und zu ist es schön, denn Sonntag damit zu beginnen. Auch wenn etwa die Hälfte unserer Gruppe extra zu Fuß ging und so mit einem breiten Grinsen deutlich zu spät die Kirche betrat. Ich vermute ihnen kam auf dem Weg noch eine Kaffee dazwischen 😉
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Momentan ist der Sommer noch in Hochform, aber die Strände sind nicht mehr so voll, und auf der Strandstraße kann man wenden, anstatt im Stau festzzuhängen. Sonst alles wie gehabt. Herzliche Grüße vom Meer.
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Das hörte ich in Italien auch oft….endlich wird es an den Stränden und auf den Straßen etwas ruhiger. Auch mir hat es gefallen, dass die kleinen Läden leerer waren und ich so Gelegenheit zu einem längeren Plausch mit den Inhabern hatte.
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❤ "Somer ist was in deinem Kopf passiert" singen die wise guys. und irgendwie stimmt das…
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Ja, das stimmt. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich feststelle, dass ich auch im Winter manchmal das Sommergefühl aufrufen kann 🙂
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oh ja – und umgekehrt! und bei sommer fehlt natürlich ein M
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Der Sommer? Vorbei?
Na, hier war er doch gar nicht… (doch, aber er hielt sich gut versteckt).
Nein, der Sommer ist nicht vorbei. Er ist nur weitergezogen, in seine Heimat, dort, wo man ihn als Plage kennt, dort, wo ganzjährig die Hitze flirrt und man froh ist, wenn ein Regenschauer sie unterbricht. Er zieht immer wieder mal um. Genauso wie der Winter, seine Heimat ist halt in der anderen Richtung!
Und das läßt uns hoffen: er kommt wieder. Immer wieder mal vorbei.
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Ein sehr schönes Bild! Und wie schön..ja…er wird wohl immer wieder kommen 🙂
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Wie wunder- wunderschön, dass du nicht nur immer ein Urlaubsziel hast – nein, es ist auch eines, wo du mit offenen Armen aufgenommen wirst und wo du dich wie zu Hause fühlst. – Sehr schön für dich!
Gruß von mir
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Das ist es wirklich. Und ich weiß was für ein großes Glück es ist. Liebe Grüße zu dir
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