Ich bin raus!

Dass Sie sich bei Fragen rund um den Schnee, seine Tücken, seine Schönheit und seine Eigenarten betreffend, vertrauensvoll an mich wenden können, wissen sowohl Sie, als treue Leser, als auch meine Bekannten, Freunde und Kollegen. Ich kenn mich aus. Ich kann Ihnen sagen ob Sie mit den Scheiten aus dem zugeschneiten Holzhaufen ein Feuer im Ofen im Gang bringen. Mir reicht ein Blick und ich weiß, ob das was wird oder nicht. Ich war so oft auf unserer eingeschneiten Hütte, dass ich sehr gut beurteilen kann ob ein Stück Holz direkt vor der Tür abgeklopft werden kann oder ob ich mich zwanzig Meter bis zum Schuppen durch Oberschenkelhohen Schnee wühlen muss, um welches zu holen. Wenn Sie 34 Mal gescheitert sind, dann bekommen Sie einen Blick dafür ob etwas angeschneit oder klatschnass ist. Ich kann Ihnen auch mit einem Blick aus dem Fenster sagen ob ein Spaziergang im verschneiten Wald schön ist oder ob das aufgrund des schweren Schnees eine saublöde Idee ist. Wenn Sie wie ich Ihrem Vater jahrelang nicht geglaubt haben und dann mal fast von einem den Schneemassen nicht standhaltenden Ast erschlagen wurden, dann schauen Sie da genauer und – wie mein Vater sagen würde – mit Hirn. Und, um meinem Lehrauftrag gerecht zu werden – nein, einem fallenden Ast können Sie nicht ausweichen. Besonders nicht in den Bergen. Da springen Sie beim Wegspringen, nämlich womöglich vom Weg und gleicht direkt ins Tal. Sie können mich auch fragen ob es ein schöner Skitag wird oder ob das ganze eine elende und eisige Plackerei wird. Ich hab mich so oft auf Eisplatten lang gelegt, bin mehr als einmal im Schneetreiben von der Piste abgekommen und hab schweren, nassen Schnee lange Jahre beim frühmorgendlichen Betrachten der Bilder einer Webcam für Pulverschnee gehalten. Mittlerweile rieche ich es. Ich rieche gute Schneetage und schmecke die schlechten. 

Ganz klar, dass man mich in Zeiten wie diesen in der Firma konsultieren sollte, wenn es um Fragen des korrekten Fahrtweges geht, der Witterungsbedingt  mit Bedacht gewählt werden sollte. Ich hätte es ihm gleich sagen können, meinem Kollegen, dass es keine gute Idee ist heute mit dem Radel ins Büro zu fahren. Unsere Firma ist außerhalb von München und Radl und Schnee…ich mein, das liegt doch auf der Hand. Selbst für weniger versierte Schneeexperten als mich. Er hat nicht auf mich gehört. Mag sein, weil ich auch bei Temperaturen von über 25 Grad und Regen davon abrate, aber heute hätte er mir besser vertraut. Nur weil der Schneehaufen, in den er gefallen ist, gut einen Meter hoch war, hat er sich nicht ernsthaft verletzt. Künftig wird er auf mich hören, das hat er versprochen. Vorsichtshalber habe ich ihm auch gleich noch meine Telefonnummer gegeben, damit er mich anrufen kann, wenn er mal eingeschneit auf einer Berghütte ist. Sie wissen ja, da kenne ich mich aus. 

Bei der S-Bahn bin ich allerdings draußen. Da brauchen Sie mich gar nichts mehr fragen und ich will auch gar nichts zu diesem Thema hören. Die dürfte nämlich überhaupt nicht fahren. Und wenn, dann nicht störungsfrei. Nicht die S7. An deren Endhaltestelle haben die Kinder die gesamte Woche Schulfrei und mehr als eine Straße ist gesperrt. Es kann also gar nicht sein, dass die S-Bahn fährt. Nicht die, die schließlich eingleisig den ganzen Bergwald (ein Wald an einem Berghang, wie der Name sagt) rauf und runter muss. Bei jedem Sommergewitter haut es da einen Ast rein und für mehrere Stunden geht nichts. Bei den ersten Herbstblättern kann die blöde S-Bahn nicht mehr gescheit bremsen und fährt oft gar nicht mehr oder nur im Schritttempo durch den Wald. Aber jetzt, jetzt wo sogar die Schulen gesperrt sind, fährt dieses Scheißteil störungsfrei den ganzen Tag? Heute, wo ich mich noch im Bett liegend schon um 6 Uhr für das 9 Uhr Meeting entschuldigt habe, weil eine pünktliche Ankunft völlig ausgeschlossen ist, fährt sie einfach durch? Ich hab es mir sagen lassen. Von den Dreien die pünktlich kamen, eine Stunde auf mich warteten und mich dann anriefen um zu erfahren ob ich überhaupt losgefahren bin.

Bin ich nicht. Weil ich mich mit Schnee auskenne. Und mit der S7. Und weil ich es für völlig ausgeschlossen hielt, dass die S7 heute überhaupt fährt. Ich kam um halb elf im Büro an. Ich bin nämlich zu Fuß gegangen und war mich sicher, dass man mich für mein Engagement loben würde. 

Ich muss die Zeit reinarbeiten. Angeblich fuhr die S-Bahn ganz problemlos. Schauen Sie selbst….NIEMALS! Die sind alle heimlich Taxi gefahren. 

35 Gedanken zu “Ich bin raus!

  1. Übrigens ist es auch nicht die beste Idee, im Schnee mit dem Motorroller von Moosburg nach Zolling in die Arbeit zu fahren. Das wird nämlich auch nix! Vor allem, wenn die Schneeräumer sich erst nochmal aufs Ohr gelegt haben… 😀

    Liebe Grüße, Werner

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      1. Doch, genau das war es! Ich Depp! Nach ca. 3 Stunden war ich am Ziel. Dort angekommen, wurde mir freundlich gesagt, bei den Wetterverhältnissen hätte ich doch anrufen und zu Hause bleiben können.
        Jetzt weiß ich, wie man sich fühlt, wenn man kurz davor ist, jemandem den Hals umzudrehen…

        Liebe Grüße, Werner 🙂

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  2. Mitzi, ich bringe jetzt einen Vergleich, der üüüüüüüüüüüüberhaupt nicht passt, aber zu Schnee bin ich nicht sehr aussagefähig.
    Beim Doppelkopf mit 4 Spielern gibt es von den beiden schwarzen Farben Piek und Kreuz jeweils 6 Karten, weil wir ohne die 9 spielen.
    Wenn ich also 3 von einer Farbe auf der Hand habe, ist kaum damit zu rechnen, dass der Stich durchgeht, weil dann jede andere eine Karte von der Farbe haben müsste.
    Habe ich aber ein blankes As, sind noch 5 Karten bei den anderen drei Mitspielern – also die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ich mein Ass durch kriege.
    Die Realität ist aber, dass das blanke Ass öfter abgestochen wird als das Ass, wo ich noch zwei andere Karten habe.
    Wahrscheinlichkeitsrechnung ist also absolut nicht angebracht.
    Beste schneefreie Grüße von Clara

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    1. Ich wünschte, ich hätte den Hauch einer Ahnung von Doppelkopf. Dann würde ich dir folgen können. 😂😂🙈
      Bei Wahrscheinlichkeitsrechnung bin ich wieder bei dir. Sinnlos.

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  3. 😂😂😂
    Aus Münchens Mitte kann ich mit Dir so sehr mitfühlen!!!
    Und, Fräulein Mitzi, die Smilla solltest Du wirklich lesen. Das hilft, falls Dir mal danach ist bei so einem Wetter jemanden…
    Naja. Lies lieber selbst. 😜

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    1. Ich hab es fest vor und jetzt bin ich noch neugieriger.
      Unglaublich oder? Heute war es ja noch schöner als gestern. Ok, nicht am Ring, aber sonst sind die Bäume und Büsche herrlich.

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  4. Gut dass Sie allen, die beim Radeln dem leicht prickelnden Nieselregen abwechselnd die linke und rechte Wange entgegen halten, die Vor- aber auch Nachteile heftigen Schneefalls schildern. Wofür ist das weltweite Netz denn sonst da. Ich warte ja immer auf Südwind, dass sich mal ein Flöckchen hierher verirrte…

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  5. Die S-Bahn ist, wenn die Schulen geschlossen haben und die Kinder zu Hause bleiben, um einiges leichter als sonst. Deshalb rauscht sie wie ein Glöckerl durch den verschneiten Bergwald, weil die übergewichtigen Kinderlein nicht an Bord, sondern schnarchend im Bett. Wäre meine Theorie, also … möglicherweise … 😉

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  6. Ach Mitzi! Eine schöne Geschichte, die mich nach einem harten Tag supi entspannt hat! Danke dafür! Wie schön wäre es, wenn ich Deinen Rat einmal bräuchte … Aber hier im Saarland gibt´s soetwas wie Schnee nicht. Da holen die Kinder schon die Schlittern heraus, wenn der Regen anfängt, ein paar kleine Eiskristalle einzuschließen … Und wenn anderswo die Menschen in Schneebergen versinken, dann haben wir maximal eine dünne Puderzuckerschicht auf den Wiesen …. Was auch Vorteile hat, denn auch hier fährt die S-Bahn meist problemlos … Wenn nicht gerade Hochwasser ist!
    Alles Liebe, Nessy

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    1. Wenn du im Schnee strandest, liebe Nessy, dann melde dich. Ich helfe gerne weiter. Du hast eh noch einen gut (mehr als einen) für die so liebe ausführliche Mail, als ich vor längerem in die Klinik musste. :-*

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  7. Es regnet seit Tagen. Ab und zu eine ganz kleine Pause, damit man denkt, jetzt, jetzt kann ich raus – und dann fängt es gleich doppelt so stark wieder an. Und im Vergleich zum Schnee sieht das nicht mal gut aus. Okay, zugegeben, es bisher nicht gefährlich und noch fällt kein Bus und keine Bahn aus. Aber noch ein paar Tage, dann haben wir bestimmt wieder Hochwasser.

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  8. Stadtkinder wie wir alle sind, sind meine Freunde und ich das Wochenende in den Bergen ordentlich auf die Nase gefallen. Wir sind wandern gegangen und ich weiß nicht wann diese Strecke eine Stunde dauern soll, aber wir waren mit dreien schon gut dabei. Am Ende musste uns jemand mit dem Auto abholen, weil wir so durch waren. So viel zum Thema schwerer und vor allem tiefer Schnee. Da kam der warme Kamin dann gerade richtig, wobei viel Kaminanzünder auch nur bedingt viel hilft

    Ihr habt eine S-Bahn, die durch den Wald fährt und die Berge hoch? Ich bin dezent neidisch….

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