Oh wie schön ist Panama. U-Bahn Gedanken

Was hat Panama auf der Titelseite der Bild zu suchen? Mein Panama! Ich bin entrüstet. Mein Panama hat nichts auf diesem elenden Schundblatt zu suchen. Unser Panama, höre ich dich flüstern. Ich nicke und rutsche tiefer in die Polster der U-Bahn Sitze. Panama und die Bild. Ein grausames Bild. Panama Papers – auf englisch wird die blöde Picture auch nicht besser. Ich mache mich breit, raube dem Bildleser Platz, indem ich meine Tasche zwischen ihn und mich wuchte. Der hat auch keine Ahnung von Panama, der blöde Panama Papers Bild Leser. Er sieht mich missmutig an und ich funkle angriffslustig zurück. Ein Wort und ich erzähl ihm etwas von Panama. Ihm und allen anderen, die da sitzen und keine Kopfschmerzen haben, weil sie nicht drei Gläser pappsüßen Prosecco direkt nach dem Mittagessen getrunken haben. Panama, Promille, Parkplatz…plöder Pildleser.

Ich muss die Augen nicht schließen, um dein Schmunzeln vor Augen zu haben. Im Proseccodunst umspielt es auch meine Lippen. Ob ich will oder nicht. Wenn ich Panama lese oder höre, muss ich lächeln und an dich denken. Angriffslustig funkeln und missmutig Taschen durch die Gegend wuchten, kann ich nebenbei. Du bist mir tausend Dinge. Eines davon ist Panama. Wir fuhren im Hochsommer nach Panama. Ganz zufällig, als wir nach einer langen Nacht mit Freunden nur noch nach Hause und ins Bett wollten, sind wir dort gestrandet. Dein Auto mochte ich nicht, weil ich fremde Autos, die noch keinen Kratzer und keine Delle haben nur ungern fahre. Selbst als du mir sagtest, dass dir der schnelle Weg ins Bett durchaus einen Kratzer wert sei, stieg ich unsicher ein. Komm, fahr gegen den Randstein, hast du mich lachend aufgefordert, dann haben wir es hinter uns. Du warst betrunkener als ich dich kannte und es gefiel mir. In manchen Nächten schadet es nicht, betrunken zu sein und deine Trunkenheit war angenehm ansteckend. Der Stadtteil war mir so fremd wie das Auto und deine Hinweise „rechts“ kamen mit Verspätung wenn ich bereits links abbog. Trunkenes Lachen und ein Schulterzucken neben mir. Ich fuhr nach meinem Gefühl, von dem ich wusste, dass es mich nachts um drei kaum auf dem schnellsten Weg nach Hause bringen würde. Begleitet von deinem Lachen, gepaart mit Schluckauf. Ich höre es noch immer, sehe noch immer diesen blöden Stadtteil in dem es nur Einbahnstraßen gab und rieche die Mischung aus Frühling und Ledersitzen. Ich höre uns auch heute noch, obwohl ich in einer dummen U-Bahn sitze.

„Rechts!“
„Warum?“
„Wie warum? Wir müssen rechts…..Mitz, rechts!“
„Sags doch früher.“
„Hab ich. Jetzt rechts…rechts, nicht links!“
„Deut halt in die Richtung, dann seh ich es.“
„Deuten?“
„Und jetzt?“
„Egal.“
„Haben wir aufgegeben?“
„Wir haben kapituliert. Ich angesichts deiner Orientierung und du schon beim einsteigen.“
„Ok, betrunkene Kapitulation.“
„Du auch?“
„Ja, von dir!“
„Nimm noch einen Schluck.“
„Und dann?“
„Dann fahren wir nach Panama. Weil Panama, sagt der kleine Bär, ist unser Traumland.“

Wir fuhren nicht nach direkt nach Panama. Wir fuhren zur nächsten Tankstelle und kauften uns ein Eis, zwei Bier und eine Tafel Schokolade. Dem verschlafenen Typen hinter dem Tresen erklärtest du, dass eine Flasche Bier reichen würden um den Zwerg von Freundin auf das gleiche Level wie dich selbst zu bringen. Der Tankwart lachte nicht. Auch nicht als du dich mehrfach nach dem kürzesten Weg nach Panama erkundigt hast. Ich lachte. Nicht nur wegen dem Bier, das schnell warm wurde und mir zu Kopf stieg. Ich lachte weil wir sehr viel später mitten in der Nacht auf dem Parkplatz am Kolumbusplatz saßen und du meintest, dass wir Panama in dieser Nacht nicht mehr näher kommen würden. Du erzähltest vom kleinen Bären und ich sagte dir, dass mich ein anderer früher einmal so nannte. Ob das nicht schrecklich albern ist, wollte ich wissen. Du hast den Kopf geschüttelt, einen Moment nachgedacht und mich dann gefragt, ob ich ihn großer Bär nannte. Als ich nickte, sagtest du, dass das tatsächlich schrecklich albern aber wenigstens konsequent ist. Du wolltest wissen, ob ich ihm auch nach Panama gegangen bin. Wieder nickte ich und du meintest Panama sei ein großes Land. Da könne man ruhig öfter vorbei schauen. Panama schmeckt nach Bier und fühlt sich an wie küssen mit Schluckauf.

Ich steige aus der U-Bahn aus und niemand muss mir sagen, dass ich die Treppen nach oben und dann nach rechts muss. Panama liegt nur 500 Meter von der Haltestelle entfernt. Am Briefkasten steht etwas anderes und andere Briefkästen stehen in Panama. Aber solange in meinem Kühlschrank eine Tafel Schokolade liegt, ist Panama bei mir. Dem Bildleser verrate ich es nicht. Der hat keine Ahnung von meinem Panama.

27 Gedanken zu “Oh wie schön ist Panama. U-Bahn Gedanken

  1. Zwei ‚ewige‘ Wahrheiten elegant verknüpft. 1. Von Schmetterlingen im Bauch bleibt immer etwas bunter Flügelstaub zurück. 2. Egal wie viele Steine man umdreht – Ungeziefer findet immer ein Schlupfloch. Dass die beiden Wahrheiten unterschiedlich viel Raum einnehmen, macht deine Erzählung besonders ’sümbattisch‘. 🙂

    [Was ich mir noch gewünscht hätte, wär’ ein Making-of Video des Titelbildes]

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  2. Was für ein zauberhafter Text, liebe Mitzi. Ich glaube, dass in diesen Tagen viele an Janoschs „Oh, wie schön ist Panama“ gedacht haben. Du gehst noch einen Schritt weiter und entführst in Erinnerungen an ein heiter- verrückte Nacht mit einem ungenannten Mann. Wie Bär und Tiger fuhrt ihr nicht nach Panama, sondern fandet eurer Traumland in der unmittelbaren Nähe, und schwups sind wir wieder in der U-Bahn, und ich dachte noch, das ist typisch Mitzi, ihr Missfallen der Geschichte um die Panama Papers so zu verpacken. Wenn die PP aber auch so schmantig über einen blöden Bildleser daherkommen. Ich habe mich gefragt, ob das die angemessene Reaktion auf das unerquickliche Thema ist. Du willst dich erkennbar nicht politisch äußern und modelst das Thema zum privaten Thema um. Dass aber auch das Private politisch ist, war die Parole der Frauenbewegung der 1970er Jahre. Andererseits ist ja die Nachricht darüber, dass die Geldelite ihr Geld vor der Steuer versteckt, ja nicht neu und keine wirkliche Nachricht, nach der wir uns richten können. Wenn unsere politische Elite erkennbar unwillig ist, das Thema Steuerflucht wirksam zu bekämpfen, ist es gewiss besser, sich nicht aufzuregen, denn dann schaden die Steuerflüchtigen auch noch unserer Gesundheit. Ich sehe das ein bisschen anders, kann aber deine Haltung gut verstehen.
    Liebe Grüße

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    1. Panama ist in vielen Köpfen untrennbar mit Janosch und seinem wunderschönen Buch verbunden. Politische Themen in eine launige Geschichte einzubinden ist nur bedingt eine gute Idee und wäre Panama kein so schönes Stichwort gewesen, hätte ich die Finger davon gelassen.
      Dabei brennt mir oft etwas unter den Nägeln. Ich weiß aber über mein Unvermögen, mich in 800 Worten so klar zu äußern, dass etwas sinnvolles dabei heraus kommt. Ich gebe zu, lieber Jules, dass ich es mir hier einfach mache. Und obwohl ich das mache, möchte ich widersprechen. Wir sollten keinesfalls aufhören uns aufzuregen. Hier oder sonstwo.
      Liebe Grüße

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  3. eine wunderbare morgenlektüre für mich… dankeschön dir dafür!!!
    hab heute spätschicht…
    und passend zur lektüre (für mich): i´m the rain – cd von sophie zelmani (kennst du die?)
    habs gut!!!
    waldwanderer

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  4. „Panama, Promille, Parkplatz…plöder Pildleser“
    Das ist für mich der Kracher der Geschichte! Die Vorstellung des bitterbösen angesäuselten Blickes dazu… perfekt!
    Der Rest mit dem Orientierungssinn und dem Schluckaufküssen klingt auch ganz verlockend. 😉

    Liebe Grüße,
    Silbia

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  5. Ich bin gerade am lernen, liebe Mitzi und mir raucht der Kopf. Also hab ich Gedanken-Zerstreuung bei meinen Lieblings-Bloggern gesucht. Und gefunden. Oh wie dankbar ich für diesen Text von dir bin!

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