Zwei der häufigsten, bei Google eingegebenen Fragen beginnen mit „Warum bin ich….“ oder „Warum ist mir…“. Ganz vorne mit dabei, warum ist mir langweilig und warum bin ich so traurig. Ernsthaft? Wir fragen Google warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen? Ganz abgesehen davon, dass wir anscheinend lieber eine Suchmaschine, anstelle unserer Freunde konsultieren, scheint der Wunsch nach sofortigen Antworten und Problemlösungen enorm gestiegen zu sein.
Wenn mir früher langweilig war und keiner meiner Freunde Zeit hatte, musste ich irgendwie damit klarkommen. Ich las ein Buch, schaute einen schlechten Film und wen mir gar nichts mehr einfiel, dann wurde der Kleiderschrank neu sortiert oder der Keller ausgeräumt. Bei grundlos schlechter Laune, half mir das akribische und stundenlange Säubern der Badfliesen mit Wattestäbchen und Nagellackentferner – ich vermute die Dämpfe des Nagellackentferners spielten dabei – ungewollt – eine große Rolle. Gut funktionierte es auch, seine schlechte Laune an den Mitmenschen, vorzugsweise an Familienmitgliedern, auszulassen. Die Frage warum mir langweilig war oder warum ich schlechte Laune hatte, stellte ich mir kaum. Wozu auch? Irgendwann wurde es von alleine besser. Heute weiß ich, dass ich Dämpfen jeglicher Art aus dem Weg gehen sollte und seit ich über die Auswirkungen von schlechtem Karma gelesen habe, motze ich meine Familie nicht mehr grundlos an. Wahrscheinlich geht es den meisten so. Einen schlechten Tag einfach zu akzeptieren und seine üble Laune großzügig mit seinem Umfeld zu teilen ist nicht mehr zeitgemäß.
Man verkriecht sich lieber vor dem Rechner und recherchiert, gleich einem Gefühlshypochoner, warum es einem so mies geht und was man dagegen tun könnte. Kein Mensch, der halbwegs bei klarem Verstand ist, sollte Google mit solch dämlichen Fragen belästigen. Und doch tun wir es. Ich weiß wovon ich rede. Ich war gelangweilt und ich habe die Problemlösung für meine schlechte Laune naiv in Googles Hände gelegt.
Es war ein Versehen. Sträflicher Leichtsinn an einem Herbsttag an dem ich es verpasst hatte, mich um eine Verabredung zu kümmern und genervt zu Hause hockte. Zu träge um den Hintern hoch zu bekommen, weil ich alleine zu nichts Lust hatte. Nach dem ersten Kaffee war ich dämlich genug gewesen, online zu gehen und mir auf Facebook die Posts meiner Bekannten und Freunde anzusehen. Halb München schien in den Bergen zu sein, mit dem Freund im Bett zu frühstücken oder war spontan zu einem Kurzurlaub aufgebrochen. Natürlich posteten nur die, die etwas zu posten hatten. Der Rest hockte vor dem Rechner und las eifersüchtig mit. Bei schlechter Laune oder Weltschmerz-Stimmung sollte man Facebook sowieso meiden. In diesen Momenten erscheint das Leben der anderen immer interessanter, lustiger und sinnvoller als das eigene. Wahrscheinlich sollte man auch Google meiden. Gebt mal „Tipps für Sonntage in München“ ein. Ich hab´s getan und seit dem weiß ich – Google ist nicht mein Freund. Google ist ein mieser Verräter, der genau zu wissen glaubt, wonach wir suchen. Genüsslich streute er Salz in eine Wunde, an die ich wenige Minuten zuvor gar nicht gedacht habe und lieferte als ersten Treffer: „Die Grausamkeit der Single-Sonntage.“ Danke, Google. Schön, dass du mich daran erinnerst, dass ich an einem Sonntagmorgen bei strahlendem Sonnenschein alleine vor dem Rechner sitze. Alleine. Bei Sonnenschein. Vor dem Rechner. Jetzt fühlte ich mich richtig scheiße. Natürlich war es idiotisch, sich von einem harmlosen Halbsatz, der nichts mit mir persönlich zu tun hatte, die Laune verderben zu lassen. Aber da ist es wieder. Das Internet ist nicht mein Freund und Google schon gleich gar nicht.
Während das blöde Google-Suchergebnis-Salz in der kleinen Wunde in der Nähe meines Herzens leise trommelte überflog ich die weiteren Treffer: „Wellness für zwei“; „Partner-Sushikurs“; „Romantikhotels in München“. Wellness und Sushi, klangen gut. Aber ich war eins und nicht zwei und einen Partner hatte ich auch nicht. Ich war nach sieben Jahren wieder Single und empfand diesen Zustand alles andere als zufriedenstellend. Während ich eine neue Suche – diesmal nach Sushi-Kursen – startete, begann Google genüsslich damit, die Kruste über meiner Trennungsschmerz-Wunde wieder aufzukratzen. In München wurde einem anscheinend nur dann beigebracht, wie man Sushi Röllchen rollte, wenn man einen Partner für die Partnerkurse vorzuweisen hatte oder wenn man sich als frustrierter Single outete und sich auf ein Massen-Blinddate zum gemeinsamen Sushi rollen einließ.
Kurz nach dem Aufstehen war mir nur langweilig gewesen und ich hatte latent schlechte Laune. Nach 30 Minuten im Internet war ich zum frustrierten Single mutiert.
Wenigstens war Google so fair und lieferte die Lösung für meinen grausamen Single-Sonntag gleich mit. Für nur 14,99 Euro monatlich würde sich das größte und zugleich billigste Single-Portal der Stadt einen passenden Partner für den Sushi Kurs kümmern. Ganz so stand es natürlich nicht da. Ich weiß nicht mehr, was genau dort stand – vermutlich nur die AGB – aber für mich klang es perfekt. Billig musste es sein, um nicht den Eindruck zu erwecken, aus lauter Verzweiflung bereit zu sein einen größeren Geldbetrag zu investieren. 14,99 Euro kann man gerade noch als witzigen Versuch herunter spielen, danach wird es schnell grenzwertig. Und lokal musste es auch sein, weil ein Umzug aus finanziellen Gründen, nicht mal für die große Liebe zu stemmen gewesen wäre. Kurz vor besagtem Sonntag, hatte ich an einem Sonntag mit ähnlich schlechter Laune bei Google einen herrlichen Online Shop für Cashmere Pullover entdeckt und bis auf weiteres duldete mein Konto keine weiteren Eskapaden
Ich weiß noch heute, ohne in den Kalender zu sehen, dass es der 3. September 2010 war. Genau seit einer Stunde war ich eines von 60.000 registrierten und zahlenden Mitgliedern einer Münchener Datingseite, als die erste Mail in mein Postfach flatterte. Der Absender der Nachricht war Doktor X der Mann, der mir Weihnachten dann so gründlich versaute, dass mir heute noch schlecht wird, wenn ich nur daran denke.
❤ herrlich!
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ich wusste ich habe den text schonmal gelesen. aber ich habe mich beim zweiten mal nicht weniger amüsiert 😉
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So kann’s kommen. Jetzt habe ich mich bis zu deinen Anfängen zurück- und durchgescrollt und erinnere mich wieder an den „den miesen Verräter“. Aber „ich sach dir“, wenn man sich langweilt, gibt es immer einen Grund, hier in, auf oder wie irgendwo diesen Blog zu finden, zu klicken und einzusteigen und man ist nicht mehr verdammt, sich mit eigenwilligen Fragen an Google zu wenden.
„Hier werden sie geholfen.“
Als stille Teilhaberin liebe ich deine Geschichten und auch die konsequente, ungemein harmonische Aufmachung des Blogs, die zum Scrollen verleitet.
Ich wünsch dir (und somit auch mir) weiterhin gutes Gelingen.
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Vielen lieben Dank für das schöne Kompliment. Es freut mich wirklich sehr, dass auch die alten Erzählungen ab und an herausgezogen werden. Schön auch das Feedback zur Aufmachung des Blogs. Anfangs war das nur ein farbloser Versuch, dann merkte ich, dass mir das schnörkellose eigentlich ganz gut gefällt.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag.
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