Paprika Edelsüß

Der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht, teilt mir mit, dass er in näherer Zukunft nicht bei mir einziehen wird. Eine Information die mich etwas irrtiert, da ich ihn meines Wissens weder aktuell, noch in ferner Vergangenheit darum gebeten habe. Auf keinen Fall wiederholt er und ich bin mir nicht sicher ob diese plötzliche Eingebung etwas mit mir oder dem Gewürzdöschen in seinen Händen zu tun hat. Letzters betrachtet er schon eine Weile und weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was Paprika Edelsüß verbrochen haben könnte, entscheide ich mich, bis auf weiteres beleidigt zu sein. Man teilt schließlich niemanden ungefragt mit, dass man ein räumliches Zusammenleben konsequent ausschließt. April 2019, sagt der Mann, der nicht bei mir einziehen möchte, und weil ich beleidigt immer wortkarg werde, ignoriere ich diese vermeintliche Begründung, indem ich weiter meine Gewürze ins Regal sortiere. Was auch immer im April 2019 vorgefallen sein mag – es sollte längst verjährt sein.

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Kollateralschäden

Ich erspare es Ihnen und mir die ersten Worte, die ich heute morgen hörte, im Original wieder zu geben. Freundlich waren sie nicht und auch wenn ihre Derbheit in den Augen jener Person, die sie aussprach durchaus gerechtfertigt sein mochte, hätte ich gerne etwas anderes gehört. „Guten Morgen“, zum Beispiel. Das sind zwei feine, kleine Worte mit denen ich mich um kurz nach sechs Uhr morgens durchaus zufrieden gebe. Auch wenn „der Kaffee ist fertig“ schöner gewesen wären und „ich hab dir eine Tasse Kaffee auf den Nachttisch gestellt“ mich sehr glücklich gemacht hätte – ein „Guten Morgen“ wäre völlig in Ordnung gewesen. Ich dagegen hörte heute morgen einen derart lauten und derben Fluch, dass ich reflexartig die Badezimmertür von innen verschloss. Nicht das ich Angst vor dem Fluchenden hatte, das nun wirklich nicht. Die letzten Wochen haben mir aber gezeigt, dass es besser ist, wenn mich der Fluchende in diesen hochemotionalen Momenten, in denen er zu solch verbalen Entgleisungen fähig ist, für ein paar Minuten nicht sieht. Besser für ihn und seinen Blutdruck, denn natürlich – wie sollte es auch anders sein – bin ich die Verursacherin der morgendlichen Unruhe. Das zumindest würde der Mann behaupten, der ab und zu mit einer Falsche Wein vor meiner Tür steht und jetzt gerade an die Badezimmertür hämmert, hinter der er den erste Hilfe Kasten vermutet. Übrigens…falls Sie keinen Arzt im Familien- oder Freundeskreis haben….sagen Sie einem solchen nie, wirklich nie, dass ein Schnitt an der Fingerkuppe nun wirklich keinen solchen Aufstand rechtfertigt. Weiterlesen

Jules ist schuld oder Kramerladengeschichten

Ich habe meinen Eltern in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr offen ins Gesicht gesagt, wie enttäuscht ich von ihnen bin. Nicht weil ich es nicht mehr bin, sondern weil ich den Grund der Enttäuschung an den meisten Tagen schlicht vergesse. Vermutlich auch, weil ich mittlerweile erwachsen bin und eigentlich doch nicht mehr enttäuscht bin. Es fällt mir aber sehr leicht, mich wieder daran zu erinnern. Dann schiebe ich die Unterlippe nach vorne, ziehe die Nase kraus und kaue zutiefst beleidigt auf meiner Oberlippe herum. Weiterlesen

Wir sind vier

Wir sind vier. Meine drei Geschwister und ich. Ich bin die Jüngste. Monika ist neun Monate älter, Florian drei Jahre und Regina ganze fünf Jahre. Falls Sie sich fragen wie meine Mutter es hinbekommen hat, zwei Kinder im Abstand von nur neun Monaten zu gebären müssen Sie sich nicht den Kopf zerbrechen, denn das hat sie nicht. Sie stellte das Gebären nach mir ein und ich musste sehen, wie ich zu Geschwistern komme. Weiterlesen

Jeden Tag schön hässlich

In meinem Wohnzimmer beginnt die blaue Stunde, der kurze Moment zwischen dem Untergehen der Sonne und dem Einbruch der Nacht, mit einem letzten Aufbäumen goldenen Lichts. Die letzten Sonnstrahlen leuchten über die Hausdächer genau in mein Küchenfenster. Sie tauchen meine hässlichen beigen Hängeschränke in ein strahlendes und funkelndes Licht. Als man irgendwann in den achtziger Jahren die Küche einbaute, hielt man noch nichts von Hochglanz-Flächen. Meine Schränke verzeihen Fingertappser und ihre raue Fläche ist nicht kaputt zu bekommen. Robust und praktisch musste es damals sein. Hässlich beschreiben es nachfolgende Generationen. Weiterlesen

Nicht erinnern

Früher glaubte ich, dass meine Erinnerungen nur mir gehören. Ich alleine könne bestimmen welche Erlebnisse in den Schubladen meines Gedächtnisses aufbewahrt werden und nur ich würde entscheiden, wann darin gewühlt werden darf. Heute weiß ich, dass das Öffnen einer Penatencreme-Dose reicht, um hilflos von Erinnerungen überflutet zu werden. Ich weiß auch, dass man stundenlang ertrinken und dabei weiter atmen kann. Man kann bis ganz auf den Grund der Schublade sinken, sich im Seegras vergessener Gefühle verstricken und erst durch das Klingeln des Telefons wieder auftauchen. Es ist ganz einfach. Und ganz grässlich. Weiterlesen

Mere exposure effekt

Laut Wikipedia beschreibt der Mere-Exposure-Effekt oder der Effekt des bloßen Kontaktes die Tatsache, dass allein durch die mehrfache Darbietung von Personen, Situationen oder Dingen, das heißt allein aufgrund von Familiarität, die Einstellung eines Menschen zu diesen Dingen positiv beeinflusst werden kann. Zum Beispiel macht bloße Vertrautheit mit einem Menschen diesen attraktiver und sympathischer.  Das würde das Entstehen fast aller meiner Freundschaften in den letzten Jahren erklären. Weiterlesen