Fensterrezepte

Ob ich jetzt völlig spinne, raunt mir der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht zu und versucht mich vom einem hell erleuchteten Küchenfenster wegzuziehen. Ich mag es nicht, gezogen zu werden und stemme mich ihm entgegen. Er soll mich los lassen, flüstere ich und stelle mich auf die Zehenspitzen um über den Rand der kleinen Gardine besser in die Küche blicken zu können. Durch das gekippte Fenster riecht es nach Zimt und ich würde zu gerne wissen ob das auf dem Herd Milchreis oder Grießbrei ist. Warum ich nicht gleich an die Scheibe klopfe, werde ich gefragt und ein Arm schiebt sich um meine Taille und zerrt an mir. Jetzt frage ich ihn ob er völlig spinne und springe dann doch schnell aus dem Lichtquadrat vor dem Fenster als sich dort etwas bewegt. Obwohl ich hell erleuchtete Küchenfenster wahnsinnig anziehend finde, wäre es mir doch peinlich, wenn mich der Eigentümer direkt davor entdecken würde. Es ist eine Sache, beim Spazierengehen in der Dämmerung in fremde Fenster zu blicken. Das ist etwas völlig normales. Etwas ganz anderes ist es, auf die Balkone der Nachbarschaft zu klettern, nur um einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Das wäre unverschämt und vermutlich auch strafbar. Die Laubengänge in meinem Haus sind eine Art Grauzone. Jeder der dort lebt, muss an den Küchenfenstern seiner Nachbarn vorbei. Wer ganz vorne wohnt nur an seinem eigenen, der Mieter ganz hinten an allen sechs. Und dann noch die, die ab und zu vorbei kommen. Zum Beispiel ich, wenn ich ein Paket bei meinen Nachbarn abholen muss. Weiterlesen

Duft-Atom

Ich wache auf und das Bett riecht nach dir. Dein Geruch haftet im Stoff der Kissenbezüge und hüllt mich ein. Sinnlos den Kopf unter der Decke zu vergraben, denn auch sie riecht nach dir. Das ganze Schlafzimmer riecht nach der, für dich so typischen, Mischung aus After Shave, einem Hauch kaltem Rauch und einer erdigen Note, von der ich bis heute nicht weiß, wie sie in deine Haare gelangt ist. Obwohl ich mir schon oft klar machte, dass es unmöglich ist, dass auch nur ein einziges winziges Atom von dir an meiner Bettwäsche haften geblieben ist, rieche ich dich. In machen Nächten wache ich auf, weil auch mein Unterarm, den ich unter meine Wange geschoben habe, nach dir duftet. Dann muss ich aufstehen und duschen. Mit dir auf dem Körper kann ich nicht wieder einschlafen. Weiterlesen

Nasser Hund

Es riecht ganz leicht nach nassem Hund. Ich mag das und sage es dem, der leicht danach riecht. Entschuldigend zieht er sich den Pullover über den Kopf und wirft ihn über die Armlehne des Sofas. Das ist gut, denn jetzt kann ich mich leicht dagegen lehnen und den Geruch nach nassem Hund weiter in aller Ruhe einatmen. Nasse Hunde selbst riechen weniger angenehm nach nassem Hund. Der wirklich schöne „Nasser Hund Geruch“ kommt von einem Wollpullover der einen ganzen Tag lang auf einer Skipiste getragen wurde und gehört zu den aussterbenden Gerüchen. Seit dem Aufkommen von Funktionswäsche stirbt der mir so vertraute Geruch langsam aus. Es gibt immer weniger Menschen die sich an sonnigen Tagen einen dicken Wollpullover überstreifen und damit die Piste herunter sausen. Ich mache es noch. Ich besitze auch keine Funktionsskiunterwäsche. Ich fahre mit T-Shirt und einem dickem Rollkragenpullover aus Wolle unter der Jacke. Auch bei schönem Wetter landet immer etwas Schnee darauf und wenn er schmilzt, dann riecht es fein nach nassem Hund. Seltsamer Weise riechen die Pullover, wenn sie von Männern getragen werden noch angenehmer. Man darf ihnen nur nicht sagen, dass sie nach nassem Hund riechen, sonst kommen sie am Ende noch auf die dumme Idee, sich Funktionssportkleidung zu kaufen. Weiterlesen

Sommer mit Filter

Kennen Sie den Sommer Filter, der sich an manchen Tagen im Juli über die Welt legt? Wenn Sie jetzt im App Store nachsehen müssen, dann kennen Sie ihn nicht. Es ist kein Gadget für Ihre Kamera, sondern etwas ausgesprochen hübsches, dass Sie ganz umsonst bekommen. Achten Sie mal drauf, der Filter legt sich auch über Ihre Stadt. Falls Sie ihn nicht gleich erkennen und ein Kind im Haushalt haben, fragen Sie es! Weiterlesen

Achtung, heulende Frau

Es ist ganz still um mich herum. An die Alltagsgeräusche, die aus den anderen Wohnungen und von der Straße bis zu mir klingen, habe ich mich längst so gewöhnt, dass ich sie kaum noch als Geräusche wahrnehme. Es still, aber viel zu laut. Noch in Mantel und Stiefel laufe ich ins Wohnzimmer, knipse im vorbei gehen das Licht an und lasse mich mit Schal und Mütze auf das Sofa fallen. Meine Finger sind noch viel zu kalt um den Stift anständig zu führen und doch schreibe ich sofort los. Es ist still hier auf meinem Sofa und um mich herum. In meinem Kopf ist es nicht still. Er explodiert und etwas brüllt mich an. Etwas, dass ich eben aus dem Lift mit hier rein geschleppt habe und das nicht hier sein sollte. Weiterlesen