Ob ich jetzt völlig spinne, raunt mir der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht zu und versucht mich vom einem hell erleuchteten Küchenfenster wegzuziehen. Ich mag es nicht, gezogen zu werden und stemme mich ihm entgegen. Er soll mich los lassen, flüstere ich und stelle mich auf die Zehenspitzen um über den Rand der kleinen Gardine besser in die Küche blicken zu können. Durch das gekippte Fenster riecht es nach Zimt und ich würde zu gerne wissen ob das auf dem Herd Milchreis oder Grießbrei ist. Warum ich nicht gleich an die Scheibe klopfe, werde ich gefragt und ein Arm schiebt sich um meine Taille und zerrt an mir. Jetzt frage ich ihn ob er völlig spinne und springe dann doch schnell aus dem Lichtquadrat vor dem Fenster als sich dort etwas bewegt. Obwohl ich hell erleuchtete Küchenfenster wahnsinnig anziehend finde, wäre es mir doch peinlich, wenn mich der Eigentümer direkt davor entdecken würde. Es ist eine Sache, beim Spazierengehen in der Dämmerung in fremde Fenster zu blicken. Das ist etwas völlig normales. Etwas ganz anderes ist es, auf die Balkone der Nachbarschaft zu klettern, nur um einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Das wäre unverschämt und vermutlich auch strafbar. Die Laubengänge in meinem Haus sind eine Art Grauzone. Jeder der dort lebt, muss an den Küchenfenstern seiner Nachbarn vorbei. Wer ganz vorne wohnt nur an seinem eigenen, der Mieter ganz hinten an allen sechs. Und dann noch die, die ab und zu vorbei kommen. Zum Beispiel ich, wenn ich ein Paket bei meinen Nachbarn abholen muss.
Eigentlich bin ich nicht neugierig. Im Gegensatz zu meiner Nachbarin Frau Obst, die regelmäßig vor meinem Fenster steht um die Sauberkeit meiner Küche zu begutachten, würde mir so etwas nie einfallen. Mir ist es völlig egal wie oft meine Nachbarn ihren Herd schrubben und ein paar Tassen in der Spüle sind für mich ein Zeichen von Leben und nicht von Nachlässigkeit oder Schlampigkeit. Es würde mir auch nicht im Traum einfallen einen anderen auf staubige Fenster oder Wollmäuse hinzuweisen. Die Ordnung in anderen Wohnungen geht mich nichts an. Neugierig werde ich nur, wenn es aus fremden Fenstern um die Abendzeit herum so lecker riecht. Das versuche ich auch meinem Freund zu erklären, während wir im Schatten zwischen zwei Küchenfenstern kauern. Er kauert nicht gern und zeigt mir wortlos einen Vogel. Weil wir auch kauernd noch höfflich sind grüßen wir eine Nachbarin die ihr Fenster öffnet und verkneifen uns die Frage, ob es bei ihr Pommes oder Bratkartoffeln zum Abendessen gibt. Ich finde es heraus nachdem wir das Paket abgeholt haben und ich den, der stärker als ich ist, schon einmal zurück in meine Wohnung geschickt habe. Bratkartoffeln. Bei Frau Lukaseder gibt es heute Bratkartoffeln. Bei Paul übrigens auch. Allerdings nicht die profanen, sondern recht feine mit Curry, grünen Bohnen und Auberginen. Wenn ich es richtig sehe, dann ist das Anbraten auch nur der erste Schritt. Neben dem Herd steht eine Dose mit Kokosmilch und das im Topf müsste Reis sein. Ich sehe es nicht genau, weil die ganze Küche schon etwas dampfig ist, aber Nudeln würden nicht wirklich passen und Kartoffeln hat er ja schon in der Pfanne. Ein so aufwendiges Curry hätte ich meinem Nachbarn gar nicht zugetraut.
Es handelte sich um ein Süßkartoffelcurry. Eines für zwei Personen, was ich mir schon dachte, als ich die zwei Weingläser gesehen habe. Bestätigt wurde es mir als Pauls neue Freundin den Laubengang ohne das Licht anzumachen betrat und erst Hallo sagte als sie genau hinter mir stand. Seit unser Hausmeister die Türen im ganzen Haus geölt hat, kann man für meinen Geschmack etwas zu leicht anschleichen. Zeitgleich entdeckte mich auch Paul vor seinem Fenster und weil ich weiß, dass er es nicht tun wird, stelle ich mich seiner neuen Flamme selbst vor.
„Hallo ich bin die Nachbarin und wollte nur wissen, was es leckeres zum Essen gibt“, ist ein ziemlich blöder Satz, wenn man im Dunkeln vor einer fremden Wohnung herum lungert. Ich merke es selbst und verdrücke mich, bevor ich noch mehr erklären muss. Morgen Abend gehe ich lieber wieder eine Runde spazieren. Da ist es das normalste der Welt, einen Blick in hell erleuchtete Fenster zu werfen. In mein Küchenfenster kann man übrigens jederzeit gerne hinein schauen. Gerade steht da einer und flucht über meinen antiquierten Korkenzieher. Dass ich den nur nicht austausche, weil mir das leise Fluchen irgendwie gefällt, verrate ich ihm nicht. Still bleibe ich kurz vor meinem eigenen Fenster stehen und freue mich, dass meine Küche von außen genauso gemütlich aussieht, wie sie sich in ihr stehen anfühlt. Trotz der Gläser in der Spüle.
Du hast da sicher mal was falsch verstanden. Wenn es heiß „Schau doch mal wieder rein!“, dann bezieht sich das nicht auf das Küchenfenster 😀
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Ach so…. 😉
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Danke Mitzi,
dass Du uns in Dein Fenster und Deine Gedanken schauen lässt.
Schöne Grüße
Bernd
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„Hallo ich bin die Nachbarin und wollte nur wissen, was es leckeres zum Essen gibt“ – ich finde das sehr sympathisch, aber warum wundert mich das jetzt nicht 😉 erst gestern (oder war es am samstag?) wurde ich grinsend gerügt, dass ich dazu neige, andere menschen etwas zu offensichtlich zu beobachten. tja…
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In meinem Haus würden wir dann gemeinsam auffallen ;).
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❤
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Ich dachte immer, das „fensterln“ in Bayern anders gemacht wird, nämlich von Männern mit einer langen Leiter, damit sie besser zum Fenster ihrer Angebeteten hochsteigen können.
Und du hast jetzt die weibliche Variante gemacht, oder????
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In Ermanglung einer Leiter nutze ich den Laubengang 😉 Außerdem ist das nicht so zugig. Liebe Grüße
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Nicht jeder Blick in eine Küche regt den Appetit an. 😉

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Hm…ja, da wurde schon lange nicht mehr gekocht (und aufgeräumt) 😉
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