Wahlfreiheit III – 26.05.2019

Nachstehendes kommt Ihnen vielleicht bekannt vor. Ursprünglich im September 2017 geschrieben und veröffentlicht. Natürlich könnte ich etwas über die anstehende Europawahl schreiben, aber ich würde mich wiederholen. Deshalb nur ein wenig geändert und ergänzt…Wahlfreiheit, machen Sie was draus, sie ist nicht selbstverständlich. 

Die Wahl am 26. Mai wäre ihm herzlich egal, sagt er und beißt in seine, dick mit Leberkäse belegte Semmel. Stolz ist er auf seine Aussage, sonst würde er nicht Beifall heischend den Blick durch das Abteil der U-Bahn schweifen lassen. Den dunkelhäutigen Mann, der ihm gegenüber sitzt, lächelt er freundlich an. Wenn’s ein Tourist ist, dann hat der ihn vielleicht – hoffentlich – gar nicht verstanden. Ist es ein Mensch, der sein Land aus welchen Gründen auch immer verlassen musste,  dann ist das Lächeln des Essenden fehl am Platz. Denn dem, der ihm da gegenüber sitzt, wird der Ausgang der Wahl wohl nicht herzlich egal sein. Für den ging und geht es um etwas.

Mir geht es gut, sagt er, und empfindet das als Grund genug, am Status quo nichts zu ändern. Nur, dass die Entscheidung nicht zu wählen, nicht gleich bedeutend ist, dass sich nichts ändert, das ist ihm nicht klar. Man könnte ihm sagen, dass womöglich die sehr wohl zur Wahl gehen werden, die etwas ändern wollen und dass denen, es könnte ja sein, sein persönliches Wohl so egal ist wie ihm das Kreuz am Sonntag.

Mei, des liabe Schneckerl, neckt er einen kleinen Jungen. Der kann noch nicht wählen. Für den wäre es aber gut, wenn es andere täten, damit er sich in fünfzehn bis zwanzig Jahren aussuchen kann, wen er liebt und die gleichen Freiheiten hat, wie wir heute. Man sollte dem so fröhlich grinsenden Deppen vielleicht auch auf dem Weg geben, dass sein Leberkäse besser schmeckt, wenn er von Tieren stammt, die – von artgerecht reden wir gar nicht – annähernd gesund hoch gezogen wurden. Er ist doch recht dick und sieht recht ungesund aus. Es wäre doch blöd für ihn, wenn das was er frisst, mit Antibiotika vollgestopft ist und er weil es ihm ja herzlich egal ist, in zwanzig Jahren doch keine ausreichende Gesundheitsversorgung mehr hat, weil andere meinten es gäbe wichtigeres. Nur als Beispiel. Vielleicht ist ihm das ja wirklich so egal wie er sagt, dann stört ihn vielleicht die mögliche künftige Besteuerung seines Vermögens. Oder die Hundesteuer steigt. Einen jeden trifft ja etwas anderes empfindlich.

Das Handy auf dessen Display er mit fettigen Fingern tippt, ist neu. Das sagt er dem neben sich. Die Wahl ist ihm egal. Hoffentlich auch, welche Daten da bald, irgendwann oder nie ausgelesen und ausgewertet werden. Am Hauptbahnhof kann er schon mal probeweise in die Kameras grinsen. Ob er die für gut, weil sie zur Sicherheit beitragen hält oder für schlecht, weil sie der Anfang einer zunehmenden Überwachung sind, sollte ihm herzlich egal sein. Die Weichen in welche Richtung das zukünftig geht werden auch bei der Europawahl gestellt und da hockt er Bierseelig und saudumm auf Mallorca, weil das ja eh fast schon Deutschland ist. Weil man ja keine dieser Parteien wählen könne. Wieder schaut ob ihm einer applaudiert. Zum Glück keiner, sonst hätte ich mein Frühstück erbrochen. Die Aussage mag der eine oder andere unterschreiben. Gleichzeitig wird es einem aber recht leicht gemacht, dann eben ein Kreuz beim dem zu machen, was man für das kleinste Übel hält um das größte Übel wenigstens  prozentualen flach zu halten. Aber was interessiert ihn das. Was interessiert es ihn das ein kleiner, dicker Nordkoreaner und ein orangehäutiger Blondschopf Testosteron geladen mit den Säbeln rasseln, solange es ihm weiter gut geht.

Auch Österreich interessiert ihn nicht. Warum auch, es ist weit…nein, weit weg ist es für einen Münchner nicht und auch wenn heimliche Videoaufnahmen nicht zu begrüßen und mehr als grenzwertig sind, der Inhalt ist es noch viel mehr. Neuwahlen also dort. Alternativlos und richtig. Schau ich mir den grinsenden, ignoranten Deppen vor mir in der U-Bahn an, dann würde es mir Angst machen, hätten wir heute Neuwahlen oder überhaupt Wahlen. Mit der Angst muss man leben und ihr etwas entgegen setzen. Für den, der mir gegenüber sitzt ein Kopfschütteln und die Bitte doch einfach den Mund zu halten, wenn nur so ein Schmarrn raus kommt. Letzteres nur gedacht, weil es ein großes Glück und keine Selbstverständlichkeit ist, dass man seine Meinung sagen darf. 

 

13 Gedanken zu “Wahlfreiheit III – 26.05.2019

  1. Liebe Mitzi, danke für Deine Wahrnehmungen und kritischen Überlegungen zur Meinungsfreiheit und zum Wahlrecht.
    Am heutigen Sonntag hatten in Nürnberg die Kulturleute von Theatern, Museen, Kulturläden und vielerlei Initiativen zu einer Demo der Vielen für ein demokratisches, friedliches, kreatives und soziales Europa aufgerufen – unter dem Motto „Unite & Shine“ -, und bunt glänzend und einig lief es.
    Europäische Grüße von Bernd

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    1. Lieber Bernd, auch wenn ich mich sonst nur wenig politisch äußere, die Wahlen sind mir einfach wichtig. Demokratisch friedlich kreativ und sozial… So soll Europa sein. Und gerne auch bunt und glänzend. Liebe Grüße aus München

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  2. Nein, liebe Mitzi,
    ich habe keine Wahlfreiheit.
    Ich würde lieber in einem anderen Universum leben, wo es intelligentes Leben gibt. Jedenfalls intelligent genug, sich selbst, anderen Arten und der Welt, in der alle leben, nicht zu schaden.

    Das wird hier auf dieser Erde nicht gelingen. Jedenfalls nicht, solange es DIESE Menschen gibt.

    Also muss ich ein paar hundert, tausend oder millionen Jahre warten, bis ich auswandern kann. Dann gibt es vielleicht Wahlfreiheit, braucht aber eine Menge Geduld.

    HEUTE bekäme ich in keiner anderen Galaxie eine „Greencard“……. weil ich ja auch nur so’n Menschlein auf der Evolutionsstufe des 20. Jahrhunderts bin. Wirklich intelligente Lebensformen lachen sich über uns tot – oder beachten uns so, wie wir Borkenkäfer beachten.

    Jetzt denken Sie, „der Heinrich ist aber mies drauf“. Nein! Gar nicht! Mir geht es sogar unverschämt gut. Vielleicht sogar unverdient gut! Ich kann aber nichts dazu, dass ich nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland zur Welt gekommen bin und nicht in der Zentralafrikanischen Republik. Auch da hatte ich keine Wahl.

    Also bin ich egoistisch wie einige andere Menschen und genieße es, dass es mir gut geht! Und bin SEHR gespannt, welche Wahl in den nächsten 39 Jahren etwas wirklich verändert – zum Guten verändert.

    Apropos Wahl: Es wäre mal schön, wenn sich Menschen zur Wahl stellen würden, die man mit reinem Herzen auch WÄHLEN kann! Für einige aktuell Regierende scheint es keine wirkliche Alternative zu geben. Dann wählt man mit einem geringeren Übel immer noch ein Übel! Ist das nicht übel?

    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, nein ich denke nicht, dass Sie mies drauf sind. Und auch nicht, dass Sie egoistisch sind, weil Sie genießen, dass es Ihnen gut geht. Im Gegenteil. Ich kann das was Sie schreiben sehr gut verstehen und auch ich würde mir wünschen, dass die Wahllisten anders aussehen oder man sich auf das was in den Wahlprogrammen steht, wenigstens im Ansatz verlassen kann.
      Und auch, dass das geringe Übel noch immer ein Übel ist, kann ich nicht leugnen. Dennoch halte ich ganz persönlich, das gar nichts machen am Wahltag für ein noch größeres.
      Für Ihre Greencard momentan sehe ich leider auch schwarz. Und doch bin ich voller Hoffnung, dass Sie die irgendwann erhalten. Sie oder eine Reinkarnation von Ihnen. Es wäre ein schönes Beispiel Mensch für fremde Galaxien und Sie als Vertreter – ja, das würde ich unterstützen. Bis dahin soll es Ihnen weiter gut gehen. Ihnen und so vielen wie möglich.

      Herzliche Grüße
      Mitzi

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    2. Liebe Mitzi,
      das ist ja famos!
      Mit Ihrer Empfehlung wird es klappen! Wenn ich am Grenzhäuschen eines anderen Universums sage, dass Mitzi Irsaj mich quasi zum Botschafter ernannt hat, lassen die mich ungehindert durch!
      Allerdings werden die ganz traurig sein, wenn Sie nicht persönlich angereist sind.
      Ich werde dann auf jeden Fall in Aussicht stellen, dass Sie eventuell, vielleicht, möglicherweise nachkommen, je nachdem wie sich die Sache in München entwickelt…..
      Gruß Heinrich

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      1. So machen wir das, lieber Heinrich. Sie gehen vor, sehen sich ein wenig um und erkunden all das neue. Ich komme dann sehr gerne zu Besuch oder nach, wenn es hier nicht mehr auszuhalten ist. Herzliche Grüße

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  3. NIcht nur das: „… damit er sich in fünfzehn bis zwanzig Jahren aussuchen kann, wen er liebt und die gleichen Freiheiten hat, wie wir heute“ – sondern seine Liebe auch ohne Atemschutzmaske ausüben kann, weil das Klima immer noch genügend Sauerstoff in der Luft und viele Bäume um uns herum auf den Straßen stehen.

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  4. mein urlaub in diesem jahr war wenig erholsam, weil ich ständig am liveticker gehangen bin, ungläubig und ungläubiger. mir fehlen dazu schon so lange die worte, was mir ansonsten nicht gar so häufig passiert.

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