Randnotiz #3

Umgestellt.

Hundert mal bestimmt habe ich meine Wohnung umgestellt, weil sich etwas nicht richtig anfühlte.  Die geerbte Kommode, mit langer Geschichte, ins rechte Licht gerückt und sie mit den gerahmten, liebsten Worten aus Briefen geschmückt. Dicht bei mir musste sie sein und doch fehlte etwas. Habe Decken und Kissen auf das Raumgroße Sofa geworfen und mich glückselig ganze Tage darauf eingeigelt. Herrlich, aber etwas fehlte.

Ein großes, helles Wohnzimmer. Ein Traum. Es ist nicht vollgestellt, weil ich in drei Fluren unendlich viel Stauraum besitze. Ich habe mehr Stauraum, als materielles Leben. Ein großes Glück und pure Freude. Täglich am sehr, sehr großen Tisch zu sitzen, der aktuelle Bücherstapel Bücher genauso großherzig beherbergt wie all die unzähligen Notizen, Blöcke und beschriebenen Papierschnipsel. Aber etwas fehlt. Was mache ich nur mit all den Wänden? Ich kann sie nicht vollhängen. Das nimmt mir die Luft zum atmen. Kleine feine Stellen, dicht berahmt, sehr gerne. Aber doch nicht alles. Ich würde ersticken.

Ich habe sogar einen extra Flur für all meine Bücher. Ein kleiner Zwischenraum, in dem sie alle stehen…..

Meine Bücher ersticken in diesem Raum und ich ertrinke, auf dem Sofaschiff liegend oder am Tischfloß sitzend, in der Leere der Wände meines Wohnzimmers. Ein kleines Bücherzimmer war immer mein Traum. Jetzt habe ich es und merke, wie falsch ich doch lag. Sie müssen in das Wohnzimmer. Die fünf Meter lange Wand, bis unter die Decke füllen. Dann können wir wieder atmen, denn an Büchern ist noch keiner erstickt. An die Wände des Bücherzimmers kommt feines, dass ich seit einiger Zeit im Briefkasten finde. Und anders, dass ich im Blick haben möchte. Wann immer ich durch diesen Raum gehen werde, wird mein Blick daran hängen bleiben und mir Freude bereiten.

Manchmal muss man sieben Jahre warten, bevor man endlich weiß wie man seine Räume einzuteilen hat. Das ist ok. Manch einer findet die Lösung nie.

 

19 Gedanken zu “Randnotiz #3

  1. Es gibt also anscheinend auch ein „big apartment tetris“? Kürzlich las ich auf einem englischsprachigen Blog vom „tiny apartment tetris“, also von den Schwierigkeiten, das ganze Geraffel in einer winzigen Wohnung unterzubringen. Das gleicht manchmal einem Puzzle-Spiel, aber anscheinend bedeutet mehr Platz auch nicht notwendigerweise, dass es einfacher wird.

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  2. Bücher, die man nicht im „Blick“ hat, sind ja wie Fotos in einem Karton. Nach einer Weile vergisst man, dass man sie besitzt. Das wollen viele Menschen nicht!
    Es gibt aber auch Menschen, die solche „Erinnerungen“ nicht brauchen oder gar möchten.
    So macht es eben jeder anders, oder ändert seine Gewohnheiten nach 7 Jahren oder zu jedem beliebigenn Zeitpunkt.
    Da springt noch ein Gedanke in mein altes Hirn. Es gab auch Zeiten, da der Besitz von Büchern gefährlich war – nicht nur in Ray Bradburys Fahrenheit 451 – auch in politischer Wirklichkeit!
    Dann erinnere ich noch den Friedhof der Vergessenen Bücher. (in Schatten des Windes von Carlos Ruiz Zafón ! )
    Also ist es gut, wenn wir unsere Bücher nicht vergessen! 😉

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    1. Lieber Heinrich,
      eine „perfekte“ Wohnumgebung ist für jeden etwas anderes. Das ist auch gut so, sonst wären wir ja alle gleich. Für mich sind Bücher etwas besonderes. Nicht alle, aber manche und mit den Jahren will ich sie immer lieber dicht bei mir haben. Eines davon ist das von Ihnen erwähnte.
      Herzliche Grüße

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  3. gut ding braucht manchmal weile und das gefühl für seinen wohnraum muss sich entwickeln, wachsen, bis es langsam zum vorschein kommt. das finde ich ganz wunderbar ❤ meine kleine wohnung lässt da ja nicht soviel spielraum übrig, aber mir ging es so mit wänden und farben.

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    1. Meine vorherige Wohnung war auch winzig. Trotzdem hat es eine Weile gedauert, bis alles so war, wie ich mir das vorstellte. Unter anderem auch mit Farben. Manchmal reicht es ja schon den Sofakissen ein neues Kleid zu verpassen.

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  4. Liebe Mitzi! Gut kann ich Dich verstehen! Aber ich glaube, man ändert auch einfach seine Bedürfnisse…Was würde ich manchmal für eine dieser großen, luftigen , hellen münchner Alt-Bau-Wohnungen geben! .. – Und nicht einmal mein Bett war ,,privat“, weil immer irgendein klammes Kinderfüßchen oder Hunde-Wollknäul mir auch diese kleine private Städte streitig machen wollte., Ich bin froh, dass ich mir nach Jahren des Familien-Lebens, in denen sich mein privater Raum auf 80×200 cm beschränkte, endlich in ein größeres Haus umgezogen sind.Jetzt habe ich ein eigenes Zimmer. Klein, unterm Dach… aber leider mit kaputter Tür, denn ,,Mama“ muß schließlich immer erreichbar sein…Aber ich habe den Weg gewählt und beklage mich sicher nicht! Und ich gönne Dir auch von Herzen den schönen Raum, den Du für Dich hast!.. Aber vielleicht freust Du DIch, wenn Du das gelesen hast, noch ein wenig mehr über Deine leeren Wände… Alles Liebe, Nessy

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    1. Absolut. Die Bedürfnisse ändern sich und auch die Möglichkeiten ändern sich. Ein Rückzugsort ist vermutlich für jeden Menschen etwas wichtiges und schönes. Für Mamas ein Wunsch der sich oft nur schwer oder gar nicht erfüllen lässt. Dafür bekommen die Mamas weit mehr „Besuch“ von ihren Lieben. Das ist auch schön.
      Ich mag meinen Raum und für die leeren Wände habe ich ja nun eine Lösung gefunden. Ist sie es wider Erwarten nicht….ich kann ja in eine kleinere Wohnung umziehen. ;).
      Herzliche Grüße
      Mitzi

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      1. Och,… wenn man schon ´mal die Möglichkeit hat .. Ich find´s supi! Und ich habe ja jetzt auch mein Zimmer! Wenn ich nicht will, kommt niemand in meine Bett ! Obwohl, hihi, dass auch wieder so gut wie nie vorkommt! Alles Liebe, Nessy

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  5. Als mein Ex auszog war es das erste was ich wieder aus dem Keller holte: alle meine Bücher die vorher keinen Paltz fanden. Ich stellte jedes liebkosend und in Erinnerungen schwelgend in meinen Bücherschrank und sofort war das wieder mein Reich und alle Geister verschwanden. Meine Bücher sind Begleiter fürs Leben. Mehr Begleitung brauche ich derzeit nicht. Sein Zimmer wurde das Ess- und Bücherzimmer und es war sofort heimelig und von meinem Leben erfüllt. Ich verstehe gut wie du dich freust dieses Erlebnis nun auch zu haben. Liebe Grüße, Sylvia zu

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    1. Ich kann es mir so gut vorstellen…das Einräumen der Bücher. Wahrscheinlich, weil es für mich eher eine Erinnerung ist. Ich habe das auch schon gemacht und verstehe sehr gut, dass man oft gar nicht mehr Begleitung braucht.
      Essen und Bücher in einem Raum…das ist eh eine schöne Kombination.

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  6. Was findest Du Feines in Deinem Briefkasten? Ich finde nur Werbung und Rechnungen, selten auch mal nette Briefe und Postkarten, die ich mir aber nicht an die Wand hängen würde. Aber wenn ich zu indiskret bin, übergeh die Frage einfach.
    Seit einiger Zeit ist es ja en vogue, sein Leben zu simplifizieren: „Simplify your life“ heißt ein Bestseller, es wird einem geraten, sich von unnötigem Ballast zu befreien, um ein von Dingen unbeschwertes Leben zu führen. Wenn ich mir vorstelle, von allen Dingen „befreit“ zu sein, die ich nicht wirklich brauche, würde ich in einer Wohnung leben mit weißen Rauhfasertapeten, einer Schlafpritsche in der Ecke, eine Tasse auf der Spüle und eine Zahnbürste und ein Handtuch im Bad. Das Lob der Dinge wird viel zu selten besungen – gute Bücher, die man gelesen hat und vermutlich nie wieder lesen wird: Egal, sie sind Teil des eigenen erlebten Lebens und haben es verdient, einen auch weiterhin zu begleiten. Die Apostel der „Hier und jetzt“-Ideologie meinen es gut, aber sie brauben sich ihrer eigenen Vergangenheit. Natürlich sollte man sein Herz nicht zu sehr an Dinge hängen – wenn die Lieblingstasse entzwei geht, ist das kein Grund, in Depressionen zu verfallen. Das heißt aber nicht, den Dingen, die einen selbstgewählt umgeben, keine Wertschätzung zu zollen. Ich mag meine Bücher, sie sind meine Freunde.

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    1. Bei jedem Satz ein klares „ja“ von mir. Das Buch Simplify your life habe ich vor Jahren gelesen. Einiges ist sehr, sehr richtig. Bei anderem rufe ich entrüstet auf und widerspreche vehement. Es ist wohl die Kunst sich mit den richtigen Dingen zu umgeben. Jenen, die kein Ballast, sondern langjährige Freunde geworden sind. Büchern zum Beispiel.
      Auch bei „hier und jetzt“ sehe ich es ähnlich. Würde man das carpe diem wörtlich nehemn…was für ein Stress. Nein, das würde das Leben nicht verbessern.

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