Teilchen – anspruchslos aber hartnäckig

Ich bin wieder da. In München. Finalmente (endlich) murmelt jetzt vielleicht meine Freundin mit der gemeinsam ich die letzten zwei Wochen in Ligurien am Meer war. Sicher nicht, weil ihr das Meer und der Urlaub zuviel geworden wäre. Eher, weil ich sie jetzt morgens nicht mehr mit der Yogamatte unter dem Arm anstrahle und an unsere Verabredung mit Gabi – der Trainerin auf YouTube – erinnere. Eine Verabredung die sowohl der Gabi, die von meiner Existenz nichts weiß, als auch meiner Freundin eigentlich völlig schnuppe sind. Schließlich bin ich die einzige, die sich vorgenommen hat, die zweite Lebenshälfte als sportlich motiviere Frau zu bestreiten. Ich bin aber ein Mensch, der gerne teilt. Alles. Emotionen, Gummibärchen und eben auch die Dinge, die mir Freude bereiten und Dinge, die mich im Urlaub reichlich Überwindung kosten. Wie zum Beispiel Sport am Morgen. Weil ich mir sicher bin, dass meine Freundin auch gerne teilt, habe ich mich gleich, wenn sie aufgewacht ist, mit der Matte unter dem Arm zwischen sie, ihren Morgenkaffee und die Fensterfront gestellt und motiviert angelächelt. Sie hat mitgemacht, ist aber vermutlich heilfroh, mich jetzt wieder los zu sein und nicht noch im Halbschlaf von so einer widerlich fröhlichen Frühaufsteherin abgefangen zu werden.

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Mit vier war´s leichter

Es riecht nach Italien. Nein das stimmt nicht, es riecht nach München Giesing im Hochsommer. Ich nippe an meinem Kaffee und schließe die Augen. Ein wunderschöner Geruch, den der, der neben mir sitzt, nicht zu schätzen weiß. Auch die hochsommerlichen Geräusche, empfindet er als morgendlichen Lärm. Ich kann ihn verstehen. Natürlich sind die Geräusche und Gerüche auf zum Beispiel einer sonnigen Waldlichtung um einiges schöner. Und doch möchte ich an diesem Morgen auf gar keinen Fall tauschen. Der Geruch gerade eben ist für mich der Inbegriff des Sommers. Schwer warme Luft schon früh am Morgen. In ihr vermischt sich der Duft von Blumen und Kräutern auf Balkonen mit dem frischen Grün der Bäume und trotzt dem Geruch von Abgasen und den leicht süßlichen Ausdünstungen der vor dem Haus stehenden Mülltonnen. Still ist es auf einem Balkon in der Münchner Innenstadt natürlich nicht. Ganz im Gegenteil. Bei meinem ersten Kaffee brandet der Verkehr auf, die Vespas sind wieder auf der Straße unterwegs und erstaunlich laut und ist das Schlurfen der ersten Flip Flop. Gerade das kann, wenn man es nicht mag, nervtötend sein. Ich liebe es. Wenn es so riecht und klingt, dann ist der Sommer da und ich weiß nicht wohin mit der Vorfreude auf die nächsten Wochen. Herrlich ist es meine Heimatstadt so zu erleben und gleichzeitig beginnt es in meinem Magen zu ziehen, weil ich spüre dass ich ganz dringend ans Meer muss. Dorthin, wo ist jetzt gerade genauso riecht wie hier bei mir in der Stadt. Der Salzgeruch des Meeres und die etwas anderen Düfte der Botanik sind mir so vertraut, dass ich sie auch hier in München rieche. Einfach die Augen schließen und schon riecht es heute Morgen nach meinen beiden Lieblingssorten. München und Italien. Nur das Brioche fehlt.

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Nur der Mai

Schönen Urlaub, wünschen die Kollegen Montagmorgen im Firmenchat und erinnern mich daran, dass ich meinen Rechner gleich wieder runter fahren kann. Urlaub, ja richtig, da war was. Ich habe Urlaub. Muss ihn genommen haben, als noch dachte wegfahren zu können und habe ihn in den letzten Wochen komplett vergessen. Eine Antwort an mein Team: Danke, ihr könnt euch vorstellen, wie nötig ich eine Woche zu Hause in den eigenen vier Wänden und der näheren Umgebung habe – da war ich in den letzten Monaten viel zu selten. Schief grinsender Smiley und ein letzter Gruß, bevor ich das Notebook runter fahre und in den Schrank stelle. Urlaub also. Unschlüssig stehe ich  um sieben Uhr morgens auf dem Balkon und nippe am Milchkaffee. Einzelne Margeriten sind verblüht und gehören abgezupft. Die Tomaten müssen nach oben gebunden werden. Aber sonst….nein, hier gibt es nichts zu tun. Im Schlafzimmer auch nicht und im Flur war noch nie etwas zu tun gewesen. Aber der Kaffee schmeckt gut. Auch noch in der Küche, wo ich vor dem Fenster stehe und mir die Balkone im Hinterhof ansehe. Pauls Sonnenschirm ist in der Nacht umgekippt. Sonst hat sich seit gestern nicht viel verändert. Meine Nachbarin geht am Fenster vorbei und hält eine Tüte vom Bäcker nach oben. Ich antworte mit einem nach oben gestreckten Daumen. Ja, ein Croissant wäre heute tatsächlich nett. Das gibt es sonst nicht, aber ich habe ja Urlaub. Weiterlesen

Wurfsendung und Weinschorle

Den besten meiner Freunde erkenne ich immer. In rauchgeschwängerten, dampfigen und unübersichtlichen Clubs; mitten in einem Rapsfeld stehend; im Fasching mit eine tief ins Gesicht gezogenen Hutkrempe und am Marienplatz zwischen tausenden von Touristen. Selbst wenn er gestern nicht alleine vor dem Kino am Sendlinger Tor gestanden wäre, hätte ich ihn trotz Sonnenbrille und Mundschutz erkannt. Seine 193 Zentimeter sind mir vertraut und es braucht mehr als zehn Corona-Wochen um sich fremd zu werden. Am 15. März lag er auf meinem Sofa als ich spät abends eine E-Mail las, die von Kollegen zu Kollegen geschickt wurde und deren Inhalt uns an diesem Sonntag vor zehn Wochen noch erstaunte. Der beste meiner Freunde lümmelte neben mir, als wir überraschend und sehr konsequent ins Home Office geschickt wurden. Passend und stimmig, dass ich die erste Weinschorle „draußen“ mit ihm trinke. In den vergangenen 25 Jahren haben wir uns schon öfter zehn Wochen lang nicht gesehen. Das Leben kam dazwischen, das kann passieren. Dass wir uns zwei Monate lang nicht sehen konnten und durften, war neu. Neu auch, dass wir uns zur Begrüßung nicht umarmten. Auch wenn es bei ihm und mir vermutlich ungefährlich ist. Meine Wange (mit Sommerflachen Schuhen) wäre bei ihm gerade mal auf Brusthöhe und wenn man kurz die Luft anhält, dann…..wir haben es gelassen.  Weiterlesen

Süden

Bei mir im Norden sagt er und ich verdrehe die Augen. Sinnlos mit einem Italiener über Himmelsrichtungen zu sprechen. Zwecklos immer wieder zu erklären, dass die Sommer in München heiß und lang sind und natürlich Tomaten, Rosmarin und Salbei auf den Balkonen und in den Gärten wachsen. 

31 Grad hatte es gestern und gerne hätte ich ihnen einen Screenshot der Wetter App geschickt. München, Cogoleto und Verona – alle 31 Grad und keine Wolke am Himmel. München, das ist der Süden, aber das kann man keinem Italiener erklären. Mein Urlaub ist vorbei. Heute ist Samstag. Wochenende und nicht mehr Urlaub. Völlig ok. Denn hier bei mir im Süden ist der Sommer herrlich. Ich bleibe gerne daheim. Beobachte meine Tomate beim Wachsen und freue mich auf die Ernte. Schon jetzt ist sie fast so hoch wie ich und ich weiß, dass ihre Früchte herrlich süß nach Sommer und Süden schmecken werden. 

Mit meiner Freundin trank ich gestern Aperol Sprizz mit nackten Füßen und stöhnte (wohlig und zufrieden) in der Hitze. Um halb elf noch saßen wir auf einer Bank – nackte Füße, freie Schultern und sehr zufrieden. Schön sei es da, wo ich gewesen bin, murmelt sie und ich nicke. Und gar nicht so weit, sage ich und dass ich es ihr gerne mal zeigen würde. Ach ja, wirklich schön, wiederholt sie und fragt ob ich ein Problem mit Autobahnen habe. Weder sie noch ich sagen es und doch wissen wir es in diesem Moment beide. Ich werde die Autobahn übernehmen und sie das Parken. Als sie in das Taxi steigt, nur eine kurze Frage über die Schulter geworfen. September? Ich nicke, ja das passt. Wohin genau können wir uns im August überlegen. Wenn die Tomaten reif und unsere Beine braun sind. Hier im Süden geht das ja schnell. 

Atmende Filzkugeln

Er atmet, sage ich und weiß, dass er versteht, dass dieser Atem so viel mehr ist, als das Schnauben aus einer felligen Hundeschnauze. Er ist mir alles, dieser Atem. Und muss es sein, weil ich gar nichts mehr bin. Nicht einmal richtig müde bin ich. Ich bin so erschöpft, dass ich eigentlich gar nicht mehr richtig da bin. Da ist es gut, wenn einem ein gleichmäßig atmender Hund an die eigenen Atemzüge erinnert. Schöne Weihnachten, das habe ich noch umarmend gerufen und bin dann schnell raus gerannt, bevor ich unsichtbar wurde. Das passiert so schnell, im Jahresendspurt und dann liegt man platt und unsichtbar unter dem Christbaum und kann nicht mehr aufstehen. Ob ich eine Erkältung meine, höre ich dich fragen und schüttle den Kopf. Als ob man von einer Erkältung schon jemals unsichtbar geworden ist. Nein, es ist viel mehr, das ganz Jahr, das einem auf den Schultern sitzt und bei all seiner Schönheit so schwer geworden ist, dass man Teile davon abschütteln muss. Sonst begräbt es einen und man hat keinen Platz mehr für die letzten, bestimmt auch sehr schönen Tage des Jahres. Das versteht er, weil er weiß, dass mir gerade die letzten Tages eines Jahres wichtig sind. Deshalb fragt er auch nicht, was ich mache und ahnt, dass ich nicht viel mehr als der Hund mache. Die Frage, wo ich es mache ist berechtigt. So etwas kann man nicht wissen und selbst ahnen ist schwer, da er nicht wissen kann, dass mein weißer Filzkugelteppich bereits geliefert wurde. Auf dem weißen Filzkugelteppich sage ich ihm deshalb und er lacht. Passt farblich zum Fell des Hundes, meint er und hat recht. Dazu und zum Winter, zum Adventskranz und überhaupt zu allem schönen. Ein solcher weißer Filzkugelteppich ist nämlich etwas ganz wunderbares und mit kaum einem anderen Teppich zu vergleichen. Es ist ganz wunderbar auf ihm zu stehen. Noch schöner nur, mit einem Hund – unbedingt ein großer – auf ihm zu liegen. Perfekt ist es, wenn die ergrauten Haare der Schnauze die gleiche Farbe wie die Filzkugeln haben. Warum das so ist, bleibt ein Geheimnis. Weiterlesen

Glücklich motzend

Eine gute Reisebegleitung zeichnet sich dadurch aus, dass sie mich auf den letzten Metern vor der Grenze nach Italien erträgt. Die ersten paar hundert Kilometer bin ich entspannt, ruhig und gelassen. Aber kurz vor der Grenze sage ich nichts mehr, wippe mit den Füßen auf und ab und kaue an den Fingernägeln. Ich laufe nicht ganz rund, wenn es um Italien geht. Sie haben es sicher schon bemerkt. Ich kann nichts dafür. An weit über dreihundert Tagen im Jahr bin ich mit Leib und Seele Münchnerin und liebe meine Heimatstadt von ganzen Herzen. Wenn ich aber in der Nähe der alten, der zweiten Heimat bin, beginnt das kleine Loch in meinem Herzen zu schmerzen. Dann und nur dann spüre ich es. Ich bin ja selbst schuld. Hab mir selbst ein kleines Stückchen Herz rausgerissen als ich zu schnell und zum falschen Zeitpunkt damals zurück nach München ging. Fast alle Herzteile habe ich wieder, nur das eine, kleine nicht. Es ist in der Hosentasche des mutigsten meiner Freunde. Längst habe ich begriffen, dass es dort bleiben und er es für mich aufbewahren muss, damit ich meine Sehnsucht nicht verliere. Ich mag sie, die Sehnsucht. Es gibt wenig schöneres, als sie zu stillen. Der Preis für dieses Gefühl ist ein kleines Loch im Herzen das weh tut, wenn ich mich der Grenze nähere und mich in eine Furie verwandelt, wenn einer 50 Kilometer vor dem Grenzübergang noch auf die Toilette möchte. NEIN, sage ich dann und versuche zu erklären, dass ich ersticke und gleichzeitig ertrinke, wenn ich nicht sofort nach Hause komme. Weiterlesen

Grüezi vom Bernhard

Ich bin dem mutigsten meiner Freunde für viele Dinge dankbar, besonders aber dafür, dass er manchmal keine Fragen stellt. So sagte er zum Beispiel vor einigen Wochen, nur „schön“, als ich ihm mitteilte dass ich ihn für genau 6 Stunden an einem Schweizer Ort in der Nähe zu Italien besuchen würde und leider nicht mehr Zeit hätte, weil ich mich einer Reisegruppe besteht aus 50 Rentnern (inklusive meiner Eltern) angeschlossen habe und Tags darauf das Jungfraujoch zwischen Mönch und Eiger besichtigen würde. Mit keinem Wort fragte er mich, ob es nicht sinnvoller sei, ihn für etwas mehr als 6 Stunden dann eben einfach einige Tage später zu besuchen. Die Frage wäre durchaus berechtigt gewesen. Selbst für ein Organisationstalent wie mich, handelt es sich bei 48 Rentnern (exklusive meiner Eltern) um unbekannte Variablen, die einen gut durchdachten Plan binnen kürzester Zeit zunichte machen können. Weiterlesen

Statistisch unwahrscheinlich

Wir werden nicht grillen. Der Wald, der unsere kleine Hütte umgibt ist strohtrocken und den Funkenflug eines Feuers zu riskieren, ist eine Mischung aus Ignoranz und Dummheit. Mit dem einen oder anderen werde ich darüber noch diskutieren müssen und mich am Ende doch durchsetzen. Die Hitze eines Feuers und die Schönheit einer langsam verlöschenden Glut, gehört zu Abenden, an denen man sich nach dem Sonnenuntergang eine Jacke um die Schultern legt. Jene seltenen Nächte, die die Hitze des Tages gespeichert habe und sie bis weit nach Mitternacht ausdünsten, brauchen kein Feuer. Ihnen reicht ein kleines Teelicht, weil sie im Dunklen besonders schön sind. Weiterlesen

Pizza Diavolo für das Kind

Sind Sie Eltern von Kleinkinder im Krabbelalter oder darunter? Spielen Sie mit dem Gedanken Ihr Goldstück am Wochenende erstmals einem kinderlosen Babysitter zu überlassen? Vielleicht sollten Sie diesen Text dann nicht lesen. Es ist besser, Sie heben sich den Beitrag auf, bis Ihr Kind ein robustes Alter von etwa 25 Jahren erreicht hat. Rückblickend können Sie sich dann für Ihren Mut auf die Schulter klopfen. So wie meine furchtlosen Schwestern, denen ich die Details dieses Erfahrungsberichtes erst heute zumute. Weiterlesen