Che fine hai fatto? Roza

Seit Jahren spiele ich mit dem Gedanken Facebook zu löschen. aum ein Mehrwert und sehr viele Gründe diese Datenkrake mit ihrer fragwürdigen Monopolstellung nicht weiter mit persönlichen Informationen zu füttern. Nur selten poste ich dort etwas. Meine Blogartikel und die Bilder vergangener Lesungen, aber kaum etwas privates. Aus den bekannten Gründen. Und doch bin ich dort noch immer angemeldet und wünsche mir manchmal, dass es all die sozialen Netzwerke und Apps zur Kontaktaufnahme schon gegeben hätte, als ich in Italien lebte. Damals hatte ich weder ein Smartphone noch einen PC. Ich hatte ein kleines Telefonbuch in das ich die Handy- oder Festnetznummern händisch neben dem Namen eintrug. Dem Namen – Singular. In diesem Buch sind Nummern von Lello, Leo, Checo, Francesca, Raffa, Renzo, Nino, Roza und vielen mehr. Alle ohne Nachnamen. Die Namen wurden im Zug, am Strand oder am See so schnell eingetragen, wie man sich kennen lernte. Der Gedanke, dass die meisten ihre Handynummern in den kommenden Jahren ändern könnten, kam mir nicht, als ich zurück nach Deutschland ging. Wie dumm, von meinem jungen Ich, so gedankenlos gewesen zu sein. 95 % meiner Bekannten aus der damaligen Zeit habe ich deshalb aus den Augen verloren. In den ersten Monaten zurück in Deutschland passierte so viel, dass ich mich nicht bei allen regelmäßig meldete. Schon zwei Jahre später waren die meisten Nummern schon nicht mehr gültig und die E-Mail Adressen, die meine Bekannten meist selbst mit meinem Bleistift eingetragen haben, unleserlich oder ebenfalls veraltet. Auch meine Handynummer hatte sich geändert. Lello, Checo, Nino und Claudia sind aus meinem Leben verschwunden und es tut mir leid.

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Corona Home Office X

Gestern Mittag habe ich gegen die Wand geklopft, um zu sehen, ob nebenan noch einer ist. Es war ein wenig arg ruhig in meiner Wohnung. Nach zwei Wochen fast ein wenig zu ruhig. Nach 14 Tagen bin ich soweit zuzugeben, dass mir der Krach einer Kollegin fehlt. Einer, die ich sonst im Türrahmen meines Büros stehend frage, ob sie noch alle Tassen im Schrank hat und ob es wirklich nötig ist, die Schubladen in der Kaffeeküche des Büros mit einer Hüftbewegung zu zuknallen. Sie muss gespürt haben, dass sie mir fehlte, den genau zu dem Zeitpunkt wo sie sich sonst ein Brot in der Küche schmiert hat sie mich angerufen und mir die grundlegenden Funktionen vom Teams Videoanruf erklärt.

  1. Die Küchentür im Hintergrund hat geschlossen zu sein, wirkt professioneller.
  2. Die Kamera am Laptop muss ich nicht mit dem „zum direkten Verzehr geeignet“ Aufkleber der Avokado zupappen – sie hat einen Schieber vor der Linse.
  3. Lässt sich die Küchentüre hinter dem Schreibtisch aufgrund des über zwei Wochen gesammelten Altpapiers nicht mehr schließen, kann man den Hintergrund weichzeichnen lassen.
  4. Punkt 3. gilt nur für den Hintergrund und leider nicht für die Person die vor dem Laptop sitzt.

Danke. Auch für das laute Lachen am anderen Ende der Stadt. Nachdem ich die Schubladen und Schranktüren in meiner Küche alle drei Mal laut scheppernd zugeschmissen haben, vermisste ich sie gleich etwas weniger. Ich mag sie nämlich wirklich, weil ich Menschen ohne Filter grundsätzlich sehr gerne habe. Die Kollegen sind noch da. Das ist schön. Um Teile meines Freundekreises mache ich mir mehr Sorgen.

Der beste meiner Freunde ist gerade auf Facebook online und teilt seine neusten Erkenntnisse. Er schreibt, dass er ein Sonnenstrahl an einem bewölkten Tag ist. Er ist wie das Meer, schreibt er, aufregend anzusehen, aber gefährlich, wenn man ihn wütend macht. Es ist kurz vor neun und ich teile unter seinem Post meine neuste Erkenntnis: „Die Ausgangsbeschränkung verleitet uns dazu seltsame Dinge zu tun.“ Anders ist es mir nicht zu erklären, dass auf Facebook gerade Stadt-Land-Fluss mit dem Anfangsbuchstaben des Namens gespielt wird. Ohne zu googeln steht da. Man muss schon ein bisschen nachdenken, damit einem ein Name mit dem Anfangsbuchstaben des eigenen Vornamens einfällt. Geschenkt, wir haben einfach zu viel Zeit. Zeit genug um „Klicke auf deine Geburtsperle und offenbare deinen dominantesten Chrarakterzug“ auf Facebook zu spielen. Ok, der seine ist Stärke. Und er ist ein Sonnenstrahl an einem bewölkten Tag. Das stimmt sogar. Für mich ist er das. Auf meine Geburtsperle (am Rande….was für ein herrliches, bescheuertes Wort….Geburtsperle. Ob man damit bei Scrabble durchkommen würde?) klicke ich nicht, sage ich dem der ab und zu mit einem Glas Wein vor meiner Türe steht am Telefon. Er gähnt und zuckt mit den Schultern (Facetime…) Ich kann ruhig klicken, sagt er. Seit ich Oliver Pocher bei Instragram folge, sei eh schon alles zu spät. Er schläft noch eine Runde und ich denke über seinen letzten Satz nach. Oliver Pocher….das ist nur noch einen Klick von Mario Barth entfernt. Zwei Wochen….langsam wird es eng. Meine Geburtsperle würde mich nun doch interessieren. Kann man da anklicken, ohne das die anderen das sehen?

Erinnert wider Willen

Sicher würde ich mich gerne an den 4. April vor einigen Jahren erinnern, vermutet Facebook und präsentiert mir ein Foto, unter dem mein Name verlinkt ist. An dieses besondere Ereignis, möchte ich mich doch sicher erinnern und es vielleicht mit meinen Freunden teilen, schlägt Facebook vor und weiß nicht, dass ich dieses Bild sicher nicht mit meinen Freunden teilen werde. Es weiß auch nicht, dass seine simple programmierte Software, mich tatsächlich an ein besonderes Ereignis erinnert hat und will nicht wissen, dass ich daran dennoch nicht erinnert werden möchte. Seit Jahren schon kratzt Facebook am Schorf des Zurückdenkens. Es weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis sich diese dünne Kruste gebildet hat und wie leicht sie durch ein dummes Foto wieder Risse bekommt. Es hat keine Ahnung, wie schwer man lernt, Erinnerungen zu steuern und wie vorsichtig man wird, wenn man ihnen noch misstrauisch begegnet und noch nicht gelehrt hat mit zurück gebliebenen Andenken umzugehen. Weiterlesen

Stalker wider Willen

Gäbe es einen Preis für unfreiwillig blödes Verhalten in sozialen Medien, dann hätte ich ihn längst. Nicht einen, sondern alle die regional erhältlich sind, ein paar der nationalen und mindestens einen internationalen. Zu den nationalen gehört zum Beispiel der vor einigen Tagen, als ich mich lautstark über einen nicht funktionierenden Link auf einem befreundeten Blog beschwerte und erst nach Aufklärung kapierte, dass ich zu scrollen übersehen hatte. Auf dem gleichen Blog lies ich mich auch darüber aus, dass eine fehlerfreie Grammatik  bei der Kürze der Beiträge, keine Kunst sei und schaffte es, in meinem – sehr kurzem – Satz selbst einen Buchstaben zu vergessen. Ohne Probleme wischte ich in meiner kurzen Tinder-Laufbahn regelmäßig auf die falsche Seite  und schaffte es auf einer Datingseite ein Blinddate mit meinem besten Freund zu vereinbaren. Auf seinen Bildern war er nur von hinten zu sehen und ich interpretierte die Vertrautheit, die das Betrachten dieses Rückens bei mir auslöste, als gutes Zeichen. Unseren Chatverlauf nutzt er, der mich auf den Bildern von vorne sah, noch heute regelmäßig als Druckmittel. Weiterlesen

Ab nach Haar!

Haben Sie schon einmal versucht, mit einem Kaninchen einen vernünftigen Dialog zu führen? Nein? Dann lassen Sie es. Es wird nicht funktionieren. Nicht, wenn Sie – was ich unterstelle – halbwegs bei Verstand sind. Eigentlich sollte einen ja schon die Konstellation misstrauisch machen. Ein erwachsener Mensch und ein Karnickel führen ein Gespräch. In einem Roman mag hieraus ein charmantes und vielleicht sogar philosophisches Gespräch entstehen. Man muss nur an Alice im Wunderland und das weiße Kaninchen denken. Ganz anders ist es, wenn Sie sich in der realen Welt mit einem Kaninchen auf einen Kaffee verabreden wollen. Dann stoßen Sie schnell an Ihre Grenzen und zweifeln am Verstand. Nicht an Ihrem, an dem des Kaninchens. Weiterlesen

Bitte…(sprechen Sie das Wort in der gewünschten Emotion aus)

Robbie Williams und ich pflegten über lange Jahre ein sehr innige, fast schon intime Beziehung. Zugegeben, sie war etwas einseitig. Aber meine Leidenschaft reichte locker für uns beide. Zum Leidwesen meines damaligen Freundes, der an meinem Verstand zu zweifeln begann, als ich mich in den Tiefen des Internets auf die Suche nach einem 1,85 m großen Pappaufsteller dieses Mannes begab. (Das dieser nicht für unser Schlafzimmer bestimmt war und letztendlich der Grund ist, dass ich heute hier schreibe können Sie  hier nachlesen.) An den Rand der Verzweiflung getrieben habe ich ihn aber erst, als meine bisher geheim gehaltene Leidenschaft in über 250 Kinos weltweit öffentlich gemacht wurde. Weiterlesen

nine eleven

Manche Daten sind unauslöschlich mit einem bestimmten Ereignis verbunden. Viele mit ganz persönlichen Erinnerungen und einige mit Geschehnissen, die eine ganze Generation verbinden. Früher war der 11. September für mich der Geburtstag meiner Schwester und läutete zugleich das Ende der Sommerferien ein. Seit meinem USA Besuch im September 2001 ist der Tag zu einem öffentlichen Datum und zugleich zu einer ganz persönlichen Erinnerung geworden. Ich habe eine Handvoll Menschen kennen gelernt, deren Freundschaft ohne die schreckliche Katastrophe kaum entstanden wäre. Weiterlesen