Sind Sie Eltern von Kleinkinder im Krabbelalter oder darunter? Spielen Sie mit dem Gedanken Ihr Goldstück am Wochenende erstmals einem kinderlosen Babysitter zu überlassen? Vielleicht sollten Sie diesen Text dann nicht lesen. Es ist besser, Sie heben sich den Beitrag auf, bis Ihr Kind ein robustes Alter von etwa 25 Jahren erreicht hat. Rückblickend können Sie sich dann für Ihren Mut auf die Schulter klopfen. So wie meine furchtlosen Schwestern, denen ich die Details dieses Erfahrungsberichtes erst heute zumute.Die jüngere meiner großen Schwestern, sorgte als erste in unserer Familie für Nachwuchs. Knapp über zwanzig machte sie mich zur Tante aus Leidenschaft. Damals war ich überzeugt davon, dass ein wenig gesunder Menschenverstand und die bedingungslose Liebe zu einem Kind völlig ausreichen würden, um als Babysitter die erste Wahl zu sein. Meine Schwestern würden beim Thema Verstand vermutlich gerne Veto einlegen, können es aber nicht, da sie mich freiwillig als Babysitter für ihren Nachwuchs akzeptierten.
Obwohl meine Schwester eine sehr entspannte Mama ist bemerkte ich eine gewissen Nervosität als ich das erste Mal auf Felix aufpassen sollte. Mehrfach zählte sie mir auf, was ich in den kommenden Stunden zu tun hatte. Kind füttern, Kind ins Bett bringen und dann das Buch lesen, das ich mir mitgebracht hatte. Heute bin ich mir sicher, dass sie noch einiges mehr sagte und das Buch nicht extra erwähnte. Damals aber, erschienen mir ihre Hinweise so banal, dass ich nicht wirklich zuhörte. Der Kleine strahlte mich an und ich war sicher, dass wir den Abend ohne Probleme überstehen würden. Ich verabschiedete meine Schwester und machte es mir lesend am Küchentisch gemütlich, während Felix auf dem Boden saß und friedlich glucksende Geräusche von sich gab. Er ließ mich in Ruhe lesen, speichelte herrlich genügsam die Ecken seines Bilderbuches ein und wurde ab und zu von der Katze umgeschubst. Es war ein wunderschöner Abend. Im Kamin knackste das Feuer, die Katze schnurrte, mein Buch war fast ausgelesen und Felix….ja, der war irgendwann zwischen Kapitel 13 und 14 auf dem Teppich eingeschlafen. Babysitten – ein Kinderspiel. Ich nahm ihn, brachte ihn ins Bett und quoll über vor Zuneigung für diesen kleinen Menschen. Zurück in der Küche entdeckte ich die eigentlich nicht zu übersehende Ansammlung kleiner Zettel, die streng nummeriert von der Küchenlampe baumelten. Der Lampe, unter der ich den ganzen Abend gesessen hatte. Zettel 1 – Die Details auf die ich bei der Zubereitung des Fläschchens zu achten hatte. Ein beherztes „Scheiße“ entfuhr mir bei dem Gedanken, dass Felix geringstes Problem eine zu heiße Gute-Nacht-Flasche gewesen war. Der kleine Kerl hatte von mir überhaupt keine Flasche bekommen. Mit den Zetteln in der Hand schlich ich mich in das Kinderzimmer und beugte mich über das schlafende Kind. Hungrig sah er nicht aus. Aber ein bisschen dreckig. Irgendetwas musste er doch gegessen haben, denn in seinen Mundwinkeln klebten ein paar Brösel. Ich strich sie ihm vorsichtig ab. Nicht um das Kind zu säubern, worum auf Zettel 2 gebeten wurde, sondern um zu überprüfen, ob es sich um Katzenfutter handelte. Es waren Kekskrümel. Auch ohne Zettel 3 bemerkte ich einen etwas strengen Geruch und biss mir auf die Unterlippe weil ich ihm weder die Windel gewechselt noch den Schlafanzug angezogen hatte. Schlafende Kinder weckt man unter keinen Umständen – das wusste sogar ich. Wenn sie aber zufällig aufwachen, weil man beim Verlassen des Zimmers über das Xylofon stolpert, dann kann man sie auch gleich füttern, waschen, wickeln und umziehen. Wenn ich ehrlich bin, stolperte ich nicht, sondern spielte mindestens fünf Mal „Alle meine Entchen“ auf dem Blechinstrument, bis er endlich aufwachte und ich meine Aufgaben erfüllen konnte. Als meine Schwester nach Hause kam, schliefen wir beide.
Felix Cousin hat mich erst erdulden müssen, als er schon etwas älter war und ich mit ihm und seinen Eltern Urlaub in Italien machte. Ich wohnte damals dort und nutzte das romantische Abendessen seiner Eltern um mich mit Max enger anzufreunden – ich würde ihn schließlich den Rest seines Lebens begleiten. Während Mama und Papa die Zweisamkeit in einem Restaurant genossen, schlenderten wir über die Piazza und unterhielten uns. So gut man sich eben mit einem Dreijährigen unterhalten kann. Er war erstaunlich munter und ich dachte nur kurz darüber nach, wann er für gewöhnlich wohl ins Bett ging. Wir holten uns eine Pizza, die wir auf dem Balkon aßen und ich stellte fest, dass Max mit seinen knapp drei Jahren genauso gerne scharf isst, wie seine Tante. Max ist knallhart. Wir teilte uns eine Diavolo und linderten das Brennen unserer Lippen mit einer großen Portion Zitroneneis, die wir bei einer zweiten Runde auf der Piazza kauften. Als ich ihn später ins Bett brachte, rochen seine Rülpser nach Pizza, Eis und salzigem Meerwasser. Wie ich schon erwähnte, ist Max hart im Nehmen. Wir tobten an diesem Nachmittag ausgiebig durch die Wellen und ich möchte lieber nicht daran denken, wie viel Wasser er dabei geschluckt hat. Als meine Schwester nach Hause kam, schliefen wir beide.
Anna, die kleine Schwester von Max war noch winzig als ich das erste Mal auf sie aufpasste und ich als Tante bereits etwas routinierter und vernünftiger. In dieser Nacht tobte es eines der letzten Unwetter des Jahres und ich erinnere mich, dass ich mit ihr auf dem Arm vor Max Bett gesessen habe, damit ich da wäre, wenn er von Blitz und Donner aufwachte. Mit Anna auf dem einen Arm und Max an der Hand beobachten wir die Blitze, bis das Gewitter sich legte. Als meine Schwester nach Hause kam, schliefen nur die Kinder. Ich war wach. Pädagogisch eine Niete, aber mit ganz viel Liebe.
Herrlicher Text, einfach schön 🥰
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Danke, dir 🙂
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hätte ich ein kind, ich würds dir sofort anvertrauen. die werden ja auch nicht mit bedienungsanleitung geboren und eltern müssen das alles ja auch erstmal lernen. viel liebe und menschenverstand sind jetzt nicht die allerschlechtesten eckpunkte, die man ansetzen kann beim kontakt mit kindern, finde ich zumindest 😉 und nachdem keines von ihnen sich brüllend nicht mehr beruhigen ließ hast du vermutlich eh alles richtig gemacht 🙂
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Du Süße! Die Eckpunkte sind wahrscheinlich die Basis ;).
Ich hab sicher total viel falsch gemacht. Aber das ist ja das schöne als Tante – man darf es auch und hat ein wenig Narrenfreiheit. Das nichts passiert, darauf achtet man ja eh automatisch 🙂
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eben ❤
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Sie wollen uns jetzt aber nicht sachte darauf vorbereiten .. daß Sie … oder doch ???
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Nein, ganz bestimmt nicht ;). Ich überspringe und werde in ein paar Jahren dann gleich Großtante 😉
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Grins! Du hattest enorm Glück, an solche Goldschätze zu geraten … Aber vermutlich waren sie mit Dir so richtig glücklich und entspannt! LG, Nessy
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Die Kleinen ja – die waren und sind herrlich tiefentspannte Kinder. Aber selbst wenn nicht, wäre ich ja eh nicht objektiv 😉
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