Das Kind aus der Verwandtschaft, das längst kein Kind mehr ist erkundigt sich ob es Dienstag Nacht bei mir übernachten kann. Ich wohne so schön zentral, da bietet sich das – für das Kind – an. Da ich die 40 überschritten habe und meinen Schlaf brauche, passt es mir unter der Woche überhaupt nicht, weil man ja nicht weiß wann das Kind, das kein Kind mehr ist in die Wohnung torkelt und die Klingel benutzt weil die Suche nach dem Schlüssel in den Tiefen des Rucksacks zu anstrengend ist. Nein unter der Woche bitte nicht, da bin ich mittlerweile raus.
Dienstag um 23:00 Uhr schreibe ich meinem Neffen, dem Kind, dass er – sofern er den Zweitschlüssel dabei hat -doch kommen kann. Obwohl es Dienstag ist und obwohl ich mir die Nächte nicht mehr um die Ohren schlagen, bin ich nicht in meinem Bett. Er kann kommen, weil einer meiner Freunde spontan seinen Geburtstag am Tag der Geburt und nicht erst am nächsten Samstag feiert. Um 00:15 schreibt das Kind eine WhatsApp und erkundigt sich ob alles ok ist. Ich lese es erst um 01:20 Uhr und verstehe seine Besorgnis. Schließlich ist schon Mittwoch und seit einigen Jahren predige ich dem Jungvolk, dass ich vor Donnerstag Abend keine Verabredungen annehme, die das Überschreiten des Wochentages beinhalten könnten. Um 02:00 Uhr geht mir das Kind auf die Nerven. Ein letztes Glas trinke ich noch und wenn dann 20 Minuten kein Lied läuft, das mir gefällt, dann fahre ich auch nach Hause. Dass er mich bittet ein Taxi zu nehmen, weil es „echt schon scheiß spät ist“, bringt mich und meine Freunde zu lächeln. So ein liebes Kind und überhaupt, sind die Kinder, die keine mehr sind, ganz große Klasse. Wir bestellen eine allerletzte Runde um auf ihr Wohl anzustoßen.
In der U-Bahn treffe ich zwei meiner Nachbarn mit denen ich bisher noch nicht ein einziges Mal gesprochen habe. Sie sind aus dem Hinterhaus und das ist für mich aus dem Vorderhaus eine größtenteils unerschlossene Welt. Weil einer von ihnen beim Einsteigen in die U-Bahn erst mal gegen die Haltestange rennt und ich völlig deplatziert in Lachen ausbrechen, kommen wir ins Gespräch. Nein, eigentlich gehen wir unter der Woche nicht mehr aus und natürlich trinken wir auch nicht mehr als vielleicht eine Weißweinschorle. An diesem Abend seltsamerweise schon. Jeder von uns in einem anderen Viertel der Stadt aber jeder von uns mindestens ein Glas zu viel. So sitzen wir gackernd der U-Bahn und ich bin froh das dunkle Stück der Straße nicht alleine gehen zu müssen. Meinem Neffen, der mir anbot mich abzuholen kann ich sagen, dass ich nicht alleine bin, sondern zwei Männern getroffen habe, die mich durch das dunkle Stück begleiten. Keine 15 Sekunden später ruf es an, das Kind, um zu fragen ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Ich beruhige es. Kurz bevor wir in unserer Straße einbiegen treffen wir Paul, der aus einem Auto steigt und dämlich grinst. Es ist kalt, windig und es regnet und vielleicht ist genau deswegen diese spontane Begegnung von vier Nachbarn um 3:30 Uhr nachts auf der Straße etwas besonderes. Eigentlich hätte ich ahnen können, dass ich auch Paul noch treffen werde. Der behauptet zwar es seit langem unter der Woche ruhiger angehen zu lassen, scheint den Dienstag aber noch zum Wochenende zu rechnen. Wir gehen zu viert in die Kneipe unseres Hauses die offiziell schon lange und inoffiziell mittlerweile auch schon geschlossen hat, aber wie es sich für eine Giesinger Kneipe gehört bei spontanen Gästen die Stühle wieder runter räumt. Es ist 4:45 Uhr morgens als ich in mein Bett falle. An einem Mittwoch, einem Arbeitstag.
Morgens werde ich von Kaffeeduft geweckt. Das ist nett. Weniger nett, dass grinsend gefragt wird, seit wann ich morgens so fertig und elend aussehen würde. Seit etwa drei Jahren informiere ich das Kind, das keines mehr ist und grinse etwas verlegen. Nein, verkatert ist die Tante nicht, aber unglaublich müde. Zu müde für Kontaktlinsen. Mir wird ein Brot geschmiert und in die Handtasche gesteckt. Großartiges Kind. Als ich überlege, ob es nicht besser ist einen Tag frei zu nehmen, schüttelt es streng den Kopf. Nix, da. Reiß dich zusammen! Doofes Kind. Im Lift treffe ich Paul, der aussieht wie ich mich fühle und winke nur ab, als er etwas sagen will. Hicks, ruft er mir grinsend hinter her und ich erinnere mich dunkel an einen nicht endenden Schluckauf um etwa 04:05 Uhr. Einen Schluckauf den ich vor gerade einmal drei Stunden hatte.
Unter der Woche gehe ich nicht mehr aus. Nur manchmal. Und ausschließlich dann, fühle ich mich so alt wie es in meinem Ausweis steht. Das ist ok.
… Schätzelchen willkommen im Club der central wohnenden *ggg* … für Kaffee ans Bett wäre das auch mein Lieblings Neffe!!!
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Ans Bett dann doch nicht. Aber in der Küche isst auch schon herrlich 😉
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… *g* … bin einfach verwöhnt… und natürlich nicht durch einen Lieblingsneffen… aber Spaß bei Seite, drücke dir alle zehn Daumen für deine Bücher ohne Messe…
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Das ist lieb von dir. Bei mir sind es eher Lesungen die abgesagt werden. Aber die kann man nachholen. Ich selbst habe sogar Glück, weil in den nächsten Wochen erst einmal nichts ansteht außer einer, die wir nachholen werden.🙂
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… das klingt Gut… dein Neffe ist cool 😘🌈🌺
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… hast du mal über eine Lesung per potcast nachgedacht… oder ähnliches… könnte ich mir super vorstellen❣️🌺
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Keine schlechte Idee 👍
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… isch wäre deine erste Abonentin 🧚🏻♀️
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:-*
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Danke Mitzi,
für Deine Schilderung der diversen und intergenerationellen Welten.
Gute Wünsche und Grüße
Bernd
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Gute Wünsche auch für dich!
Liebe Grüße
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danke für den text und für das lachen, das tut mir in all den katastrophenmeldungen hier grade gut. so soll es sein, so muss es sein. manchmal, alle heiligen zeiten ❤ wie wunderbar, dass das kind da war und du dich nicht alleine durch den morgen danach quälen musstest 🙂
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Der Abend hat auch gut getan. Bis zum morgen….da wurde es hart 😉
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das ist immer so 🙂 aber das gute ist, dass wir uns letztendlich meist an den abend und nicht an den morgen danach erinnern 🙂
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Was für ein kluger und richtiger Satz! 🙂
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😉 ich glaube allerdings, dass der nicht ursprünglich von mir ist 😉
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Macht nix 🙂
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Das noch unerschlossene Hinterhaus hat gewiss Potential, da ist ein Anfang gemacht. Wenn du die Nacht noch durchmachen kannst, liebe Mitzi, ist deine Klage über den Kater Jammern auf hohem Niveau. Um 4:45 Uhr bin ich schon ewig nicht aus einer Kneipe gekommen.
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Können, lieber Jules, das müsste man definieren ob ich das noch kann. Ich bin durch den nächsten Tag gekrochen. Obwohl….ne, das lass ich mir nicht nachsagen, ich hab getan als wäre ich fit, aber es war hart 😉
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Jup, hat man nicht oft genug mit blöden Sprüchen (wer feiern kann, kann auch arbeiten! – wie hängt das denn zusammen?) die Jugend genervt? Ihnen die jugendliche Feierlaune mit Sicherheitsbedenken madig gemacht? Irgendwann sind sie so groß, so alt, so erwachsen. Tja, dann können sie sich revanchieren.
Letztlich läufts immer darauf hinaus: die Jugend obsiegt. Völlig automatisch, ohne Zutun, solange der Zeitstrahl in eine Richtung läuft, kann es gar nicht anders sein bzw. ist alles, was dem zuwiderläuft, ein Unglück. Und das ist der Lauf der Welt und das ist gut so.
Solange sie nett zu einem sind ist ja alles o.k.
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Stimmt – solange sie nett sind (und auch recht haben) ist alles ok. 🙂
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