Kann ja keiner ahnen

Auf dem Gebiet Verabredungen mit dem anderen Geschlecht bin ich Experte. Obwohl meine Beziehungen immer recht lange sind und waren, liegt das an wohl daran, dass ich leicht zu haben bin. Leicht zu haben für eine Verabredung – nicht für den Rest. An dem scheitert ein Großteil der Kandidaten. Verabredungen habe ich in Beziehungsfreien Zeiten aber viele. Dem Glück muss man eine Chance geben und die Neugier will gestillt werden. So gelte ich  in meinem Freundes und Bekanntenkreis auch als kompetenter Ansprechpartner für alle Fragen auf diesem Gebiet. Angefangen  vom richtigen Schuhwerk für einen Museumsbesuch über eine Auswahl unverfänglicher Gesprächsthemen bis hin zum Mienenfeld der Kinderfrage – ich gebe gerne und geduldig hilfreiche Tipps. Leider werden diese von einem Großteil meiner Freundinnen ignoriert. Von Claudia nicht. Die hatte mich bisher noch nie um Rat gefragt und ich freute mich sehr ihr zur Seite zu stehen.

Mit ihrem hübschen Hollandrad , ohne Gangschaltung, wollte sie heute mit einem ihr noch fremden Mann an den Deininger Weiher radeln. Eine dumme Idee. Ich erzählte ihr von Jakob. Auch der bestand auf ein erstes Kennenlernen auf vier Rädern und genau die gleiche Strecke. Ich hatte schon schlechte Laune bevor wir überhaupt aus der Stadt draußen waren. Jakob versuchte nämlich penetrant neben mir zu fahren. Ich weiß nicht in welcher Stadt Sie wohnen, aber in München gibt es keine Radwege auf denen sie entspannt neben einander fahren können. Es könnte schon gehen, aber sobald das die, die Ihnen entgegen kommen, auch versuchen wird es eng. Man ist immer am ausweichen oder schreit Fragen und Antworten über die Schulter blickend zu seiner Begleitung. Mücken und Fliegen darf man dabei auch schlucken und hat sie später womöglich zwischen den Zähnen. Jakob gab nach drei Kilometern auf und ich hatte das Vergnügen die nächste Stunde den immer größer werdenden Schweißfleck auf seinem Hemd anzustarren. Claudia warf ein, dass es doch auch weniger befahrene Strecken gibt. Da hat sie recht. Jakob kannte eine solche ebenfalls  und erkundigte sich freudestrahlend ob die nicht schön sei. Ganz toll, stimmte ich ihm mit Mücken zwischen den Schneidezähnen, zu. So viele tolle Wurzeln und die Steigungen…würde man sich nicht so auf den Weg konzentrieren müssen und hätte ich nicht ein zwanzig Jahre altes Klapperrad….dann wäre es ganz, ganz toll. Er rang sich ein Lächeln ab und merkte an, dass hier wenigsten weniger Leute unterwegs währen. Klar, die waren nicht so blöd, hier lang zu fahren. Dachte ich und sprach es versehentlich laut aus. Jakob war hartnäckig. Als sich mein Kopf langsam rot verfärbte und ich begann meinem alten Rad leise murmelnd gut zuzureden, schlug er ein Picknick vor. Claudia dachte an ihr Hollandrad, die Waldwege zum Deininger Weiher und seufzte. Aber die Romantik, warf sie ein. An die dachte auch Jakob.

Ich bin ein Landkind.  Ich werfe mich gerne mitten ins Gras und notfalls teile ich mir eine schöne Lichtung auch mit Ameisen, Feldmäusen und meinetwegen auch Kälbern. Das in seinen sportlich kleinen Rucksack keine Decke gepasst hat, war mir egal. Die hatte ich selbst dabei, dass er unter Romantik aber Prosecco und Erdbeeren als Verpflegung verstand, das gab mir den Rest. Halten Sie mich nicht für undankbar. Schafft es einer, dass ich mit ihm das Sofa teile, dann ist das eine schöne Kombination. Auch auf dem Balkon mit einer Freundin. Aber nach 35 Kilometern immer leicht bergauf, brauche ich ein Käsebrot und eine Flasche Wasser. Mit Jakob wurde es dann doch noch ein schöner Nachmittag. Nachdem wir unseren Durst notgedrungen mit  lauwarmen Alkohol auf fast leeren Magen löschen mussten und ziemlich betrunken waren, radelten wir recht flott durch den Wald zurück. Später, als er mir die Fichtennadeln aus den aufgeschürften Knien pulte und ich die Schramme an seinem Kinn desinfizierte unterhielten wir uns noch ganz gut. Das erzählte ich Claudia aber nicht. Die Chance, dass man sich angeschickert, beim Versorgen der Wunden nach einem synchronen Sturz näher kommt, ist einfach zu gering. Auch von den schönen Abenden im gemütlichen Biergarten am Deininger Weiher berichtete ich nicht. Für eine erste Verabredung ist das zu langweilig. Da muss man zumindest eine Strecke fahren, die für beide unbekannt ist. Den Weiher kennt nun wirklich jeder. Ich riet ihr also so dringend ab, dass sie den Plan aufgab. Großzügig schlug ich ihr dagegen eine wirklich schönen ebene und kaum befahrene Strecke am Isar Hochufer vor. Warum sie keiner fährt, wenn sie so schön ist, fragte mich Claudia noch, war aber begeistert. Ich konnte ihr nicht sagen warum, da ich sie nicht kannte und nur auf Facebook gelesen hatte, dass sie vom Sohn einer Bekannten seinen Freunden wärmstens ans Herz gelegt wurde.

Ich weiß jetzt, warum auf meiner empfohlenen Strecke so wenig los ist. Heute, in Gedanken bei Claudia, bin ich eben diese Strecke nach Hause geradelt. Das heißt….ich radelte immer wieder kurze Abschnitte. Den Großteil der Zeit habe ich mein etwa 25 Kilo schweres Rad über entwurzelte Bäume gewuchtet. Inklusive Äste reichten sie mir teilweise bis zur Brust. Umfahren geht nicht. Rechts geht es steil bergab und links ebenso steil einen Hang nach oben.  Sehen Sie selbst:

Eben habe ich noch einmal nachgelesen. Die Empfehlung des Sechzehnjährigen auf Facebook bezog sich auf Teenager, die ihre überschüssige Energie hier mit ihren BMX Rädern abbauen konnten. Nach dem Sturm vergangenen Freitag sei das ein besonders herausfordernder Parcours.

Ans Telefon gehe ich heute nicht. Erstens weil ich Claudias Telefonnummer auf dem Display erkenne und es für klüger halte, mich für ein bis zwei Jahre tot zu stellen und zweitens, weil ich mein aufgeschürften Arme und Beine behandeln muss. Mein Rad haben mir zwei freundliche Jungs über einen Großteil der Bäume getragen, aber ich habe mich beim Klettern etwas blöd angestellt. Bin ich froh, dass mich keiner gesehen hat. Als Expertin, im Bereich Verabredungen stehe ich weiterhin gerne zur Verfügung. Eigentlich ist der Weg zum Deininger Weiher doch ganz nett.

 

 

 

 

 

20 Gedanken zu “Kann ja keiner ahnen

  1. Sehr amüsant, liebe Mitzi! Eine Erfahrung hätte ich hinzuzufügen: Ich war auch mal zum Radfahren verabredet, im Frühherbst zur Rübenzeit. Der Radweg war schlammig von Traktorreifen, sie stob voran, glitt aus und kam zu Fall. So schnell konnte ich nicht bremsen und hinterließ bei ihr mit meinem Vorderrad einen bleibenden Eindruck. Das war der Beginn einer siebenjährigen fatalen Beziehung.

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