Besuchen´S doch mal das Literaturhaus. Dort finden Sie Sätze, wo Sie sie nicht vermuten.

Nie hätte die Überschrift der Gefundenen Sätze besser gepasst als zu den heutigen Fundstücken. Lese ich ein Buch, rechne ich damit den einen oder anderen schönen, unschönen oder interessanten Satz zu finden und halten die Augen offen. Obige Perlen überraschten mich. Diese Sätze habe ich nämlich  gefunden ohne sie überhaupt gesucht zu haben.

„Friß nur!
Mensch, friß und sauf!
Wir hängen sowieso schon halb am Galgen!“

Obig las ich nachdem ich die letzten Saucenreste der weltbesten Pasta aus dem Suppenteller in der Wohnung des besten meiner Freunde auskratzte.

Ich kratzte gleich ein bisschen vorsichtiger, weil man gefundene Sätze nicht mit dem Löffel malträtieren sollte. Zumindest nicht, wenn sie einen ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern und man sich satt und zufrieden über das literarische Dessert freut. Satt legt man den Löffel dann besser zur Seite und lehnt sich still zurück. Das Zitat und all die anderen Sätze, die man auf diesem Geschirr finden kann, bilden ein kleines aber gewichtiges Denkmal für Oskar Maria Graf, dessen Bücher 1934 von den Nazis öffentlich verbrannt wurden. Manch einer mag es unpassend finden, sie auf Geschirr zu drucken und mit Sauce und Pasta zu beschmutzen. Mir gefällt es. Deshalb habe ich den Teller auch selbst, in die Wohnung des Besten meiner Freunde gebracht und es bis vor einigen Tagen ganz vergessen.

Obwohl der Teller so einsam auf den Tisch steht und man glauben möchte, dass er heimlich entwendet und aus der Mitte seiner Artgenossen entführt wurde, ist das nicht der Fall. Ich habe ihn in der Brasserie des Literaturhaus in München käuflich erworben und anschließend verschenkt. Wäre das Villeroi und Boch Geschirr nicht so teuer, würde ich nur davon essen. Weil es das aber ist, bekommt der Beste alle paar Jahre ein Einzelstück und ich besuche regelmäßig das Literaturhaus. img_3251-1Wegen der wechselnden Ausstellungen und Lesungen, weil die Hausgötter Oskar Maria Graf und Thomas Mann von mir sehr geschätzt werden und eben wegen der gefundenen Sätze. Angefangen hat es mit einem besonders schönen Bierdeckel, auf dem mein Weißweinglas stand. Schaun´S! Ist der nicht klug beschriftet? An diesem Abend, an dem halb München vor den Cafes und Bars auf der Straße saß, war tatsächlich noch viel zu machen.

Man muss ja nicht der direkten Aufforderung auf der Untertasse folgen. Dort legt man den Löffel ab und liest: „Mehr Sexualität, die Herrschaften!“ Man kann auch nur entspannt seinen Cappucchino trinken und wenn man mag, dann hält man seinem Gegenüber die leere Tasse hin. Da steht dann: „Mehr Erotik, bitte!“ Die Tasse befand sich in meinem Besitz, bis sie einer, der nicht mehr bei mir ist, missbraucht hat. Er hielt sie mir am Frühstückstisch unter die Nase nachdem er meine Sonntags-Wohlfühl-Kleidung kritisch beäugt hatte. Ich schenkte sie ihm und forderte:

img_3252

(Bild von oskarmaria.com) Danach verebbte unser Geschirrdialog, weil ich mehr von diesem herrlichen Wortgeschirr leider nicht besitze.

Es gibt viele Gründe, das Literaturhaus in München zu besuchen. Die Quiche Lorraine kann ich Ihnen zum Beispiel ans Herz legen. Sie werden erstaunt sein, was sich unter ihr auf den Teller gedruckt befindet.

39 Gedanken zu “Besuchen´S doch mal das Literaturhaus. Dort finden Sie Sätze, wo Sie sie nicht vermuten.

  1. München ist mir schon ein bisschen weit weg, nur um Teller zu kaufen. Allerdings… ich hätte Porzellanfarbe und Pinsel hier. Und ein Zitat von Oskar Wilde im Kopf (den mag ich sehr!):
    „Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen!“
    Ich denke, es passt auf einen Nachtischteller, unter eine schöne Portion Tiramisu. Und auch sonst…

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    1. Das ist perfekt für einen Teller.
      Gute Idee…warum kommst du damit nach Weihnachten? 😉
      Im Ernst…ich hoffe ich denk an deine Idee, wenn ich mal wieder ein Geschenk benötige.

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      1. EIgentlich ist doch VOR Weihnachten. Du hast Monate Zeit, Dir den richtigen Teller auszusuchen… Farbe zu kaufen… einen Spruch zu finden… das schaffst Du schon 🙂

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      2. Ich komm noch mal auf dich zu. Brauche jemanden mit schöner Handschrift…bei meiner würde das ein Ratespiel werden. Ach schön…in elf Monaten ist schon wieder fast Weihnachten.

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  2. Liebe Mitzi!
    Wenn Sie jetzt noch Buchstabensuppe in Ihrem Teller gehabt hätten, wäre das typographische Mahl perfekt gewesen! Doch auch mit solch unaufdringlich lyrischer Untermalung hat das Essen sicherlich vorzüglich geschmeckt 🙂
    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  3. „Mehr Sexualität, die Herrschaften!“ – sehr schön, das läßt mich schmunzeln. Das ist garantiert nicht von Thomas Mann, oder? Das paßt besser zu Oskar Maria Graf. Ich suche immer noch jemanden, die mir erklären kann, weshalb man Thomas Mann lesen sollte. Ich habe es versucht, aber nach anderthalb Romanen entnervt aufgegeben und mir geschworen, nichts mehr von ihm anzufassen. Selbst der „Tod in Venedig“ (mir ist immerhin der schöne, halbzynische Satz in Erinnerung: „Sehnsucht ist nur ein Mangel an Erkenntnissen“) hat mich weniger überzeugt als die Verfilmung. Ich befürchte, Du kannst es auch nicht, oder? Die Zuneigung zu Literatur ist ja meist eher gefühlt, und wenn man erklären soll, warum man ganz begeistert davon ist, findet man nur Worte, die eher kläglich klingen, so geht es mir jedenfalls meistens.
    So eine Untertasse, mit dem Spruch als Aufforderung an mich selbst, würde mir gefallen – vielleicht bastel ich mir eine.;-)

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    1. Für Thomas Mann muss man so eine Stimmung haben, vielleicht ist es ein Zeichen geistiger Gesundheit, wenn man auf seinen Stil nicht anspringt. Ich hatte mal eine Phase und mochte damals seine ewig langen Schachtelsätze sehr. Bei Tod in Venedig habe ich mich sowohl beim Buch als auch der Verfilmung gefragt, ob das Leben begüterter Damen damals wirklich so öde war, oder ob die eine andere Wahrnehmung hatte und das interessant fanden.

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      1. Ja, vermutlich. Vor einiger Zeit habe ich mal einen Text darüber gelese, in dem es am Beispiel einer realen, dokumentierten Begebenheit um die Gefühlswelt der Menschen im 19.Jh. ging. Darin wurde beschrieben, dass die Werte damals so anders gewesen seien, dass die Menschen tatsächlich auch anders gefühlt hätten. Das fand ich einen interessanten Denkansatz.

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      2. Ich habe das Buch das erste mal in Venedig gelesen, als ich in der Nähe lebte, weil es mir passend erschien. Ich fand es schrecklich. Genauso wie Venedig, das im November an Tristesse nicht zu überbieten ist. Erst später (in ganz anderer Stimmung gelesen) begann ich es zu mögen. Ich glaube man kann Mann sehr gerne mögen, muss aber keineswegs.

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    2. Ich mag Thomas Mann auch nicht so wirklich (obwohl die „Buddenbrooks“ bei meiner Oma im Regal standen!). Aber was interessant ist, sind die Bücher über(!) sein Leben und seine Familie. Vielleicht ist das eine Alternative: „… Thomas Mann? Klar, finde ich toll. Wussten Sie, dass er im Jahre 1904…“ – kommt doch sehr gebildet rüber…

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      1. Bei Deiner Oma! Und dazu dann noch das Insiderwissen von 1904 – da braucht man wirklich keine Zeile gelesen zu haben, um als Expertin zu brillieren. Ich hatte leider nur mal ein Buchclublizenzexemplar der Buddenbrooks in der Hand, das ist irgendwie proletarisch-anrüchig, damit kann man keine Abendgesellschaft beeindrucken. Immerhin weiß ich, daß man im Nachlaß seines Bruders Heinrich selbstgezeichnete pornografische Bildchen gefunden hat. Ich befürchte aber, daß ich damit, statt Eindruck zu schinden, peinliches Wegsehen und Themenwechsel hervorrufe. Aber, um das wettzumachen, ich habe mal einen Abschnitt Aristoteles gelesen …

        Im Ernst: Die Romane von Heinrich und Klaus Mann habe ich wirklich gern gelesen, richtig gute Unterhaltung, von der akademischen Literaturkritik aber eher verschmäht. Wenn Literatur zu unterhaltend ist, gilt der Autor in der deutschen, sich ernstnehmenden Kritikerzunft nicht viel. An Thomas Mann hatte ich hohe Erwartungen, aber was sich bei mir einstellte, war – Langeweile.

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      2. Mich würde dein Wissen über Heinrich Mann durchaus interessieren. Ich besitze allerdings auch eine paar Ausgaben vom Literatur Nobelpreisträgern auf deren Einband steht, dass sie von der BILD Zeitung heraus gegeben wurde. Damit werde ich zu Abendgesellschaften eh nicht eingeladen 😦

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      3. Ich hab Oma nie gefragt, ob sie sie Buddenbrooks überhaupt gelesen hat. Ich habe da so meine Zweifel. Denn direkt daneben stand das Machwerk eines größenwahnsinnigen Diktators mit Schnauzbärtchen, das sie 1942 zur Hochzeit geschenkt bekommen hat. Definitiv ungelesen. Aber Bücher schmeißt man ja nicht weg, nicht wahr? (Und dieses spezielle Buch hatte mit Sicherheit einen hohen Sammlerwert).
        Ich glaube, 1904 hat Thomas Mann seine Frau kennen gelernt. Sollte Aristoteles Dich mal verlassen, kannst Du diese Information jetzt immer weiter geben.
        Übrigens finde ich die pornografischen Bildchen spannender. Sollte mich mal jemand auf einer Party darauf ansprechen, weiß ich, dass Du es bist. Sollte Dein Gegenüber nicht peinlich berührt weg gucken, sondern interessiert fragen, ob Du eins der Bilder auf Deinem Smartphone hast – dann bin ich es…

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    3. Der Satz ist von Graf. Und du ahnst es schon, ich kann dir keinen Grund nennen, warum du gerade Thomas Mann lesen sollst. Ich würde es gar nicht erst versuchen, wenn du schon etwas von ihm gelesen hast und es dich nervte. Warum auch? Vielleicht war es die falsche Stimmung für Mann, vielleicht ist seine Art einfach nicht das deine. Und ganz besonders vielleicht hat Tanja nicht unrecht damit, dass man sich eher sorgen muss, wenn man ihn begeistert verschlingt. Ich mag ihn. Sehr. Aber ich muss in der richtigen Stimmung sein, sonst bekomme ich schlechte Laune.

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  4. wenn ich mal wieder in die bayrische hauptstadt komme, werde ich mir das zu herzen nehmen. diese idee gefällt mir nämlich sehr!
    sag mal… ist mein päckchen schon bei dir eingetrudelt? wenn nicht bin ich langsam besorgt!

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    1. Mach das, es ist einen Besuch wert.
      Gestern ist es gekommen. Ich war auch schon ganz gespannt und hätte am Wochenende vorsichtig nachgefragt…nicht das es einer meiner Nachbarn im Briefkasten hat. Es hat mich gestern Abend schön begleitet 🙂

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  5. Sätze und Sentenzen auf Geschirr, finde ich toll. Leider habe ich nur eine Tasse mit Aufschrift. Sie ist von der FAZ und drauf steht „Mehr Wirtschaft.“ Ob ich je nochmal nach München komme und das Literaturhaus aufsuchen kann, um meinen Bestand zu erweitern. Dein Bericht lässt mich wünschen, liebe Mitzi. Anderseits – man kann nicht alles haben, aber gut, von fremden Welten zu erfahren – und bei dir ist’s ja mehr als Porzellan mit Sprüchen, sondern hübsch eingebettet in Geschehen.

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    1. „Mehr Wirtschaft“ – das wäre ein interessanter Kontrast an einem Frühstückstisch mit einem Paar, das aus diesen unterschiedlichen Tassen trinkt. :).
      Falls es dich noch einmal nach München verschlägt, lieber Jules, lass es mich wissen!

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  6. Heute habe ich ohne Zuhilfenahme eines Bestecks meine Pasta aus der Schuppenschüssel gefuttert, damit ich die Inschrift nur ja nicht unnötig beschädige. Für die Anwesenden war dies eher ein peinlicher als ein ästhetischer Anblick.
    Leider war der Tellerboden leer …

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