Bitte nur mit Bademantel

Kennen Sie das verschmitzte Grinsen von Michel aus Lönneberger in der Fernsehverfilmung des Astrid Lindgreen Romans? Dann können Sie sich vorstellen, wie mein Vater gut vierzig Jahre später schmunzelte, als ich ihn fragte wo zum Henker wir hier eigentlich gelandet waren. Eine halbe Stunde zuvor beobachtete ich am Beckenrand stehend, wie mein Vater im Wasser einer Therme – halb treibend, halb schwimmend – von mehreren Frauen gleichzeitig langsam eingekesselt wurde. In dieser, eines Dokumentarfilms würdigen Szene, war mein Vater ein putziges, aber durchaus stattliches Tierchen, das sich, keiner Gefahr bewusst, genüsslich im Wasserloch räkelt, während sich die Hyänen langsam aber stetig von allen Seiten nähern. Am Beckenrand stehend hatte ich einen guten Überblick und beobachtet, leicht verstört das Jagdverhalten der Badegäste. Verstört, da sich in der Regel sich nur meine Mutter an meinen Vater heran pirscht und das meist weder raffiniert unauffällig, noch schleichend und schmeichelnd, sondern schlicht und einfach durch das Betreten eines Raumes ihrer gemeinsam genutzten Wohnung. Hier aber rotteten sich Frauen zusammen, bei denen sofort meine Alarmglocken schrillten. Weniger weil ich mir Sorgen um die Standhaftigkeit meines Vaters machte, sondern vielmehr weil ich Frauen, die solche Badekappen tragen, alles zutraue. Auch einen Kampf um Leben um Tod. Und genau das spielte sich in den Becken dieser Therme ab: Kämpfe. Die Weibchen balgen sich um die wenigen Männchen, die es geschafft hatten Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder zu überleben und jetzt noch ohne fremde Hilfe in die Becken steigen konnten. Viele waren es nicht Der Anteil an Männern dürfte in etwa so hoch wie in einem Hebammenlehrgang im vorherigen Jahrtausend gewesen sein. Meinen väterlichen Michel aus Lönneberga, im Wasserloch schien es nicht zu stören.

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