Nett. Wirklich nett.

Herbstgraufeuchtwindigtrüb ist es heute, ruft einer vom Küchenfenster zu mir ins Wohnzimmer. Hier auch, antworte ich nach einem Blick durch das Wohnzimmerfenster und verdrehe die Augen, als mir mitgeteilt wird, dass dies zu erwarten war. Ein Päckchen Taschentücher fliegt durch den Raum und weil ich keine Lust habe, es zu fangen, fällt es neben dem Sofa auf den Boden. Der Werfer bewaffnet sich mit einem weiteren Päckchen und ich frage ihn, ob er es mir nicht lieber bringen möchte. Er schüttelt den Kopf, wirft es – sanft immerhin – in meinen Schoß und greift nach seiner Jacke. Er geht ins Herbstgraufeuchtwindigtrübe Wetter zu sich nach Hause, sagt er und als ich wissen möchte warum, antworte er mit einem Schulterzucken. Was soll ich hier noch, fragt er und ich finde, dass er mich ja noch etwas länger mit seinem Charme erfreuen könnte. Er überlegt und schüttelt den Kopf. Besser nicht übertreiben, meint er und ich erkläre ihm, dass ich neben seinem Charme, sein unerschütterliches Selbstvertrauen besonders gern habe. Verständlich sagt er, drückt mir einen Kuss auf die Stirn, wünscht gute Besserung und verschwindet.

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Wiesn Katarrh

In unserem Treppenhaus stinkt es. Obwohl…eigentlich ist das nicht richtig. Eigentlich riecht es vor den Wohnungstüren verführerisch und feine Düfte ziehen durch das Treppenhaus. Das Erdgeschoss begrüßt den Bewohner mit kräftiger Kohlsuppe. Nach all der Völlerei während des Oktoberfestes ist ein kräftiges und zugleich entschlackendes Süppchen genau das richtige. Man kann die Kneipe, die sie auf die Karte gesetzt hat, durchaus verstehen. Mindestens genauso verständlich ist, dass der Wirt auch nach neun Monaten noch keinen neuen Filter in den Dunstabzug seiner Küche eingebaut hat. Warum auch? Das kostet sicher und viel einfach ist es, einfach die Küchenfenster zu öffnen und dem Innenhof plus unterer Stockwerke via Küchendämpfen mitzuteilen, was es heute zu essen gibt. Seit etwa einer Woche Kohlsuppe. Wahrscheinlich auch anderes, aber der penetrante Geruch von stundenlang gekochtem Kohl überlagert alles. Fast alles. Im ersten Stock riecht es weniger nach Kohl, dafür aber extrem intensiv nach Zwiebeln. Leider nicht nach dem feinen Duft, kleingeschnittener Charlotten, die in einer Pfanne mit Butter langsam angeschwitzt werden und einem das Wasser im Mund zusammen laufen lassen. Nein, der Zwiebelduft, der aus Herrn Meiers Wohnung dringt ist hart an der Grenze des erträglichem. Ein jeder weiß, dass gegen hartnäckigen Husten am besten ein Zwiebelsud mit reichlich Honig hilft. Ein jeder riecht aber auch, dass Herr Meier da irgendwas falsch verstanden haben muss. Dem Geruch nach hat er drei bis vier Kilo scharfer, weißer Zwiebeln grob zerhackt und in großzügig in der Wohnung verteilt. Nach einem Aufguss mit Honig oder Kandiszucker, der den pentranten Zwiebelgeruch etwas abmildern könnte, riecht hier jedenfalls nichts. Und zu helfen scheint es auch nicht, weil Herr Meier hustet. Und das laut und ausdauernd. Kein Wunder, er hat wie fast jeder den München den Wiesn Katarrh – die typische Erkältung in der Woche nach dem Oktoberfest, die ganze Viertel ereilt und in ihrer Heftigkeit den gefürchteten Männerschnupfen noch bei weitem übersteigt und beide Geschlechter heimsuchen kann. Damit er den nicht alleine hat, hustet Herr Meier gerne im Treppenhaus und da vorzugsweise im Aufzug, damit er auch möglichst vielen Nachbarn zeigen kann, wie schlecht es ihm geht. Ich nehme seit ein paar Tagen die Treppe und versuche möglichst nichts anzufassen, an dem bereits die Hustenhand von Herrn Meier gewesen ist. Weiterlesen

Gar nicht profane Wurzel

Was ist das unerotischste Wort, das Ihnen einfällt? Nein, sagen Sie es mir bitte nicht. Ich mag unerotische Wörter nicht. Natürlich haben sie ihre Daseinsberechtigung. Alles was existiert, muss benannt werden können. Aber manches nur im äußersten Notfall. Ich mag seinen Schleimlöser nicht, sage ich dem, der vor meiner Tür steht und erkläre ihm, dass dieses Wort schrecklich unerotisch ist. So unerotisch, wie meine röchelnde Stimme, erwidert er und schiebt sich an mir vorbei in die Wohnung. Weiterlesen