Anstrengendes Sommer-ich

Unverschämt sei ich, sagt der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht. Er hat nicht unrecht und weil er lacht, während er es sagt, darf er es wiederholen. Es ist unverschämt, so sehr den Sommer zu genießen wie ich es tue. Ich arbeite, das ja. Aber ansonsten genieße ich. Er tippt eine an irgendwelchen Studien und ich halte die nackten Zehen in die Sonne vor seinem Dachfenster. Mit einer Weinschorle in der Hand. Unverschämt murmelt er als ich mich wegen des schwindenden Sonnenflecks verabschiede und in die Küche gehe um meine Zehen dort in die warmen Strahlen zu halten.

Anstrengend sei ich, sagen die Kollegen. Und weil sie wegen mir bereits mehrfach dieses Jahr ihre Urlaube verschieben und mich reihum vertreten mussten, dürfen sie das sagen. Ich hopse durch die Flure. Das ist anstrengend, besonders weil meine gute Laune angesichts unseres derzeitigen Arbeitsvolumens unangebracht erscheint. Dass sie alle Lächeln freut mich. Ich stecke sie an. Wenn einer hopst, kann man keine schlechte Laune haben. Das ist wie mit Pinguinen. Die kann man nicht watscheln sehen, ohne zu schmunzeln.

Ganz toll, schreibt der mutigste meiner Freunde sarkastisch als ich ihm einen Screenshot schicke der zeigt, dass bei ihm in Italien und bei mir in Deutschland gerade 33 Grad sind. Weil er einen wutschnaubenden Smiley anfügt, verzichte ich darauf ihm zu schreiben, dass ich das fantastisch finde und meine Zehen jetzt bestimmt schon so braun wie die seinen sind.

Nur meine Mutter die Bilder von einer Wanderung schickt, frage ich ob es nicht etwas zu warm ist. Ist es nicht. Sie geht im Schatten und trägt wie ich die Sonne im Herzen.

Ich würde Ihnen so gerne so vieles erzählen und mache mir doch nur Notizen. Meine Beine hängen aus Fenstern, meine Finger pflücken Erdbeeren und ich muss den Tomaten auf meinem Balkon beim Wachsen zusehen. Und Herzklopfen muss ich auch haben. Wegen einem der seine Beine zu meinen aus den Fenstern hängt, wenn die Sonne untergegangen ist und wegen der dritten Brenner Überquerung in ein paar Wochen.

Spontan sei das schon gewesen, sagt meine Freundin und ich bin froh, dass sie es mir nicht übel nimmt das ich ihr „können ja mal schauen“ zum Anlass nahm, uns ohne Rücksprache neun Nächte auf einem Hügel mit Meerblick in Ligurien einzubuchen und ihren Resturlaub und ihr Auto zu verplanen. Es ist Sommer. Da bin ich manchmal anstrengend. Und weil ich das weiß ist es auch ok, dass Freund, Kollegen und Freunde mich immer öfter bitten, mich doch einfach raus zu setzen und der Tomate beim wachsen zuzusehen. Da gehe ich ihnen nicht auf die Nerven.

Wenn Sie mich suchen…ich bin bei den Tomaten.

29 Gedanken zu “Anstrengendes Sommer-ich

  1. Liebe Mitzi,
    schön, wie Du das Sommer-Ich genießt. Du lässt Dich nicht beirren von den Feedbacks „Unverschämt“ im privaten Umfeld oder „Anstrengend“ auf der Arbeit sondern weißt, den Sommer zu genießen, was für die Leser*innen-Gemeinde und mich sich lustvoll liest beim Lüften der Zehen-Zwischenräume.
    Sommerlich grüßend
    Bernd

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  2. Liebe Mitzi, hier mit deiner Hitzeliebe unterscheiden wir uns mal. Ich hätte deinen Satz: „Pinguine kann man nicht watscheln sehen, ohne zu schmunzeln.“ abgeändert in „…, ohne auch zu watscheln!“
    Zwei Tage ist es gerade mal ein wenig kühler hier – ich genieße so wie du die Wärme genießt. Aber am Sonntag soll es schon wieder hammerhart vom Himmel scheinen – und in einem Bad ist es ja vor lauter Menschen kaum auszuhalten, also wieder Badewannenbad.
    Lasse dir trotzdem von solchen Kommentaren wie meinem deine Lachlaune nicht verderben!
    Herzlich Clara

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  3. Liebe Mitzi!

    Ich hoffe, ich habe Sie gestern Nacht nicht gestört, als ich schmatzend bei Ihren Tomaten gestanden bin und sie allesamt vertilgt habe. Traumhaft lecker 🙂
    Bei Ihnen gedeiht einfach alles.

    Herzliche Sommergrüße
    Mallybeau

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      1. Hihi, blöd dass ich im Dunkeln vorbei gekommen bin. Sonst hätte ich natürlich gesehen, dass die Tomaten noch grün sind und hätte mich hinterm Schrank versteckt, bis sie saftig rot sind 🙂

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  4. Die Grenze der erträglichen Hitze ist bei jedem Menschen unterschiedlich.
    Sagt der Trump: „Wir schicken ein bemanntes Raumschiff zur Sonne, um die zu erkunden!
    Fragt der Putin:“Ist es da nicht ein bisschen zu heiß?
    Sagt der Trump:“ Nö, wir landen ja nachts!

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  5. Also deine Gene will ich haben, glaubst du ich könnte mir da ein wenig von deinem Erbgut klauen. Dürfste bestimmt nützlich in der Zukunft werden, ich meine mit der Klimaerwärmung sind “Warmblüter” oder Wechselwarmetiere eindeutig im Vorteil 😛

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