No!

Wenn ich Sie in den nächsten Tagen wieder erst mit Herzklopfen und Fernweh nerve, anschließend ein paar Tage untertauche und Sie dann mit sentimentalen Erzählungen über Freundschaft und dem für mich schönsten Land überschütte, dann sehen Sie mir das bitte nach.

Wie letztes Mal…da müssen Sie durch. So wie ich durch die letzten Vorbereitungen und bei denen handelt es sich nicht um die Auswahl passender Schuhe. Michi, der mutigste meiner Freunde, neigt nämlich noch immer dazu mich spontan und unerwartet mit den Tücken der italienischen Sprache zu konfrontieren. Nicht, dass er mich in besonders unangenehme Situationen brächte, das nun wirklich nicht, aber nach so vielen Jahren reicht es, mir einen Italiener vorzusetzen, dem man gesagt hat, ich würde ihn schon verstehen. Verstehen ist auch nicht das Problem. Aber ein Gespräch wird etwas einseitig, wenn die kleine blonde Frau am Tisch zwar alles versteht aber immer nur lächelt und höflich nickt, weil der Teil ihres Gehirns in dem all das Italienisch gespeichert ist zunehmend länger braucht um aufzuwachen. Mir selbst, wäre das gar nicht aufgefallen. Ich verlasse mich gerne darauf, dass der mutigste meiner Freunde, schon eingreifen wird, wenn ich zu lange brauche. Er macht das nicht wirklich gerne, aber wenn wir in einem Restaurant sitzen und ich den Kellner über lange Sekunden nur anlächle, dann ergreift er das Wort. Ich glaube es ist ihm einfach unangenehm, weil das Lächeln, das ich lächle während ich nachdenke, von Männern gerne missverstanden wird. Er, der mir sonst nie ins Wort fällt, tut es auch mit einem lauten „No!“ wenn ich im Begriff bin etwas völlig falsches zu sagen. Kurz, wenn es hart auf hart kommt, dann kann ich auf ihn zählen. Weil ich aber gerne selbst wieder mehr erzählen würde, habe ich in den letzten Monaten ordentlich Gas gegeben. Ich habe mit den Arbeitskollegen von früher viel telefoniert, Filme grundsätzlich nur auf Italienisch angeschaut und mir meine alten Grammatik Bücher zur Brust genommen. Nach alldem, fühlte ich mich gewappnet wieder so fließend wie früher zu plappern. Wenn man sich, in einer Sprache dann wieder so sicher fühlt wie ich jetzt, dann ist es eine wunderbare Gelegenheit Handwerker in der Wohnung zu haben die kaum deutsch, dafür aber fließend italienisch sprechen. Für Übungszwecke, ganz hervorragend geeignet. Besonders für mich die auf diesem Gebiet einiges gut zu machen hat.

Als ich vor vielen Jahren nach Italien gezogen war hatte ich ein Problem mit der Toilettenspülung. Das Telefonat als ich den Klempner anrief, ist mir noch heute in guter Erinnerung, besonders das Lachen am anderen Ende der Leitung. Bis heute ärgert es mich, dass ich mich damals so schlecht verständlich machen konnte. Es war für mein Selbstwertgefühl also ganz wunderbar, dass ich diesem armen italienischen Handwerker in seiner Muttersprache  sagen konnte wo in meinem Badezimmer es hapert. Obwohl, ein bisschen Deutsch konnte er schon. Eigentlich sprach er sogar fließend deutsch und ist vielleicht sogar in Deutschland geboren. Aber man hörte das er aus Italien kam. Fast. Um ehrlich zu sein, hörte ich es nur weil er ein kurzes Telefonat in der Sprache führte. Aber ich hatte etwas gut zu machen und Lust italienisch zu sprechen. Virtuos und wirklich sehr sehr fließend, erklärte ich ihm, woran es bei meinen Armaturen haperte. Kurz musste er warten, weil ich das Wort „Mischbatterie“ nachschlug, aber dann konnte ich ihm genau sagen, was an eben dieser nicht stimmte. Nur eine Kleinigkeit. Er, der Handwerker, sah das anders und bestand darauf, das Wasser abzustellen bis er am nächsten Tag mit einem entsprechenden Ersatzteile vorbeikommen würde. Im Nachhinein ist mir bewusst, dass unser Gespräch wohl ein wenig seltsam gewesen sein muss. Eine Deutsche, die freudestrahlend Italienisch spricht und ein vermeintlicher Italiener, der stur auf deutsch antwortet. Wie bizarr es tatsächlich gewirkt haben muss, würde mir erst bewusst, als mein Nachbar Paul ein für ihn abgegebenes Paket bei mir abholte. Ich drückte es ihm in die Hand während ich dem deutsch sprechenden Italiener, der womöglich doch Deutscher war, auf Italienisch erkältet, dass er mir das Wasser noch nicht sofort abstellen dürfe. Nicht, bevor ich ein einen Eimer hätte. Egal ob Deutscher oder Italiener, manche Männer können schon echt blöd schauen. In meinem Fall hatte ich gleich zwei der Sorte rumstehen. Der eine, Paul, stand mit einem Paket in der Hand auf der Türschwelle und sah mich entgeistert an, der andere, der Handwerker stand in der Tür des Badezimmers und blickte ähnlich verständnislos. Den Blick des Handwerkers könnte ich vielleicht sogar noch nachvollziehen, da mir das Wort für Eimer nicht einfiel und ich ein wenig improvisieren musste. Verstehen hätte er mich aber dennoch müssen, da es doch völlig klar ist, dass man keine 24 Stunden ohne Wasser auskommt. Warum mich aber Paul so blöd ansah, das verstand ich nicht. Meine Erfahrung mit Männern lehrte mich, dass man nicht unbedingt jeden blöden Blick hinterfragen muss. Ich ignorierte beide und wiederholte dass ich unbedingt ein paar Eimer brauchen würde. Ich sagte Kannen weil mir Eimer nicht einfiel. Versteht man aber sicher trotzdem. Dem Handwerker war das egal. Er ging und drehte mir im Keller das Wasser ab. 

Am Abend kam Paul vorbei und brachte mir zwei Eimer und zwei Flaschen Wasser. Süffisant grinsend stellte er sie ab und teilte mir mit, dass Eimer auf italienisch secchio heißen würde. Die Gießkanne sei annaffiatoio. Schmunzelnd schob er sich an mir vorbei und stellte die Eimer in den Bad und die Flaschen in die Küche. Mein Italienisch sei gar nicht mal so schlecht und es hätte ihm gefallen, dass ich mich um fehlende Worte anscheinend nicht groß scheren würde. Nur meine „canna“, meinte er laut lachend, das sei komplett falsch gewesen, denn so bezeichnete man umgangssprachlich einen Joint. Seine Mutter sei Italienerin klärte er mich auf und bot mir, sein Rhett Butler Lächeln lächelnd, an, künftig gerne für Übersetzungen zur Verfügung zu stehen. Ich hab ihm die Nase vor der Tür zugeschlagen und mich später dafür entschuldigt. Wenn der Handwerker morgen kommt, werde ich Paul bitten, in meiner Wohnung auf ihn zu warten. Nicht, wegen möglich Sprachprobleme, sondern weil es mir wirklich sehr unangenehm wäre, dem Mann noch einmal zu begegnen. Wenn ich Paul glauben darf, sagte ich nämlich leider nicht, dass ich eine Kanne fürs Wasser brauchen würde, sondern lediglich, dass „ich jetzt wirklich einen Joint gebrauchen könnte“. Ich bat Paul künftig einfach laut „No!“ zu schreien, wenn ich so einen Mist erzähle. 


 


			

14 Gedanken zu “No!

  1. Wunderbar geschrieben, ich musste herzlich lachen und erinnerte mich an meine Zeit in Italien. 😄 Das wichtigste Wort in jeglichen Lebenslagen für Behälter (und das kann man immer Verwenden, egal ob du Tupperdose od. Eimer sagen willst) habe ich dort auch gelernt: un contenitore.

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  2. Herrlich, Fräulein Mitzi! Solche Versprecher garantieren echte Junilachanfälle und das selbst aus der bloßen Erinnerung für die Jahre danach… da fühle ich mich gleich an meine eigenen Spanisch-Stilblüten-Wortverwechselungen erinnert, über die ich auch immernoch lachen kann obwohl es Jahre zurück liegt…
    Sei herzlich gegrüßt!

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  3. Ich stelle mir die Italiener als sehr tolerante Menschen vor.
    Aber es gibt Länder, wo die Benutzung eines „falschen“ Wortes eine schlimme Beleidigung sein kann, die nicht amüsiert aufgenommen wird.
    Wenn man so etwas schon erlebt hat, wird man vorsichtig, was allerdings die Lerngeschwindigkeit verlangsamt.

    Liebe Mitzi,
    Sie haben sich nicht nur gut vorbereitet, sondern fahren auch in „das richtige Land“ – da kann nichts schief gehen! 😉
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, es war wohl eines der harmloseren Fettnäpfchen und dem armen Mann war es egal ob ich auf der Suche nach einem Joint oder etwas völlig anderem war.
      In Italien im Süden gibt es auch Bezeichnungen bei denen weniger Spaß verstanden wird. Gerade wenn es um Nord oder Süd geht zum Beispiel. Aber Sie haben recht, Italiener sind deutschen gegenüber sehr tolerant und geduldig. Ein großes Glück für mich.
      Herzliche Grüße

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