Kalender Sturheiten

Meine Nachbarin Frau Obst steht im Laubengang vor meinem Küchenfenster und ist damit beschäftigt, die Lichterkette am Geländer abzuwickeln. Ich, die gerade mit den Einkäufen heimkommt, bleibe vor ihr stehen und sehe sie fragend an. Die muss weg, sagt sie und fummelt am Kabel. Oh nein, sage ich mit einem so überdeutlichen Ausrufezeichen in der Stimme, dass auch eine Frau wie Frau Obst versteht, dass ich ihr eigentlich lieber auf die Finger klopfen würde. Einen Moment ist sie irritiert und fragt mich dann, ins bayerische“du“ verfallenend, ob ich spinne. Diese leicht unfreundliche „du“ ist etwas, dass wir Münchner immer dann anwenden, wenn wir die Handlungen einer (auch fremden) Person absolut nicht nachvollziehen können oder wollen. Die bleibt, antworte ich und verwende keine direkte Ansprache, weil eine Frau wie Frau Obst jenseits des bayerischen „du“ liegt.

Heute ist der 29. Januar und die Lichterkette bleibt bis zum 31. Januar, erkläre ich meiner Nichte, die den unfreundlichen Dialog zwischen mir und Frau Obst irritiert beobachtet hat. Es leuchtet ihr nicht ganz ein, warum ich wegen zwei Tagen eine Diskussion beginne und weil ich diskutiere zur Zeit nicht mag, wiederhole ich auch meiner Nichte gegenüber einfach nur, dass die Kette zu bleiben hat. Schließlich sei heute der erst der 29. Januar. Meine Nichte bleibt irritiert, und ich kann es ihr nicht verdenken. Seit sie kein Kind, sondern eine junge Frau mitte Zwanzig ist, hinterfragt sie, die eine oder andere Eigenart ihrer Tante. Ich rechne es ihr hoch an, dass sie das in der Regel nur mit einer hochgezogenen Augenbraue tut, traure gleichzeitig aber ein ganz kleines bisschen der Zeit nach, in der sei mein Handeln noch nicht hinterfragt hat. Zum Beispiel meinen inneren Kalender, den ich mit Händen und Füßen verteidige, ohne zu erklären warum.

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12 Monate Rosen und Schornsteine – Oktober

Die Beschriftung ist falsch, denke ich als ich fröstelnd im Rosengarten stehe und das Bild für den heutigen Beitrag knipse. Es ist kein Oktoberbild. Heute am 29. Oktober ist der goldene Oktober, den ich in seiner Herrlichkeit und mit seiner Wärme so genossen habe, längst vorbei. Heute ist bereits ein Novembertag, so wie Ende September bereits ein herbstlicher Oktobertag gewesen ist. Das heutige Foto schwindelt. Vielleicht, weil es von gestern ist und es den kurzen Moment zeigt, an dem die Sonne hinter den schweren Wolken zu erahnen ist und sich der kalte, zischende Wind für einen Moment gelegt hat. Die Detailaufnahmen zeigen einzelne tapfere Rosen, die sich mit kräftigen Farben gegen ihr Ende zu wehren scheinen.
Es ist zu spät. Die Pracht des Herbstes ist vorbei. Nur noch wenig Bäume brennen im Sonnenlicht farbenfroh und der trostloseste Monat des Jahres steht bevor. Ein Zwischenmonat, dem die bunte Schönheit des Oktobers fehlt und der die heimelige Ruhe des Dezembers noch nicht erreicht hat. An fast allen seiner dreißig Tage, mag ich diesen Zwischenmonat. Warme Heizungsluft, eine Kanne Tee und tief unter einem Berg von Decken vergraben stundenlanges Lesen, während draußen der Sturm tobt. Schön. Heute ist ein Zwischentag. Noch kann ich den November nicht genießen. Heute an diesem Tag, der kein Oktober- und noch kein Novembertag ist, macht er mich unruhig und bedrückt mich. Weiterlesen

Im Juli harmlos

 

Sind Sie schon im August? Ich noch gar nicht. Heute ist der 1. August behaupten die Kalender denen ich begegne. Sie alle sind sich einig, dass der Juli 2016 unwiederbringlich der Vergangenheit angehört. Die Kalender haben keine Ahnung. Ich bin nämlich noch nicht im August gelandet. Ich hänge noch im Juli fest und brauche noch ein paar Stunden, bis ich im August lande. Das hat nichts mit unterschiedlichen Zeitzonen zu tun, sondern nur mit meiner Sturheit. Ich lasse mich ungerne in einen neuen Monat schubsen, wenn ich mit dem alten noch nicht abgeschlossen habe. Weiterlesen