Saustall

Ob das noch passt, steht im Betreff und in der Mail ein paar Sätze, die ich in- und auswendig kenne. Klar, passt, tippe ich ohne sie wirklich zu lesen und drücke auf senden. Ich bin ich – noch immer und meine Vita hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert, schreibe ich einer Buchhändlerin, die sich – angesichts der Pandemie – ungewöhnlich hartnäckig nach Autoren erkundigt. Ich tippe es salopp und schnell, weil wir uns seit langem kennen, duzen und ab und an auf einen Kaffee treffen. Kurz darauf ruft sie mich an. Im Ernst, beginnt sie, bitte eine Vita und nicht zwei belanglose Sätze. Und – weil wir uns seit langem kennen – google dich bitte mal selbst, das ist ein einziger Saustall. Mein Stirnrunzeln äußert sich telefonisch durch ein undefinierbares, aber mit eindeutig hörbar beleidigtem Unterton, Atemgeräusch. Für google fühle ich mich nicht verantwortlich. Ich solle nicht google aufräumen, sondern meine Vita, wird erklärend hinterhergeschoben und die Ausrede, dass mich schließlich keine Sau kennt, wird ersatzlos gestrichen. Das würde zwar stimmen, aber wenn man ein so unverschämtes Glück hat, dennoch öffentlich lesen zu dürfen, dann bitte richtig. Neues Foto, neue Vita und aufräumen. Podcast rein, Blog raus. Was auch immer, aber so bitte nicht. Nach fünf Jahren sollte es doch möglich sein, etwas vernünftiges über sich selbst sagen zu können und seine eigenen Daten ein wenig zu pflegen. Danke und schönen Sonntag. Aufgelegt. Ja, danke auch und ebenfalls einen schönen Sonntag.

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peinlICH

Ich bin peinlich, wurde mir letztes Jahr von einem attestiert, dem ich peinlich war. Ich war peinlich berührt, weil ich an achtundzwanzig von dreißig  Tagen versuche eben nicht peinlich aufzufallen. An achtundzwanzig gelingt es mir, an einem kann ich nun wirklich nichts dafür und an einem ist es mir scheissegal. 
Ja, ich habe „vom Winde verweht“ umgeschrieben, mir ein alternatives Ende für Rhett und Scarlett ausgedacht und die 106 Seiten ausgedruckt in einer Schublade liegen. In einer privaten, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Schublade. Es ist nicht meine Schuld wenn das einer auf der Suche nach der Bedienungsanleitung für den Rauchmelder findet und auch noch liest.  Weiterlesen

Wer ich bin? Suchen Sie sich etwas aus.

Wer bist du? Soweit ich mich erinnern kann, hat mir diese Frage bisher außer dir noch niemand gestellt. Niemand, der damit mehr meinte, als die Angabe des Namens, des Alters und irgendeiner, unwichtigen Zugehörigkeit. Es ist fast immer eine harmlose Frage, die man ohne nachzudenken schnell beantworten kann. Mitzi, aus der 8c. Mitzi, die Freundin von Nicky oder Mitzi, ich kenn den Bräutigam. Zu irgendeiner Gruppe gehört man immer und wenn man besonders originell sein will, dann stellt man sich blöd und antwortet nur mit dem Namen. Garniert mir einem vielsagenden, leicht tiefgründigen, meist aber dämlichen Lächeln. Zum Glück gibt es die Gruppen, sonst müsste man sich am Ende noch Gedanken machen, wer man wirklich ist. Weiterlesen

Ich bin ich! Bin ich Ich? Was weiß denn ich!

Mira Lobe schrieb 1972 das Kinderbuch „Das kleine Ich bin ich“. Kennen Sie es? Nein? Das ist schade. Als ich klein war, wuchsen wir mit der Geschichte des kleinen bunten Tierchens auf. Es wollte in keine Gattung so recht passen und fragte sich traurig, wer oder was es denn eigentlich sei. Das Tierchen war glücklich, bis es eines Tages gefragt wurde, wer es denn sei. Weiterlesen