Sommer – dank mir etwas anstrengend

Morgen machen wir uns einen ruhigen Tag, sage ich zu meiner Freundin und schnappe mir die letzte Nudel aus der Pfanne. Morgen, plane ich weiter, verabschieden wir uns in aller Ruhe vom Sommer – nur du und ich und ganz in ohne Stress. Die Temperatur an diesem Montag wird noch einmal fast hochsommerlich warm sein und keiner meiner Freunde ist hier. Sie haben den Sommer bereits beendet und der, der mir am wichtigten ist, ist gerade dort, wo ich sonst bin – in München. Auf der Wiesn. Klar, es ist Italienerwochenende. Das Wochenende an dem ich ans Meer flüchte und er, der seit vielen Jahren mehr Italiener als Münchner ist, in die alte Heimat zurück gekehrt ist. Blöde Planung, meint meine Freundin und ich zucke mit den Schultern. Vielleicht, andererseites haben wir einen ganz besonders schönen Tag vor uns. Den letzten richtigen Sommertag, bevor uns in München der Herbst erwartet und den wir ganz für uns haben. Morgen machen wir es uns gemütlich, sage ich zu meiner Freundin und verdrehe die Augen, als sie mit einem „abwarten“ antwortet und sich mit einem Glas Wein auf den Balkon setzt. Sie kennt mich. Und den mutigsten meiner Freunde auch. Vielleicht mittlerweile ein bisschen zu gut.

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Rilassati

Rilassati, sagt eine Freundin, als ich versuche sie am Telefon abzuwürgen. Rilassati…entspann dich, ist leicht gesagt. Leichter bestimmt, wenn man nicht in 90 Minuten am Bahnhof sein muss und noch knöcheltief zwischen Kleidern, Bikinis und Dingen die man einpacken, aber sicher nicht brauchen wird, steht. Rilassati, denke ich mir selbst 30 Minuten später und werfe wahllos ungebügelte Kleidungsstücke in den Koffer.
Rilassati denke ich mir, als ich mir eine Taxifahrt für 50 Euro gönne, weil die Alternative ein Hitzschlag wäre. Und denke es solange weiter, bis ich es mir nicht mehr sagen muss, weil ich es fühle. Entspannung pur. Oder – wie eine mir nahestehende Person es beschreibt – meine Eigenart bei der Überschreitung der Grenze am Brenner eine erstaunliche, ihr nicht ganz geheure, Gelassenheit an den Tag zu legen. Es handelt sich hierbei übrigens um keine Eigenart. Ganz im Gegenteil, es ist eine hart antrainierte Fähigkeit, absolut nichts zu erwarten, nichts zu planen und mit allem was geschieht zurecht zu kommen.

Mit dem obligatorischen Streik letzten Donnerstag in Italien zum Beispiel. Man könnte versuchen mit dem Bus ans Ziel zu gelangen oder man macht einfach gar nichts, bucht sich im schönsten Strandbad ein und sieht ein, dass die über 80 % Luftfeuchtigkeit gepaart mit Gluthitze eh keine Alternative zugelassen hätten. Ich bin im „Rilassati Modus“ und freue mich, dass es meiner Freundin, die zum ersten Mal bei mir in Italien ist, genauso geht. Wir versumpfen beim Aperitiv und sagen den Tisch im Restaurant ab. Lassen uns treiben und genießen planlos all das was sich gerade gut anfühlt. Ich soll mich schön weiter entspannen, gibt sie mir noch mit auf den Weg, als ich sie am Bahnhof in Genua in ihren Zug setze.

Ja, hatte ich vor. Blöderweise bin ich nur bis Genova Pra gekommen und muss fünf Stationen weiter. Der Zug steht. Eine Stunde, bis die ersten aufgeben und sich Alternativen suchen. Streik ist es diesmal nicht, dafür irgendein Weichenproblem. Die nächsten Stunden geht hier nichts. Rilassati, ist mein Mantra, das mich gerade nervt. 12:00 Uhr mittags, bullenheiß und mit den Bussen hier kenne ich mich nicht aus. An der Haltestelle informiert man mich, das mein Ziel etwas ungünstig liegt. Das merke ich auch und gehe erst mal eine dreiviertel Stunde am Meer entlang. Blöde Idee (Mittag, Sonne, Sommer – in diesem Fall keine gute Kombi). Aber ich bin entspannt. Total. Zwei Stunden später habe ich die richtige App auf dem Handy und bin nach drei Mal umsteigen zu Hause.

Entspannt bin ich wirklich. So entspannt, dass ich mir zum Aperitiv im Garten mit drei guten Freunden das leichteste (ungebügelte, farblich fragliche, eigentlich scheußlich und nur im engsten Kreis getragene) Lieblingskleid überwerfe und mich zehn Minuten später in einer Runde von ca. 12 gutaussehenden Menschen wiederfinde, die alle zu höflich sind um sich laut zu fragen, wer bzw. was da vor ihnen steht. Gut das sie mich nicht kennen, den wenig später hält es der mutigste meiner Freunde für eine gute Idee, mir den Schlauch der Bewässerungsanlage ins Gesicht zu halten. Ich bin jetzt grell, nass und habe verschmierte Wimperntusche. So kann ich mir dann aber auch die Weinflasche schnappen, die zwei Männer nicht aufbekommen und sie problemlos öffen. Ich bin jetzt Hulk im Kleid und ich glaube, ich mache ihnen Angst. Männliche Egos sind empfindlich.

Streik, Zugausfall, peinlicher Auftritt – egal! Mi rilasso. Eventuell ist das gramatikalisch falsch, aber die Stimmung ist es nicht. Genau die richtige um mit den Jungs, von denen zwei der drei, die sechzig schon deutlich überschritten haben eine Bootstour zu machen.
Also nächsten Sommer mache ich einen Bootsführerschein. Nicht weil ich Lust habe, sondern weil ich den Kerlen misstraue. Der erste ist beim Versuch sich die Füße zu waschen noch vor der Abfahrt ins Hafenbecken gefallen, der zweite bei der Ankunft, als er sich etwas zu weit verrenkte um seine Badehose zu holen. Beide nüchtern, beide zum Glück nur leicht angeschrammt. Rilassata schön und gut – aber im Zweifel macht es wohl Sinn das Boot selbst steuern zu können. Notfalls von ihnen weg.

Mi sono rilassato tantissimo. Zurück ging es mit dem Flugzeug. Total rilassata hab ich nicht mal gemerkt, dass der Pilot anstatt zu landen Kreise flog. Auch nicht wirklich, dass wir nachdem wir schon recht weit unten waren, wieder hoch flogen. Mit soviel Entspannung im Nacken merkt man das nicht. Was man dann aber schon merkt ist, der Momen, wenn kurz vor dem Aufsetzten durchgestartet wird. Das fühlt sich interessant an und ist nicht so rillasi. Wenn man dann eine Stunde später in Linz statt in München landet ist es mit dem rilasso ganz vorbei. Kurzzeitig.

Aktuell habe ich muckelige 29 Grad in der Wohnung und mir ist so heiß, dass ich nicht denken kann. Bei solchem Wetter habe ich den Entspannungsmodus auch nördlich der Alpen an. Vielleicht ist er wirklich etwas grenzwertig. Eine Freundin rief vorhin heulend an, weil ihr zwei von drei Küchenschränken von der Wand gekracht sind und so ziemlich jeder Teller, jedes Glas und alle Tassen kaputt sind. Ich sagte ihr, sie soll sich entspannten, den ganzen Scherbenhaufen liegen lassen und auf ein Glas Wein vorbei kommen. Ob ich spinne wollte sie schniefend wissen. Ne, sag ich, rilassati. Die Scherben laufen nicht weg, aber wer weiß ob der morgige Abend so schön ist wie der heutigt.

Sie kommt. Ich stecke an. Also…entspannen Sie sich.

Teilchen – anspruchslos aber hartnäckig

Ich bin wieder da. In München. Finalmente (endlich) murmelt jetzt vielleicht meine Freundin mit der gemeinsam ich die letzten zwei Wochen in Ligurien am Meer war. Sicher nicht, weil ihr das Meer und der Urlaub zuviel geworden wäre. Eher, weil ich sie jetzt morgens nicht mehr mit der Yogamatte unter dem Arm anstrahle und an unsere Verabredung mit Gabi – der Trainerin auf YouTube – erinnere. Eine Verabredung die sowohl der Gabi, die von meiner Existenz nichts weiß, als auch meiner Freundin eigentlich völlig schnuppe sind. Schließlich bin ich die einzige, die sich vorgenommen hat, die zweite Lebenshälfte als sportlich motiviere Frau zu bestreiten. Ich bin aber ein Mensch, der gerne teilt. Alles. Emotionen, Gummibärchen und eben auch die Dinge, die mir Freude bereiten und Dinge, die mich im Urlaub reichlich Überwindung kosten. Wie zum Beispiel Sport am Morgen. Weil ich mir sicher bin, dass meine Freundin auch gerne teilt, habe ich mich gleich, wenn sie aufgewacht ist, mit der Matte unter dem Arm zwischen sie, ihren Morgenkaffee und die Fensterfront gestellt und motiviert angelächelt. Sie hat mitgemacht, ist aber vermutlich heilfroh, mich jetzt wieder los zu sein und nicht noch im Halbschlaf von so einer widerlich fröhlichen Frühaufsteherin abgefangen zu werden.

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Eine Schande

Ich weiß genau, was sie denkt. Ich weiß es, ohne hellseherische Fähigkeiten zu haben und weiß es sogar, ohne mich umzudrehen, um ihr ins Gesicht zu schauen. Ein Gesicht, das sehr wahrscheinlich auch gar nicht mehr in meinem Blickfeld ist, weil sie längst sich zurückgezogen hat, um nicht mit mir in Verbindung gebracht zu werden. Mittlerweile versteht sie genug italienisch, um zu begreifen, dass ich mich gerade so derart zum Affen mache, dass es besser ist, sich das Drama nicht live mitanzusehen. Es bleibt ihr also erspart mitanzusehen, wie ich leise fluchend, barfuß auf Zehnspitzen über eine mit piksenden Kletten übersäte Wiese tapse, die Arme aus Gründen des Gleichgewichts seitlich weit von mir strecke und in den Händen zwei leere Colaflaschen halte. Mir wiederum bleibt nicht erspart, zu erkennen, dass ich noch immer im Nachthemd bin und das fröhliche Winken vom Balkon am anderen Ende des Gartens mir gilt. Ich winke zurück und lege die letzten Meter mit dem Gefühl zurück, dass sich so in etwa Cersei aus Game of Thrones bei ihrem Bußgang gefühlt haben muss. Es hätte mich nicht gewundert, wenn weitere Nachbarn auf den Balkonen erschienen wären, mit massiven Glocken monoton geläutet und dabei bei jedem meiner Schritte „Schande“ gerufen hätten.

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Aussitzen

Ein paar der schönsten Erinnerungen meines bisherigen Lebens verbinde ich mit Elba. Die kleine Insel bedeutet mir viel und obwohl ich seit meinem letzten Abschied vor vielen Jahren nie wieder zurück kam, bin ich überzeugt, sie noch heute noch gut zu kennen und weiß zugleich, dass ich dort nicht einmal mehr die Strände auseinander halten könnte. Ich kenne Elba so wie es war, als ich gerade meinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Mein Elba ist untrennbar mit einer Handvoll Menschen verbunden, die damals dort lebten und die heute alle nicht mehr dort sind. Die mir damals vertrauten Bekannten, die vielleicht noch dort sind, würde ich nicht mehr erkennen und selbst wenn, wären sie mir alle fremd geworden. So fremd wie mir Verona war, als ich nach vielen Jahren dorthin zurückkehrte und mir sicher war, dass sich vielleicht Läden und Restaurants geändert haben, aber ganz sicher nicht das Gefühl, das ich über all die Jahre mit dieser Stadt verbunden habe. Als ich vor einigen Jahren das erste Mal wieder in Verona stand, waren sie sofort wieder da – die Gefühle von damals. Allerdings nicht jene, die ich als schöne Erinnerungen gespeichert hatte. Zurück war nur ein Gefühl, jenes der festen Überzeugung zum falschen Zeitpunkt zurück nach München gegangen zu sein und das der verpassten Chancen.

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Roza

Adesso sinistra, jetzt nach links, sage ich ohne mir sicher zu sein, ob wir wirklich schon hier abbiegen müssen. Das heißt, ich bin mir durchaus sicher, dass wir nach links müssen, nicht aber, ob die hier nach links führende Straße uns auch zum Ziel bringen wird. Die Straßenführung in Altstädten hat ihre Tücken. Die in italienischen Altstädten zum Beispiel, kann einen an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen. Andere. Nicht uns, wir kennen diese Altstadt und erinnern uns an jede Gasse, als wären wir erst gestern Abend mit hohen Absätzen über das Kopfsteinpflaster gelaufen. Roza erinnert sich auch. Zum Beispiel an meine Rechtslinks-Schwäche, sobald ich in einem Auto sitze. Als ich erneut „links“ rufe, siehts sie mich an und grinst. Geht nicht, erklärt sie. Links sei die Adige, die Etsch, der Fuß, dessen Schleife die Altstadt umarmt und an dessen Ufer Roza und ich vor vielen Jahren gewohnt haben. Dann eben rechts, sage ich und rutsche wohlig seufzend tiefer in den Sitz. Das schöne an wirklich alten Altstädten ist, dass sich nichts verändert. Selbst nach zwanzig Jahren sehen sie noch genauso aus, wie an jenem Tag als man zuletzt gemeinsam dort gewesen war. Rechts murmle ich leise und bin mir sicher, dass wir jetzt wirklich abbiegen müssen. Roza erinnert sich anders und fährt weiter gerade aus. Egal…sie fährt, sie macht das. Ich schließe die Augen und öffne sie erst wieder, als ich gefragt werde, ob ich wusste, dass Calzedonia noch immer da ist. Ich nicke und schnalze gleichzeitig mit der Zunge. Ja, das wusste ich und auch, dass er sich noch immer dort befindet, wo er immer war. Wenn wir ihn jetzt also sehen, dann sind wir definitiv zu spät abgebogen und befinden uns mitten in der Fußgängerzone. Das leise Fluchen neben mir klingt vertraut und ich murmle rechts oder links, weil es jetzt auch schon egal ist. Ich bin froh, dass Roza fährt und sage ihr, dass sie das richtig gut macht. Ich soll den Mund halten, höre ich und schmunzle. Wenn man sich nach Jahrzehnten das erste Mal wieder sieht, dann ist es ein gutes Zeichen, dass man einander noch problemlos darum bitten kann, die Klappe zu halten.

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Che fine hai fatto? Roza

Seit Jahren spiele ich mit dem Gedanken Facebook zu löschen. aum ein Mehrwert und sehr viele Gründe diese Datenkrake mit ihrer fragwürdigen Monopolstellung nicht weiter mit persönlichen Informationen zu füttern. Nur selten poste ich dort etwas. Meine Blogartikel und die Bilder vergangener Lesungen, aber kaum etwas privates. Aus den bekannten Gründen. Und doch bin ich dort noch immer angemeldet und wünsche mir manchmal, dass es all die sozialen Netzwerke und Apps zur Kontaktaufnahme schon gegeben hätte, als ich in Italien lebte. Damals hatte ich weder ein Smartphone noch einen PC. Ich hatte ein kleines Telefonbuch in das ich die Handy- oder Festnetznummern händisch neben dem Namen eintrug. Dem Namen – Singular. In diesem Buch sind Nummern von Lello, Leo, Checo, Francesca, Raffa, Renzo, Nino, Roza und vielen mehr. Alle ohne Nachnamen. Die Namen wurden im Zug, am Strand oder am See so schnell eingetragen, wie man sich kennen lernte. Der Gedanke, dass die meisten ihre Handynummern in den kommenden Jahren ändern könnten, kam mir nicht, als ich zurück nach Deutschland ging. Wie dumm, von meinem jungen Ich, so gedankenlos gewesen zu sein. 95 % meiner Bekannten aus der damaligen Zeit habe ich deshalb aus den Augen verloren. In den ersten Monaten zurück in Deutschland passierte so viel, dass ich mich nicht bei allen regelmäßig meldete. Schon zwei Jahre später waren die meisten Nummern schon nicht mehr gültig und die E-Mail Adressen, die meine Bekannten meist selbst mit meinem Bleistift eingetragen haben, unleserlich oder ebenfalls veraltet. Auch meine Handynummer hatte sich geändert. Lello, Checo, Nino und Claudia sind aus meinem Leben verschwunden und es tut mir leid.

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Entriegelungstaste

In caso di mancata accensione si ha l’illuminazione della lampada spia. Premendo il pulsante dello sbloccaggio, si avrà la ripetizione dell accensione.

Was bedeutet das, möchte die Frau neben mir wissen und sieht mich fragend über den Rand ihrer Brille an. Die Frage irritiert mich, denn von uns beiden ist sie die Muttersprachlerin. Aber bitte. Ich kneife die Augen zusammen, lese noch einmal und übersetze dann: „Wenn die Zündung ausfällt, leuchtet die Warnlampe auf. Durch Drücken der Entriegelungstaste wird die Zündung erneut ausgelöst.“ Der darauf folgende Knurrlaut bedeutet sowohl auf Italienisch als auch auf Deutsch das gleiche: „Hä?!?“ einen Moment lang schaut sie mich irritiert an und schüttel dann den Kopf. Was der Blödsinn soll, das ganze jetzt auf Deutsch zu sagen, will sie wissen und erklärt dass sie keine Ahnung hat was diese Anweisung zu bedeuten hat. Nicht auf Italienisch und auf Deutsch schon gleich gar nicht. Deutsch würde sie nämlich nicht sprechen. Ich bedanke mich für diese, mir nicht neue, Info und stecke die Hände in die Hosentasche. Was ist denn die Entriegelungstaste, frage ich und beuge mich nach vorne um besser zu erkennen was hier vielleicht nach einer Entriegelungstaste aussieht. Es folgt eine kleine Diskussion darüber, dass deutsche Worte grundsätzlich zu lang sind. Die bringt uns nicht weiter und ich frage, was im vorliegenden Fall denn der pulsante dello sbloccaggio sein könnte? Dreimal wird (völlig unnötig) meine Aussprache korrigiert, dann wird mit den Schultern gezuckt. Pulsante… doch ja, das müsste etwas zum Drücken sein, aber ich sehe nichts was man drücken könnte. Ich frage ob man einen Pulsante immer drückt, oder ob man ihn womöglich auch drehen kann. Neben mir sieht mich eine an als ob ich nicht mehr ganz dicht wäre und beginnt langsamer zu sprechen. Das nervt mich und ich versichere ihr, dass ich ihr Italienisch durchaus auch schneller gesprochen verstehe, bei der Betriebsanleitung eines Warmwasserboilers aber unsicher bin. Und auch das liegt weniger an meinem Italienisch, sondern an der Tatsache, dass ich bei diesem antiquierten Ding Angst habe auch nur irgendetwas zu drücken. Vor allem dann, wenn etwas das, was eindeutig als Warnleuchte beschrieben wird, bereits rot leuchtet.

Die freundliche Nachbarin, die bereit war zu helfen, klopft mir aufmunternd auf die Schulter. Pass auf, sagt sie, ich gehe jetzt wieder rüber und du drückst einfach auf den einzigen Knopf der frei zugänglich ist. Ich möchte mich gerade bedanken, als mir durch den Kopf schießt, dass es kein gutes Zeichen ist das sie vor dem Drücken die Flucht ergreift. Ich erkläre ihr, dass es auf jeden Fall besser ist wenn sie den Knopf drückt. Wenn hier etwas in die Luft fliegt, dann wäre sie doch sicher versichert. Ich dagegen, weiß nicht ob meine Haftpflichtversicherung auch im Ausland gültig ist. Das Wort „Zündung“ beunruhigt uns beide. Wir besprechen das ganze eine Weile und nach 5 Minuten stehe ich wieder alleine vor den komischem technischen Ding, das in den Wohnungen hier am Meer auf den kleinen Balkonen vor den Küchen steht und vor dem ich einen heiden Respekt habe. Ich würde es gerne ignorieren, aber ich dusche bereits seit zwei Tagen kalt. Und auch wenn es hier noch deutlich wärmer als in München ist, für eine kalte Dusche ist es einfach schon zu frisch. Außerdem habe ich keine Lust mehr zum Abspülen Wasser im Wasserkocher zu erhitzen. Das könnte ich natürlich auch auf den Gasherd machen. Eigentlich. Vor allem wäre es wesentlich leichter, da der Wasserkocher dem Besitzer dieser wunderschönen Wohnung, aus Deutschland mitgebracht wurde und sein Stecker nur in die Steckdose im Schlafzimmer passt. Aber man will ja nicht meckern, dank dieses Wasserkochers konnte ich mir wenigstens die Haare mit warmen Wasser waschen. Ach so ja der Gasherd… Der funktioniert ganz sicher, aber diesmal scheint es nicht zu reichen den Hahn aufzudrehen. Ich muss irgendeinen Haupthahn aufdrehen hat man mir gesagt. Und so sehr ich es liebe mit Gas zu kochen, es widerstrebt mir irgendwelche Hähne aufzudrehen, die ich noch nie aufgedreht habe und bei denen ich immer die Vorstellung habe etwas in die Luft zu jagen.

Eine Stunde später rufe ich einen alten Arbeitskollegen aus Verona an. Ich schildere ihm mein Problem und er hört mir geduldig zu. Etwa fünf Minuten lang, dann unterbricht er mich. Er wisse beim besten Willen nicht ob eine deutsche Haftpflicht Versicherung auch für Auslandsschäden aufkommt. Allerdings, so sagt er, würde er sich ehrlich gesagt weit mehr dafür interessieren, was zum Henker ich eigentlich gerade machen würde. Ich müsste es ihm auch gar nicht sagen, versichert er mir. Noch viel wichtiger sei ihm, dass ich das was ich machen möchte bitte auf keinen Fall machen soll, denn Dinge bei denen man überlegt ob etwas in die Luft fliegt, die lasse man besser. Mir wird klar, dass ich ihm von meinem Schalter Problem noch gar nicht erzählt habe. In wenigen Sätzen erkläre ich es ihm und er bittet mich um ein Foto der Therme. Ich schicke es ihm und er ruft mich zurück. Drück auf den schwarzen Knopf neben der roten Lampe und dreh den grünen Schalter in die horizontale, sagt er und wünscht mir einen schönen Tag.

Eine gute halbe Stunde habe ich mich nicht getraut. Dann kam aus Verona eine SMS. Mein ehemaliger Arbeitskollege kennt mich gut. Er kennt mich sogar sehr gut. Er schrieb mir: MACH ES!

Gerade habe ich warm geduscht und Nudelwasser aufgesetzt. Ob meine Haftpflicht Versicherung hier in Ligurien für mögliche Schäden bezahlt weiß ich nicht, aber das ist jetzt erst mal auch nicht mehr wichtig. Mein Kollege schrieb übrigens nicht, dass ich es einfach machen soll. Er schrieb: Mio Dio, come si fa a sopravvivere se si ha paura di un bottone innocuo? Was übersetzt in etwa bedeutet, dass er sich fragt wie ich den Alltag über lebe wenn ich schon vor harmlosen Tasten Angst habe. Gut, würde ich sagen. Meines Erachtens liegt das vor allem daran, dass ich in der Regel nur ungerne Knöpfe drücke die Zündung auslösen. Nachvollziehbar, oder?

Borsa marrone

Im Schlafzimmer, gleich wenn man reinkommt rechts, steht unter dem Fernseher eine weiße Komode mit drei Schubladen. Die Komode in meinem eigenen Schlafzimmer hat auch drei Schubladen und ist ebenfalls weiß. Vielleicht haben wir die gleiche Komode. Das wäre durchaus möglich, da meine Komode von IKEA ist und sich das Angebot der italienischen IKEAs kaum von denen in Deutschland unterscheidet. Einen Fernseher über der Komode habe ich allerdings nicht. Überhaupt habe ich im Schlafzimmer kein technischen Geräte und finde es daher erstaunlich, mich gedanklich seit über zwanzig Minuten in einem Schlafzimmer zu befinden, das nicht meines ist. Zumal ich eigentlich am Strand liege und mir fremde Betten, Zimmer und Komoden gerade ziemlich egal sind. Obwohl….wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich jetzt doch wissen, um was es in diesem zähen, mit viel zu lauter Stimme geführten Telefonat nun eigentlich geht. Ich rolle mich auf den Rücken und höre weiter zu. In der obersten Schublade besagter Komode befindet sich – so erklärt die hinter mir stehende, telefonierende Frau – eine braune Tasche. Der Satz wird wiederholt. Einmal, nocheinmal und dann mit monotoner, sehr geduliger Stimme ergänzt, dass es sich um eine braune Tasche, ja eine braune, etwa 30 mal 40 Zentimeter große brauene, ja genau, braune, Tasche handelt. Sie und ich wissen jetzt, dass sich in der weißen Komode rechts unter dem Fernseher in der oberen Schublade eine braune Tasche befindet. Der Gesprächspartner anscheinend nicht. Es wird ihm noch einmal erklärt, dass sich die Komode im Schlafzimmer befindet. Weiß mit drei Schubladen.

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Italienisch motzig

Ich bin kompromissbereit, da können Sie jeden fragen. Wirklich. Außer es geht um den ersten Kaffee am Morgen – da bin ich es nicht. Da bin ich stur wie ein Esel und unausstehlich, wenn ich ihn nicht bekomme. Stur habe ich deshalb am ersten Morgen in Ligurien auch versucht die Mokka auf den Herd zu stellen, obwohl völlig klar war, das es sich hierbei um ein unmögliches Unterfangen handelt. Nicht das Stellen der Mokka an sich, aber das auf den Herd stellen. Auf DIESEN Herd stellen. Ein neuer Herd und ein feiner Herd, aber ein völlig bescheuerter Herd, weil ihm ein winziges, aber elementares Teil fehlte. Hetzen Sie mich nicht, ich schreib mich gerade erst warm und überlege tippend wie ich Ihnen das Problem mit der Mokka erklären kann, wenn Sie weder mich noch den neuen Herd sehen. Eigentlich müssten Sie kurz vorbei kommen und sich neben mich stellen, dann würden Sie sofort verstehen, wo mein bzw. das Problem des Herdes liegt. Schön wäre das aber auch nicht, weil ich Ihnen dann zwar den Herd und das Dilemma zeigen, aber keinen Kaffee anbieten könnte. Und das gerade hier, wo jeder sofort eine Tasse in die Hand gedrückt bekommt. Zumindest bei mir, da es meine Rechtfertigung ist, mir einen weiteren Espresso zu genehmigen. Heute nicht, weil….ich beschreibe es Ihnen jetzt doch….die Metallstäbe, die wie ein Gitter über den einzelnen Gasflammen liegen und die direkt über den Ventilen eine Aussparung haben, so saublöd und weit auseinander sind, dass ich zwar einen mittelgroßen Topf, aber keine Mokka darauf stellen kann. Dafür gibt es einen Einsatz und der fehlt hier. Warum?!? Stünde der Gasherd in München, wäre es mir klar. Hat ja nicht jeder eine Mokka oder verlässt sich eben nicht jeder darauf, dass so ein Herd Mokkatauglich ist. Aber in Italien – gibt es einen Haushalt der keine Mokka und keinen kleinen Milchtopf besitzt? Vermutlich nicht. Ok….vermutlich schon und nur weil ich ohne Kaffee morgens nicht rundlaufe, bin ich so motzig. Italien-motzig. Das ist ein viel besseres motzig als ein München-motzig, weil es deutlich lösungsorientierter ist.

Ist stehe jetzt seit fünf Minuten vor dem Herd und halte die Mokka ganz einfach über die Flamme. Was praktikabel klingt, ist es nicht wirklich. Es geht, aber sollten Sie das selbst mal machen…passen sie auf den Ärmel Ihres Morgenrocks auf. Und das Ding, das fehlte, heißt „Triangolino“ – gibt’s auf jedem Markt zu kaufen (da gibt es ja eh alles) und heißt vielleicht doch nicht so, weil es nun wirklich keine dreieckige Form hat und ich der Nachbarin, die mir sagte, dass es so heißt, nicht ganz traue. Bekommen habe ich es aber und einen neuen Morgenrock habe ich mir am Markt auch gleich gekauft. Der alte….naja, weite Ärmel, offene Flamme… Irgendwie bin ich wirklich motzig und fast froh, dass meine Freunde noch nicht angekommen sind und ich mich noch etwas einrenken kann, bevor ich ihnen um den Hals falle. Und das werde ich, ich habe sie nämlich alle vermisst – sehr.

24 Stunden später ist meine Motzigkeit übrigens verschwunden. Ich hab mein Triangolino, drei Kaffee (einen davon in netter Begleitung) und vier Stunden lesen am Meer hinter mir. Schöner geht es nicht. Beim Kaffee wurde ich von einer Nachbarin auf den neusten Stand gebracht (das Haus und das Land betreffend) und fragte mich danach, was so schlimm daran ist 15 Minuten eine Mokka über eine kleine Flamme zu halten (die Antwort kenne ich durchaus und rate daher davon ab). Meine ausgesprochen gute und entspannte Stimmung hielt übrigens auch dann an, als am nächsten Tag das Wasser abgestellt wurde. Mit stoischer Gelassenheit wäre ich mit zwei Eimern bewaffnet auch einfach an den Strand gelaufen um hilfsweise so die Toilettenspülung zu überbrücken. Stattdessen stand ich mit einer Bekannten im Keller des Hauses, ignorierte die Blicke eines Handwerkers, der – seinem Blick nach zu urteilen – unsere Schlafanzüge modisch fragwürdig fand und dennoch bereitwillig unsere Eimer aus seltsamen Tanks mit Wasser befüllte. Und nein, ich wohne nicht auf einer Baustelle. Ich war in einem ganz normalen italienischem Haus und wie zu Hause in München, wird auch hier bei Wartungen das Wasser abgestellt und man stellt erst bei der ersten Benutzung eines neuen Haushaltsgerätes fest, was noch fehlt. Völlig normal und das ist das Schöne. Es ist so normal hier zu sein. Herrlich normal. Bis auf das mit dem Morgenrock, das ist länderübergreifend dämlich. Und vielleicht zieht man sich auch etwas mehr an, wenn man einem Eimer bewaffnet durch das Treppenhaus läuft. Obwohl….

Es grüßt Sie Ihre überhaupt nicht motzige Mitzi