Ein Holzscheit hätte gereicht

Du hättest mir etwas vererben müssen.

Wenn jemand stirbt, dann vererbt er denen, die zurückbleiben etwas. Das macht man so. Das hättest auch du so machen sollen. Eine Vererbung ist kein großer Aufwand. Ein Blatt Papier und ein wenig Gedankenarbeit. Das sollte reichen. Zumal man davon ausgehen kann, dass die, die etwas erben, dem der vererbt bekannt sind und es ihm nicht schwer fallen sollte, zu wissen mit was man ihnen eine Freude macht. Ich dürfte dir sehr bekannt gewesen sein. So gut bekannt, dass dir klar gewesen sein muss, dass es wichtig gewesen wäre. Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich dir das sogar mehrfach gesagt. Ziemlich egoistisch, sich dennoch darüber hinweg hinzusetzen. Doppelt egoistisch, wenn man sich aus eigenen Stücken aus dem Staub macht. Dann könnte man sich vorher um sein Erbe kümmern. In einer angemessenen Art! Es ist eindeutig nicht angemessen, seinen kompletten Besitz und seine komplette Existenz vor dem endgültigen Schritt zu entsorgen. Wahrscheinlich wäre nicht mal die Arbeit der Gedanken oder ein Blatt Papier nötig gewesen. Du hättest mir einfach ein Stück Holz in die Hand drücken können. Kein geschnitztes, kein bearbeitetes. Nein. Ein verdammtes Holzscheit hätte komplett gereicht. Sterbenden erfüllt man einen letzten Wunsch. Gut so. Es wäre aber doch nett, wenn Sie den Lebenden ebenfalls einen Wunsch erfüllen würden. Das wäre persönlich, und nicht so schrecklich stur, wie du es zum letzten Tag gewesen bist.

Weiterlesen

Weiß du was?

Manchmal im Leben kreuzen sich die Wege von zwei Menschen ganz zufällig und doch bleiben Sie von diesem Moment an verbunden. Weil sie es wollen oder weil der Zufall es so will. Eine meiner heute besten Freundinnen traf ich zufällig, als wir die gleiche Ausbildung begangen. Ein paar Monate sahen wir uns, ohne dass wir es darauf angelegt haben. Noch ein paar Monate später sahen wir uns, weil wir es unbedingt wollten. Und wollen es noch heute.

Andere Menschen treffen wir, teilen einige Zeit das Leben miteinander und verlieren sie dann aus den Augen. Das ist manchmal schade, manchmal aber auch völlig in Ordnung. Manche Menschen scheiden aus unserem Leben, ohne dass man sie vermisst. Man wünscht ihnen nichts schlechtes, interessiert sich aber auch nicht dafür, was aus ihnen geworden ist. Man gibt es nicht zu, weil eine solche Gleichgültigkeit einem anderen menschlichen Leben gegenüber nicht angebracht ist. Mit etwas Ehrlichkeit aber, kann man sich eingestehen, dass es wirklich Menschen gibt, für die man sich nicht interessiert.

Bei einem gehe ich deshalb seit vielen Jahren nicht ans Telefon, wenn er mindestens einmal jährlich anruft. Es würde mir nichts bringen, denn sein Anruf ist nichts mehr als ein Läuten in der Luft. Das ist egoistisch. Aufgrund wiederkehrender Anrufe ist anzunehmen, dass bei ihm mehr dahinter steckt. Und sei es nur Langeweile. Ich bin egoistisch. Nichts, was er sagen könnte, interessiert mich. Warum also miteinander sprechen. Nach vielen Jahren, dieser jährlichen Anrufe, schreibe ich ihm genau das. Es fällt mir nicht leicht, weil ich mir gemein, gleichgültig und lustlos vorkomme. Gemein möchte ich mir nicht auf die Fahne schreiben, die letzten beiden Punkte aber stimmen und ich ärgere mich über diesen blöden Anruf, der mir gleichgültig ist und mir dann doch ein schlechtes Gefühl gibt.

Seit ein paar Jahren werden die Anrufe von WhatsApp Nachrichten begleitet. Geh doch mal ans Telefon, steht dann da. Und manchmal auch, dass er wirklich gerne wissen würde, was aus mir geworden ist. Es stört meine Gleichgültigkeit und macht mir ein schlechtes Gewissen. Letzteres erst seit diesem Jahr. Da schreibt er, dass es für ihn und seinen weiteren Weg wirklich wichtig sei, noch einmal mit mir zu sprechen. Ich gehe nicht ans Telefon, und das ist gemein. Nicht von mir, sondern von ihm. Für ihn ist es wichtig, mit mir zu sprechen, für mich ist es wichtig, das Recht zu haben, einigen, sehr wenigen Menschen, gleichgültig gegenüber zu stehen. Das Recht nimmt er mir, indem er schreibt, dass er auf dem Weg sei ein besserer Mensch zu werden. Nach seiner Auffassung und der spirituellen Lehre, der er nun folgt, ist das nur möglich, wenn aller Groll aus der Vergangenheit getilgt wird und er Gelegenheit bekommt sich falls nötig zu entschuldigen. Nun gut, wenn es hilft, schiebe ich meine gar nicht mal so leicht erreichte Gleichgültigkeit zur Seite und schreibe ihm mehr als eine Satz. Wünsche alles Gute und erkläre, dass ich eine Entschuldigung weder erwarte noch wünsche, sie aber auch nicht ablehne. Alles gut zwischen uns und noch mal alles Gute. Es reicht ihm nicht. Er braucht die Bestätigung, dass keine negativen Gedanken bei mir aufkommen, wenn ich an ihn denke. Ob ich ihn anlügen soll, erkundige ich mich schriftlich und frage mich, ob er selbst ahnt, wie egoistisch diese Nachfrage ist. Damit es ihm gut geht, muss ich mich mit etwas beschäftigen, das ich abgeschlossen habe? Vieleich, womöglich, irgendwann habe ich den Wunsch das zu tun. Jetzt nicht. Es tut mir nicht gut an ihn zu denken. Es tut mir aber genauso wenig gut, von jemanden die Verantwortung für seine eigene Vergangenheit aufgebürdet zu bekommen. Warum bin ich gezwungen alte Wunden aufzureisen, nur weil ein anderer sagt, es würde mir gut tun und dabei meint, es würde ihm gut tun?

Mein Telefon klingelt. Ob er sich vorstellen kann, dass diese Läuten aggressiv klingt und für sehr viel mehr negative Gefühle sorgt, als jene die irgendwo in meiner Vergangenheit womöglich noch eingebettet sind? Vermutlich nicht, denn er versucht es weiter. Ich werde seine Nummer blockieren nehme ich mir vor und schreibe ein hoffentlich letztes Mal. Erkläre, dass da natürlich noch etwas negatives ist, wenn ich mich zurück erinnere. Das aber seit langem nicht mehr tue. Nur wenn er sich meldet. Kein Groll, kein Wunsch nach Klärung. In meiner Welt haben auch unschöne Erlebnisse ihre Berechtigung. Ich tilge nichts, ich lerne lieber damit zu leben und das möge er doch bitte akzeptieren.

Er hat gewonnen. Eine gute Stunde lang wird mir telefonisch eine Lebensgeschichte erzählt, die eigentlich erst dann begann, nach dem man sich von einem toxischen Elternhaus (mag sein, kann ich nicht beurteilen) und einer Beziehung – unsere – ohne echte Liebe (ach, wie nett – das höre ich doch gerne) gelöst hatte. Eine Lebensgeschichte, von der ich kein Teil mehr bin und die mich nicht interessiert. Muss sie auch nicht, hier geht es schließlich nicht um mich, sondern um ihn. Gefolgt von einer Aufzählung beruflicher Erfolge und Misserfolge und einer genauen Beschreibung der Wohnsituation inkl. Parkplatzproblematik. Mir wir keine Frage gestellt. Warum auch. Richtig…es geht ja um ihn. Nur ganz am Ende, da geht es kurz um mich. Als er die Verabschiedung schon einleitet und mir erklärt, wie sehr er sich freut, dass nun alles gesagt ist, da melde ich mich zu Wort und sage das, was ich ihm seit Jahren sagen wollte, wenn er anrief.

„Weißt du was? Du kannst mich mal!“

Randnotiz

Ich: Schönen Valentinstag.
Er: Mhm.
Ich: Schönen Valentinstag.
Er: Danke.
Ich: Blumen? Schokolade?
Er: Ernsthaft?
Ich: Umarmung?
Er: Noch eine?
….
….
Es ist ein großes Glück, dass mir der Valentinstag nicht wichtig ist. Sonst würde ich dem, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht wahrscheinlich den Hals umdrehen.

Er: Kuss?
Ich: Warum?
Er: Warum nicht?
Ich: Wart, ich will noch schnell was romantisches über den Valentinstag schreiben.
….

Er: Soll ich einfach rausgehen, noch mal reinkommen und wir starten diesen Dialog noch mal?
Ich: Ja. Unbedingt.

Romantik können wir!!!

Leider nicht meine

Die besten Geschichten schreibt das Leben. Das behaupte ich schon immer und mache es mir seit Jahren recht bequem, in dem ich einfach nur das aufschreibe und erzähle was ich selber erlebe. Ausdenken muss ich mir, dank des unerschöpflichen Archivs an Alltagsbegegnungen kaum etwas. Auch heute Abend und überhaupt seit ein paar Wochen erzählt das Leben eine ganz fantastische Geschichte. Nicht ganz so fantastisch allerdings für die direkt Beteiligten. Für die es doch ein wenig anstrengend, da sie sich in einer Geschichte befinden deren Ende noch in den Sternen steht. Die Protagonisten durchleben derzeit ein Wechselbad der Gefühle und erfreuen sich an ihren Emotionen, die gleich einem Pendel zwischen hoch erfreutem Kribbeln und zu tiefst verstörenden Unverständnis – das andere Geschlecht betreffend – schwanken. Leider neigen emotionale Pendel dazu, den Ruhepunkt der gefühlsmäßigen Ausgeglichenheit schlicht und einfach zu überspringen. Phasen der Erholung gibt es in der Regel nicht. Phasen der emotionalen Erholung. Selbst ich, als unbeteiligter Beobachterin und hochinteressierte Zuhörerin, befinde mich in einem Zustand ständiger Anspannung und kann es kaum erwarten bis das nächste Kapitel aufgeschlagen wird. Zweifelsfrei ist es also wirklich so, dass das Leben die aller besten Geschichten schreibt. In diesem Fall, ist es nur leider nicht mein Leben und es verbietet sich mir, Ihnen diese Geschichte zu erzählen. Sie gehört mir nicht. Leider. Oder vielleicht auch zum Glück. Das Ende ist ja noch offen. Obwohl, genau das ist doch eigentlich das schöne an diesen Erzählungen. Die Phase, in der man nicht weiß was daraus wird, aber noch voller Hoffnung ist und sich voll und ganz auf das herrliche Kribbeln konzentrieren kann. Sie wissen schon, dieses ganz besondere Kribbeln, das nur dann zustande kommt, wenn ein bisschen Unsicherheit darin mitschwingt.

Weiterlesen

Zurück geblättert

Ich gehe ihm auf die Nerven. Obwohl er nichts sagt, merke ich es. Er atmet zu regelmäßig um entspannt zu sein – penetrant gleichmäßig und kontrolliert. Acht Mal atmet er langsam und tief ein und wieder aus. Dann eine kleine Pause. Danach der neunte Atemzug mit einem tieferen Einatmen und einem viel längeren Ausatmen. Dieser neunte Atemzug macht mich wahnsinnig. Mitzuzählen macht es nicht besser. Den ersten, der neunten Atemzüge empfand ich als übertrieben, den fünften als überflüssig und störend. Der achtzehnte, der neunten Atemzüge aber, der ist eine Frechheit. Ich sage nichts, atme nur selbst ein und aus. Einmal nur, aber das etwas zu tief und eine Spur zu laut. Zu laut für einen Nachmittag an dem  sich die Luft zum Schneiden dick anfühlt und wir beide ahnen, dass ein falsches Wort reicht, um uns verbal in die Luft zu jagen. In seinem Fall reicht ein Atemzug – meiner.

Man kann ein Notebook zuklappen, um es zu schießen und man kann ein Notebook so zuklappen, dass nach seinem Schließen unzählige Fragezeichen aufsteigen und in der Luft hängen bleiben. Dünnes Eis, sagt er und verwandelt eines der Fragezeichen in ein Ausrufezeichen. Dünnes Eis, Mimi, wiederholt er und mir fällt auf, dass er mich nur dann „Mimi“ nennt, wenn er vergisst, dass ihm große Emotionalität eigentlich nicht liegt oder er so angefressen ist, dass das Kosewort die deutlich unfreundlichere Bezeichnung, die ihm auf der Zunge liegt, überdecken muss. Weiterlesen

Von Brausepulver und zurück gelassenen Dingen

Der Nachbarsjunge hämmert gegen die Wand und ich brülle durch Putz und Ziegel, dass er die Klappe halten soll. Ich musste mir jahrelang die Sirene seines Feuerwehrautos anhören, da wird er meine Lieblings-CD auch aushalten können. Meine Freundin schlägt vor die CD zu wechseln und ich stelle ihr frei zwischen den Titeln zu wählen, drohe aber mit sofortigem Entzug des restlichen Weines, wenn sie die CD zu tauschen versucht. Lachend, aber mit besorgtem Unterton, attestiert sie mir, dass ich langsam ein wenig anstrengend werden würde. Ich zucke mit den Schultern und sage ihr nicht, dass sie die Klappe halten soll. Ich weiß, dass sie Recht hat. Aus der Küche ruft einer, der mich länger als sie kennt, dass es besser sei, mich die nächsten Tage einfach in Ruhe zu lassen. Er lacht und drückt mir im Vorbeigehen ein Bussi auf die Stirn und dreht die Musik lauter. Früher, als er und ich in einer WG wohnten, verfluchte er diese CD – als Besucher sieht er es entspannt und stellt amüsiert fest, dass auch er die Texte  der Lieder noch auswendig kennt. Wir murmeln sie mit, ignorieren das Klopfen der Nachbarn und winken meiner Freundin, die sich verabschiedet und etwas von „Irrenhaus“ murmelt. Ich kann es ihr nicht verdenken. In einer Woche fahre ich nach Italien und ich musste zu lange warten, als dass ich jetzt noch rund laufen würde. Oder deutlicher, wie es der klügste meiner Freunde ausdrückt – ich spinne und das nicht zu knapp. Lucio Battisti mag aber auch er noch immer. Dieci ragazze, schreie ich als eines meiner Lieblingslieder kommt und er hält mich lachend davon ab, die Musik noch lauter zu drehen. Als Ausgleich bekomme ich eine Umarmung. Trotz Corona. Schließlich ist dieser Virus schuld, dass ich einen meiner Freunde seit Februar nicht sehen konnte. Einen, der mir besonders wichtig ist. Un avventura!!! Noch ein Lieblingslied. Ich schlüpfe aus den Armen die mich festhalten und drehe die Anlage ein kleines bisschen lauter…nur bei diesem Lied, verspreche ich und weiß, dass ich schwindle. Weiterlesen

Nachgerechnet

Das erwachsene menschliche Herz schlägt pro Minute etwa 66 Mal. Wenn es aufgeregt oder verliebt ist auch öfter. Deines vielleicht, sagt er und schafft es, mir eine Minute lang in die Augen zu sehen, ohne dass sich sein Puls erhöht. Mir gelingt es nicht. Nach 30 Sekunden bekomme ich Herzklopfen und weiche seinem Blick aus, weil ein aufgeregtes Herz nicht zu stoischer Gelassenheit passt. Noch immer, wundert er sich und streicht mit dem Daumen über die Innenseite meines Handgelenks. Nur wegen des ausgesprochen hübschen kleinen dunkelbraunen Fleck im Grün des linken Auges, erkläre ich und ziehe meine Hand zurück. Ein Herz schlägt durchschnittlich 4.000 Mal pro Stunde, meines in Stunden mit ihm vermutlich deutlich mehr. Später frage ich ihn, ob das auf Dauer gesundheitsschädlich ist und er schüttelt stumm den Kopf. Ein Herz schlägt gut und gerne 2,6 Milliarden Mal im Leben, ein paar hunderttausende Schläge mehr, würde es problemlos verkraften. Wieder liegt sein Finger an der Innenseite meines Handgelenks an meinem Puls und er lacht. Es ist dunkel und den hübschen kleinen dunkelbraunen Fleck in seinem Auge kann ich nicht sehen. Es muss an seinem Aftershave liegen, behaupte ich und wir lachen. Wir lachen, bis er mich in seine Arme zieht und meine Wange auf seiner Brust liegt. Ich mag sie, die Brust. Mag es, dass mich ein Haar an der Nase kitzelt und mag es, dass seine Haut dort unter dem braunen Flaum so warm wie ein Kachelofen ist und mag es besonders, dass sie leicht nach trockenem Holz riecht. Wahrscheinlich riecht sie anders. Nach Boss, Armani oder Paco Rabanne. Vielleicht auch nach billigem Duschgel, aber sicher nicht nach dem, das ich jetzt glaube zu riechen. Ich sag ihm, dass er nach altem, trockenem Holz riecht und spüre seine Hand in meinem Nacken, die mich kneift, weil es nach einem zweifelhaften Kompliment klingt. Ich mag altes Holz sage ich und rutsche ein Stück nach oben, um der unrasierten Wange einen Kuss zu geben und um das Herz in der Brust nicht klopfen zu hören. Altes Holz, murmelt er und schiebt mich wieder nach unten, weil „auf Augenhöhe“ geistig unabdingbar, bei unserem Größenunterschied, physisch aber unbequem ist. Weiterlesen

Balz

Seit ein paar Tagen sitzt meine Freundin Nele auf meinem Sofa. Das ist schön, aber auch ein wenig gewöhnungsbedürftig, da wir derzeit meist zu dritt darauf sitzen und sie sich den Platz zwischen mir und dem Mann an meiner Seite reserviert hat. Es ist ok, dass es derzeit der Mann an ihrer und nicht meiner Seite ist, und er und ich an den nicht von ihr besetzten Flanken eine noch winterkalte Wand zum anlehnen haben. Nele ist kälter als uns und ein bisschen Wärme kann sie gut gebrauchen. Ihr Winter war hart und ich habe ihr versprochen, dass sie sich bis zum Frühling, ein wenig bei mir aufwärmen kann. Neles Winter beinhaltete eine zwischenmenschliche Eiszeit. Eine solch frostige Klimaperiode führt ab und an dazu, dass ein Paar, den Frühling nicht mehr gemeinsam erlebt. Oft ist ein Teil des früheren Paares erleichtert und der andere erst einmal in Schockstarre. Tiefgefroren sozusagen. Nele taut langsam auf. Oder, wie eine andere Freundin gestern Abend meinte, sie erreicht langsam wieder ihre Betriebstemperatur. Wenn dem so ist, dann müssen wir dringend über die Platzverteilung auf meinem Sofa sprechen. Weiterlesen

Nagel bleibt

Ob ich endlich erwachsen werde, höre ich dich leise fragen, und sehe das Lächeln auf deinen Lippen ohne mich umzudrehen. Vielleicht. Angesichts des Kinderzimmerkartons und der WG Kiste, die ich endlich, endlich aussortiere, könnte man es meinen. Keiner der Gegenstände, die ich bei der Renovierung meiner Wohnung in den letzten Tagen aussortiert habe, gehörte dir und doch sind es Dinge, die dir vertraut sein müssen. Nicht nur dir. Einem jeden von uns, der in etwa zur gleichen Zeit geboren und im selben Jahrzehnt erwachsen wurde. Kaum einen kenne ich, der nicht mindestens eine Lavalampe besessen hatte und die CD Sammlungen von mir und meinen Freunden war sich über viele Jahre ähnlich, wenn nicht sogar identisch. Es ist an der Zeit sich zu trennen.  Weiterlesen

Vom Atmen und von Parkplätzen

Der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Tür steht, fühlt sich in der U-Bahn nicht wohl. Es ist nicht sein Terrain, aber heute hilft es nichts, weil sein Auto abgeschleppt wurde. Obwohl ich eine U-Bahn Fahrt längst nicht so schlimm finde wie er, sage ich es ihm nicht. Ich bin still, weil er schlechte Laune hat. Früher hätte ich einen mit schlechter Laune gebeten, sie nicht an mir auszulassen. Heute oft nicht mehr. Auch weil die Tatsache, dass wir in der U-Bahn und nicht in seinem Auto sitzen, in der etwas zu kreativen Wahl des Parkplatzes begründet liegt, mit der ich sein Auto am Vorabend in Schwabing abgestellt habe. Bei einem abgeschleppten Auto kann man durchaus ein wenig sauer sein, aber eine so schlechte Laune ist unangebracht. Denke ich. Sage ich aber nicht, weil ich mein Gegenüber mittlerweile kenne und am Klang seiner Atemzüge erahne, dass es klüger und für den Verlauf des restlichen Wochenendes elementar wichtig ist, dass ich den Mund halte. Selbstredend, dass mein Beitrag zu einem harmonischem Wochenende weder registriert noch honoriert wird. Er wird weggeatmet. Männer können das. Die artikulieren ihre schlechte Laune anhand tiefer Atemzüge und halten diese für vollwertige Sätze. Auch eine Kunst.   Weiterlesen