Mein Freund Alex hält den Titel dieses Textes für Clickbait. Das ist Blödsinn. Sie und ich wissen, dass es bei mir keine Schlafzimmer Geschichten zu holen gibt. Allenfalls über Dinge in meinem Schlafzimmer und die Erzählungen darüber sind alle jugenfrei. Und langweilig wie mein Freund Alex vermutet und es schon bereut, mich zur Minimalistin erziehen zu wollen. Wobei er hier in diesem Raum die besten Chancen hätte. Was mein Schlafzimmer angeht, bin ich nämlich tatsächlich minimalistisch. Oder fast es gibt nämlich auch hier etwas, das ich nicht nutze, aber ganz unbedingt brauche. Also ich, ich brauche es und wusste das schon seit Jahren.
Seit vielen Jahren verbringe ich meine Urlaub in AirBNB Apartments in verschiedenen Städten in Italiens und bewunderte dort immer zwei Dinge. Zum einen das Talent der Vermieter ihre Wohnungen grundsätzlich ohne folgende Dinge auszustatten: Korkenzieher (HALLO?!?), Schneidebrett (Teller sind kein Ersatz) und wenigstens ein einziges Messer, das scharf genug ist, um sich damit theoretisch in den Finger schneiden zu können. Warum? Da ich den Wein ohne Öffner eh nicht trinken kann und daher nüchtern und erwachsen bin, ist die Verletzungsgefahr wirklich nicht hoch. Wenn ich meine Tomaten dann mit einem Kindermesser schneide versöhnt mich nur, dass es in ausnahmslos allen Wohnungen irgendwo mindestens eine Skulptur gibt. Großartige Skulpturen. Wunderschöne Skulpturen und Skulpturen die ganz sicher nicht aus einer Möbelhauskette stammen und damit jedes 0815 Dekodings in den Schatten stellen.
Ein ums andere Mal frage ich mich, wo Menschen, die nicht mal ein Brett in der Küche haben, so schöne Dinge finden. In einer Wohnung im vierten Stock hoch über dem Meer zum Beispiel stehen auf dem Wohnzimmerschrank zwei…hm…Kraniche? Vielleicht sind es aber auch keine Kraniche und auch keine Vögel sondern….. Keine Ahnung, aber die beiden sind aus schwerem Metall und ich habe sie mir schon mehrfach zwei Wochen am Stück bei jeder Mahlzeit angesehen und mit jedem Tag schöner gefunden. Oder in einer anderen Wohnung, da hängt an schweren Seilen ein Fisch. Schwer zu beschreiben wie der aussieht. Halb Fossil, halb Traumgebilde aber ausgesprochen interessant. Wo findet man etwas, das wahrscheinlich deutlich über einen Zentner wiegt, einen Durchmesser von locker 1,50 Metern hat und trotzdem filigran und leicht wirkt? Wie schön wäre das anzusehen, wenn man den Wein zuvor nicht mit einem Schraubenzieher entkorken müsste. So etwas tolles, zu mir und meiner Wohnung passendes, habe ich jahrelang gesucht und nie gefunden. Es muss etwas sein, dass einen sofort anspringt; etwas, das da steht, als hätte es nur auf einen gewartet.
Angesprungen hat mich Lauinger sofort. Besser gesagt, er ist mir sofort ins Auge gesprungen als ich vor etwa zwei Monaten im strömenden Regen abends nach Hause kam. Da stand er mit seiner Familie im Schaufenster eines Trödelladens an der Bushaltestelle. Keine Ahnung was oder wer er war, aber an diesem Abend nach einer Busfahrt im Feierabendverkehr, wirkte er so ruhig und entspannt, wie ich es gerne gewesen wäre. Ich lächelte ihn an und wünschte einen schönen Abend. Klingt komisch, ist es auch, aber ich gehöre zu den Menschen, die Dinge im vorbei gehen grüßen. Nicht alle Dinge, nur solche, die eine bestimmte Ausstrahlung besitzen. Eine Woche später war das Wetter besser und Lauinger stand noch immer, Gelassenheit ausstrahlend, im Schaufenster des Trödlers. Auch nach zwei Wochen, nach drei und nach vier. Ich hatte mich so an ihn gewöhnt, dass ich an manchen Tagen einen kleinen Umweg machte, um kurz bei ihm vorbei zu schauen. Einfach um….ja, um was eigentlich…vielleicht, um etwas von seiner Ruhe abzubekommen. Auch das klingt komisch, ist es aber nicht, wenn Sie Lauinger kennen würden.
An einem Abend, etwa zwei Monate später, war Lauinger verschwunden. Etwas, das mich nicht hätte überraschen sollen, da Objekte in einem Laden dazu neigen, irgendwann verkauft zu werden. In der Tat überraschte es mich nicht, aber es machte mich traurig. So traurig, dass ich kurz davor war auf offener Straße loszuheulen. Ich tat es nur nicht, weil ich ihn, mit an der Scheibe plattgedrückter Nase, ganz hinten im Laden entdeckte.
Am nächsten Tag bin ich direkt nach der Arbeit zum Trödler und habe ihn abgeholt. Ihn und den Rest seiner Gruppe. Weil sie zusammen gehörten und weil ich mich längst nicht nur mit Lauinger, sondern auch mit Herzog, Lechen und Vicolo angefreundet hatte. Nur waren die drei etwas leiser als Lauinger, aber mindestens so entspannt. Sie sind aus einer Keramik, die sich wie Stein anfühlt und auch so aussieht. Sie stehen, sitzen, sind auf einer schweren Metalstange und haben sich, bei mir angekommen, sofort ihren Platz gesucht. Man möchte meinen, dass Dinge von dem, der den Mietvertrag unterschrieben hat irgendwo hingestellt werden. In diesem Fall nicht. Ich wurde nicht gefragt. Lauinger zog sofort in das Schlafzimmer unter Gerdas Bild, während Herzog, Lechen und Vicolo im Wohnzimmer auf dem Regal ganz oben Platz nahmen. Von dort schauen mir die vier seit jetzt einem Monat beim Leben zu. Und beruhigen mich. Einfach nur weil sie da sind. Sie und ich gehören zusammen. Das war mir eigentlich schon beim ersten zufälligen Treffen im strömenden Regen klar.

Hier sehen Sie die vier. Sehr schwer, jeder steht für sich auf dem Metalständer und sie sind zwischen 55 und 35 Zentimenter groß. Lauinger ist der Große.

Oh, wie schön ästhetisch schön, kein Kitsch! Durch die Farbverläufe hat man viel zu sehen. Sicher auch bei verschiedenen Lichtverhältnissen! Ich kann dich gut verstehen. Und es sind Vögel, die dir nicht davonfliegen.
Liebe Grüße,
Syntaxia
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Freut mich, dass sie dir auch gefallen! Die Farben mag ich auch sehr. Schöne Unikate und die glatte Oberfläche fühlt sich auch toll an.
Liebe Grüße
Mitzi
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kleine anmerkung: in den 70er/80ern standen in vielen wohnzimmern kranichskulpturen.
MEIN beruhigendes dingens im schlafzimmer ist diese dame:
https://www.kunstnet.de/werk/296489
ich hab sie links auf die seite gelegt. so hat sie eine wunderbar einschläfernde wirkung auf mich, wenn ich von meinem kissen aus direkt auf sie schaue.
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Vielleicht sind die italienischen Kraniche auch aus der Zeit. 😊
Wow. Die Dame ist eindrucksvoll. Gefällt mir, dass du sie auf die Seite gelegt hast. Ein Bild das man lange anschauen kann.
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schön, dass du ein Portrait von Lauinger zeigst, sonst wäre es mir trotz deiner anschaulichen Schilderung schwer gefallen, mir ein Bild von ihm zu machen. Und natürlich fühle ich mich geehrt, dass er den Platz unter meinem Bild gewählt hat. Bitte übermittle ihm meinen herzlichen Gruß! ,
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Mach ich. Mir gefällt sein Platz unter dem „gelben“ Bild sehr gut – er hat eine gute Wahl getroffen ;).
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Niedliche Kerlchen! Wie kommst du auf diese Namen?
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Ein kleiner Mensch in meinem Umfeld, meinte dass die vier Namen brauchen und war mit meinen Vorschlägen überhaupt nicht einverstanden.
Er meinte, ich muss an etwas denken, was ich mag und dann einen Namen draus machen.
Ich dachte an Orte, weil ich viel weniger kreativ, als er bin. Und von ihnen abgeleitet dann die vier Namen. Vicolo kommt z.B. von „Vicolo Colombine“ einer Gasse in Verona in der ich mal gelebt habe 🙂
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Der kleine Mensch hat natürlich Recht, man kann sie nicht einfach Figur 1 bis 4 nennen. Und unkreativ ist dein Vorgehen natürlich nicht! Bei mir hätten sie nach der geforderten Methode einfach Schokolade, Chips, Eis und Fondue geheissen… 😉
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Wenn ich den ersten Impuls gefolgt wäre, dann hätte das auch bei mir gepasst. 😂
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Es ist erfreulich, dass die Psittacidae eher ruhig sind. Das ist nicht bei allen Vertretern so! Und schön, dass Du sie als Gruppe hältst. Das sei der geselligen Art dieser Tiere angemessen.
Was flüstern sie Dir wohl ein? Denn bekanntlich sind sie redegewandt. Und phantasiebegabt (ich hoffe, sie bauen nicht zu viel um, wenn Du abwesend bist!).
Jetzt fehlt nur noch ein Bild von Lauinger unter dem Bild. Damit man sich davon einen Eindruck machen kann.
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Das Bild kann ich dir nachreichen 🙂
Papagei…lustig, bisher hab ich sie tatsächlich nicht als solche gesehen. Aber jetzt wo du es sagsts, ja doch….das passt auch.
Das Zusammenleben gestaltet sich bisher sehr gut. Es bin eher ich, die ihnen die Ohren voll plappert.
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Na ja, ein Reiher ist das nicht, dafür ist der Schnabel etwas zu kurz… Paß auf, was Du ihnen erzählst. Papageien plappern plötzlich los ind erzählen alles Mögliche weiter!
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Ne, an Reiher dachte ich nicht. Ich hatte Pinguine im Kopf. Wenn sie stehen, dann wirken sie ein bisschen so.
Oje….bei mir also kein Staubi der alles mitbekommt sondern vier Papageienpinguine.
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Paparazzi. Na gut, Pinguine. Der krumme Schnabel… na, wenn wir in den Norden gehen (und die Portugiesen nannten diese TIere nach dem, was sie kannten, also ihrem Wort für Alkenvögel – so gesehen gibt es die sehr wohl auf der Nordhalbkugel!), dann könnten das Papageientaucher sein (s.a. 84., Kapitel 4, der Lund von Basketville). Auch ganz witzig. Versuchs mal mit eiskaltem Wasser in der Badewanne – springen sie rein, so dürfte das ein Beweis sein.
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Egal, was jetzt kommt – jetzt bist du nie mehr allein, wenn du es nicht sein willst Sie gefallen mir auch, aber ich überlasse sie bedingungslos dir.
Lieben Gruß
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Schön geschrieben, Clara. 🤗
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