Hauptsache gelb

Ich hatte gerade erst in Italien zu arbeiten begonnen, als man mir zu meinen morgendlichen Kaffee am Bahnhof ein Brioche umsonst dazu gab. Als ich fragt warum, lächelte man mich an und sagte, weil ich ein hübsches blondes Mädchen sei. Im Büro stand auf meinem Schreibtisch ein Wasserglas mit einem Mimosenzweig. Der sei für mich, weil ich es schön sei, dass ich jetzt hier arbeitete und mein Lachen so fröhlich klingt. Vom immer zu spät kommenden Kollegen erhielt ich eine gelbe Tulpe mit einem Grinsen. Er sagte, sie sei für mich, weil mit meinen mangelnden Italienischkenntnissen das Chaos, das man eigentlich Italienern zuschrieb, in Form einer Deutschen, eingezogen sei. Ich bekam auch am Mittagstisch im Einkaufszentrum ein gelbes Blümchen. Am Abend nahmen mich die Kolleginnen mit in ein Restaurant. Kaum ein Mann war an den Tischen zu finden, aber reichlich Frauen und alle hatten Blumen vor sich stehen. Hinterfragt hat diesen Tag außer mir, wohl keine. Später sagte mir eine Freundin, dass sie meine Fragen dumm fand. Freu dich doch einfach, meinte sie und hatte recht.

Die Italiener, die ich kenne, stürzen sich gerne mit Leidenschaft in die Dinge und zelebrieren das, was ihnen wichtig ist mit Hingabe. Am 8. März ist es egal ob man ein altes Weib hinter dem Gemüsestand oder ein junges Ding an der Supermarktkasse ist. Man braucht nicht wie am Valentinstag einen Mann um diesen Tag zu feiern, es reicht eine Frau zu sein. Man wird gefeiert und noch viel schöner, man feiert sich selbst. Nicht weil man sich für etwas besonders hält, sondern einfach freudig und herzlich. Ursprünglich entstammt er den für ihre Rechte kämpfenden Frauen. Auch nach dem Frauenwahlrecht, war es ihnen bis in die 70er Jahre in manchen, ländlichen Teilen Italiens fast unmöglich ohne männliche Begleitung in Lokale zu gehen. Der 8. März war die Ausnahme und Frauen feierten schon damals an diesem Tag und hauten ordentlich auf den Putz. Ein Recht, dass sich Frauen heute an jedem Tag heraus nehmen sollen und dürfen. Es ist ein Kampf der sicher noch nicht vorbei ist und doch ist an diesem Tag nichts vom Geschlechterkampf zu spüren. Gleicher Verdienst und Anerkennung in vielen Bereichen ist noch längst nicht an der Tagesordnung und doch haben es die italienischen Frauen geschafft, sich all das  zwar in Erinnerung zu rufen, ihren Kampf an diesem Tag aber ruhen zu lassen und sich einfach nur auf Händen tragen zu lassen.

Als ich in Italien lebte, verdiente ich auch als ich fließend italienisch sprach nur die Hälfte meiner männlichen Kollegen. Es hat mich täglich geärgert. Die Blumen und die Komplimente nahm ich trotzdem gerne. Überhaupt freue ich mich über Komplimente jeder Art. Wahrscheinlich weil ich mich in Beziehungen nie beweisen musste und „schöne Augen“ oder „hübsches Lächeln“ für mich nie bedeuteten, dass man den Rest der in mir steckt übersehen könnte.

Heute bin ich nicht in Italien, sondern in München und gelbe Mimosen habe ich als Foto via WhatsApp erhalten.

Die gelben Tulpen habe ich mir selbst gekauft. Mir, meiner Freundin und meiner Nachbarin. Schönen Weltfrauentag, schönen Samstag, schönen Sonnentag. Suchen Sie sich aus, was für Sie am besten passt. Wenn Sie mich fragen, dann schadet das aber auch nicht, wenn es heute nicht nur ein schöner Samstag, sondern eben doch der Weltfrauentag ist. Wir verdienen nämlich immer noch deutlich weniger als Männer. Und angesichts der Probleme mit denen Frauen in anderen Ländern konfrontiert sind, ist das (so erbärmliches ist) noch eines der kleineren Probleme.

18 Gedanken zu “Hauptsache gelb

  1. Watson:

    *Artikel zu Veranstaltungen am Weltfrauentag*

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    „Und wann ist Weltmännertag? Wir leisten auch ganz viel!“

    🙄

    Es gibt auch weiterhin viel zu tun.

    Schönen Sonnen- und Weltfrauentag!

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  2. Es sollte an jedem Tag Gleichberechtigung herrschen. Gut, die wird es wohl niemals geben – aber man sollte zumindest bezüglich Frauenrechte und Gleichstellung den Weg einschlagen, der seit einigen Jahrzehnten doch etwas erfolgreich gegangen wurde. Statt dessen aber sendet derzeit die Politik in unserem Land recht deutliche Signale aus, dass es den Herren da oben wohl eher recht wäre, wenn es bezüglich Gleichberechtigung der Frauen wieder rückwärts gehen würde.
    Hab ein schönes Wochenende!

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    1. Ja, den Eindruck habe ich leider auch immer wieder. Und genau wie Muttertag, ist ein einzelner Tag natürlich Quatsch, wenn es um Selbstverständlichkeiten geht. Um daran zu erinnern, ist er aber wahrscheinlich nicht schlecht. Auch dir ein schönes Wochenende.

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  3. Soweit ich das überblicke (also in den Gehaltsstufen, in denen ich unterwegs war) haben in meinen Jobs immer (d.h. in der Zeit, in der ich arbeitete) Männer und Frauen gleich viel verdient. Im gleichen Aufgabenbereich und es mag wohl sein, dass manchmal Männer schneller befördert wurden und was gewiß so ist, dass mehr Männer Vollzeit arbeiteten. Das Warum ist bekannt. Stellenweise hat sich das in der jetzigen Elterngeneration ein wenig verändert, zumindest erlebe ich eine, freilich wieder vom Verdienst abhängige, Bereitschaft, auch als Mann Teilzeit zu arbeiten.
    Das heißt nun alles andere, als dass man schulterzuckend zustimmen kann und sagt, dann ist’s doch gut. Denn es gibt offensichtlich Bereiche, in denen selbst derlei nicht selbstverständlich ist. Und vielfach eine Tendenz, zurück in die gute alte Zeit der gelebten Ungleichheiten zu wollen.
    Nein, derzeit ist es wichtiger denn je, sich an die erstrittenen Rechte zu erinnern. Für Frauen, für Menschen, für Arbeitnehmer, für… alle! Denn jene, die sie gern reduzieren oder abschaffen möchten, sind stark, lautstark und haben eine starke, dummdreiste Gefolgschaft.
    Was niemanden davon abhalten sollte, gelbe Frühlngsblüten zu genießen, schön zu finden. Denn das Empfinden des Schönen wäre doch gerade so eine Eigenart, die in unserer Gesellschaft zu wenig Wertschätzung genießt. Vielleicht ja sogar eine weibliche Eigenart.

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    1. Genau. Du bringst es auf den Punkt und ich habe nickend deinen Kommentar gelesen. Ein bisschen was ist geschafft. Zum Glück. Aber es fehlt auch noch einiges. Liebe Grüße

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      1. Ich glaube, dass es in den Berufen, in denen das Geld ein Entgelt für geleistete Arbeit (und manchmal vergeudete Zeit) ist, oft ein wenig fairer zugeht, als in denen, in denen man dafür bezahlt wird, dass man anderen das Geld aus der Tasche zieht… Aber ich kann mich täuschen.

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      2. Das kann gut sein. Zumindest bin ich mir recht sicher, dass es bei den Berufen im Finanzbereich noch eine deutliche Ungleichheit gibt. Ob die nun allen Menschen Geld aus der Tasche ziehen, bleibt dahingestellt. Schwarze Schafe gibt es dort, aber sicher reichlich. Es würde mich ja freuen, wenn es auch Branchen gibt, in denen die Bezahlung gleich ist.

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  4. Was ich noch loswerden wollte (1623., Konrad der Eroberer, Kap. 2), der Betirag von gestern kann auch, nicht eben leichtverdaulich und gleich mit einem Männernamen im Titel, als Nachtrag zum Weltfrauentag gelesen werden. Wenn auch nicht als optimistischer…

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    1. Hab ich gestern tatsächlich auch gesehen und angefangen zu lesen. Allerdings nicht weiter gelesen, weil ich gestern derart schlechte Laune hatte und vermutete, dass der Text keine leichte Kost ist. Ich werde ihn aber noch lesen, weil mich der Anfang schon interessiert hat.

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      1. Da hast Du freilich recht. Der wird nicht eben als leichte Unterhaltung angeboten. Anders vielleicht als der heutige Beitrag, obwohl, Kap. 4. Wenn die Stimmung danach ist, dann schau nur Deine gelben Blumen an. Bei uns überwiegen die weißen: Schneeglöckchen und Märzenbecher (puh. Nächstes Jahr dürfen wir auf die dann geländegängige Jugend aufpassen, damit sie denen nicht zuleibe rücken!).

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      2. Hilft ja nix den Kopf in den Sand zu stecken. Grundsätzlich hab ich deshalb nix gegen schwere Kost. Im Fall von Erzählungen kann man den Zeitpunkt des Lesens zum Glück ja steuern.

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