Farben – bitte sortiert

Ich liebe Farben. Jede einzelne. Und am allerliebsten sind sie mir, wenn sie einer gewissen Ordnung folgen. Nicht draußen, natürlich. Ein chaotischer Bauerngarten oder eine wilde Blumenwiese sind mir um einiges lieber als streng geordnete Beete. In der Pflanzenwelt kann und sollte ruhig der Zufall den Blick immer wieder aufs Neue überraschen. Aber in einem Kasten mit Wasserfarben zum Beispiel gefällt es mir, wenn die kleinen Tiegel von hell nach dunkel geordnet sind. Schon als Kind habe ich jeden Malkasten erst einmal umsortiert und meine ganz eigene Ordnung geschaffen. Oben die Grundfarben und in der zweiten Reihe die Komplementärfarben. So waren sie aufgebaut. Unmöglich für mich als Dreijährige. Weiß, gelb, orange, rot, rosa usw. musste die Farbfolge sein, um mich zufrieden zu stellen. Meine Mutter hätte sich sicher über diesen Ordnungssinn gefreut, denn jenseits von Farben war ich seit jeher eine großer Freundin des kreativen Chaos – oder um mit dem Worten meiner Mutter zu sprechen von einem Saustall im Kinderzimmer. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen auch nur irgendetwas zu ordnen, es sei denn…..richtig, es handelt sich um Farben.

Wunderbar zum Beispiel auch Wollknäule. Die liebe ich auch. Hätte ich auch nur den Hauch Talent für Handarbeiten jeglicher Art, würde ich mich noch heute ständig in Wollfachgeschäften herumtreiben. Noch immer denke ich gerne an die Nachmittag, die meine Mutter in solchen Geschäften verbrachte. In unserem Viertel gab es einen, der nicht nur Wolle verkaufte, sondern den Frauen (Männer strickten damals kaum) auch bei komplizierten Mustern half. Einmal im Monat saß meine Mutter dort einige Stunden strickend mit anderen Frauen und ich streifte durch den Laden. Ein Paradies. Farben über Farben und so viel mehr Schattierungen als in meinem winzigen Farbkasten. Ich konnte mich nicht sattsehen und strich heimlich mit den Fingern über die Knäule. Sortieren musste ich hier nichts, es herrschte bereits eine vollendete Ordnung. Und doch hätte es mir gefallen, wenn all diese wolligen, farbigen Bälle auf einem Haufen gelegen hätten und man mir erlaubt hätte sie in die hohen Regale zu sortieren. Leider fielen die Knäule nie heraus und leider lernte ich nie Stricken. Als kleinen Ersatz habe ich die wohl umfangreichste Sammlung an Nähgarnen, die ein Haushalt besitzen kann, wenn keiner darin näht. Womöglich ist das etwas übertrieben, aber ich habe bestimmt die am meist sortierteste Sammlung. Da ich nur Knöpfe annähe uns sehr selten Vorhänge kürzen, ist die Hauptaufgabe der Spulen mir Freude zu bereiten.

Etwas mehr Talent wäre wirklich wünschenswert für einen Menschen, der Farben so gerne hat wie ich. Meine Nichte zum Beispiel, die beneide ich von ganzem Herzen. Sie malt und zeichnet und hat mich vor einiger Zeit in ein Farbenfachgeschäft mitgenommen. Im Gegensatz zu ihr brauchte ich nichts, aber am Ende musste sie mich an der Hand von den endlos langen Regalen wegziehen. Ich wusste nicht wie viele Farben in verschiedensten Ausführungen es gibt. Um wenigstens einen Teil dieser Freude mit nach Hause zu nehmen kaufte ich mir Textmarker in Pastellfarben. Die nutze ich und….genau….die liebe ich. Irgendwann muss ich unbedingt wieder in diesen Laden gehen. Noch schöner wäre es freilich, dann auch etwas zu brauchen. Wahlweise hätte ich mich beizeiten um eigenen Nachwuchs bemühen können.

In meiner Kindheit hatten Legosteine nur eine Handvoll Farben. Zwischentöne gab es nicht. Sie können sich nicht vorstellen wie begeistert ich vor einigen Jahren war, als ich mit einem mir ausgeliehenen Kind seine Legokiste auskippte. Lila! Rosa! Pink! Mintgrün! Olivegrün! Hellorange und Dunkelorange! Ein Traum. Das Kind baute eine eindrucksvolle Burg. Mit Burggraben und Ställen. Auch ich baute. Eine Mauer. Mit jeder Farbe eine Reihe. An diesem Abend schlief das Kind schon auf dem Teppich, als ich meine Mauer noch einmal um eine Reihe in einem besonders schönem lindgrün ergänzte. Der Mutter des Kindes habe ich so lange von den wunderschönen Farben vorgeschwärmt, bis sie mir anbot, dass ich regelmäßig zum Spielen vorbei kommen dürfe. Wahrscheinlich hätte sie mir sogar die Legokiste ausgeliehen, aber ich fürchte, dass auch mein Legotalent nicht für mehr als rudimentäre Mauern reicht.

Mein Talent ist mir jetzt egal. Gerade habe ich mit dem mutigsten meiner Freunde telefoniert und ihm erzählt, dass ich mir Buntstifte gekauft habe. Ein Sortiment mit 140 verschiedenen Farben. 140!!! Können Sie sich vorstellen wie viele Grüntöne hier dabei sind? Viele. Sehr, sehr viele. Der mutigste meiner Freunde kennt mich und da er in den letzten 25 Jahren noch nie erlebt hat, dass ich zeichne oder male blieb er am Telefon eine Weile stumm. So stumm hört man ein Grinsen besonders laut. Ich grinse auch. Mit 140 wunderschönen, hochwertigen, weichen Buntstiften kann man viele wunderbare Dinge machen. Zum Beispiel Kästchen ausmalen. Stundenlang. Das kann ich richtig gut.

Der mutigste meiner Freunde sagt, ich spinne. Aber ich spinne glücklich. 140 Farbtöne. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch einige Rottöne nicht ausprobiert und dabei mein Talent entdeckt: Kästchenausmalen. Das kann ich richtig gut.

38 Gedanken zu “Farben – bitte sortiert

  1. oha, ja, 140 Farbtöne ist eine ganze Menge. Und das Ausmalen von Kästchen mit wundervollen Farben bringt dich einen großen Schritt der Malerei entgegen. Denk nur an die Farbenzauberwelt von Paul Klee, der eines Tages glücklich notierte: ich habe die Farben!

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  2. Diese gigantischen Stifteangebote machen mich auch begehrlicher als es ein Schuhladen je könnte. Kästchenausmalen – das ist Kindheitserinnerung, aber da wäre ich auch sofort dabei, um alle Stifte auszuprobieren.

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  3. Einhundertvierzig???? Wow, so viele Farbtöne könnte ich gar nicht benennen. Meine ältere Tochter liebt das Malen und die jüngere das Sortieren von Farben nach dem Regenbogenprinzip. Beides haben sie nicht von mir, aber mit so einem Farbkasten könnte ich 2 Mädchen sehr glücklich machen. Muss gleich mal schauen …. 😉

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  4. Also, hast du lust Wolle nach Farben zu sortieren?
    Ich rolle auf die drei D-Rollen sug und Du sortierst.
    Ich glaub wir hätten Spaß dabei.
    Im Moment wäre noch das Problem wohin Du sortieren sollst.
    Ich bin ja schon fleißig zwischendurch hier am aufrollen. Die schon aufgerollten liegen im Moment noch etwas unsortiert auf dem obersten Bord im Schlafzimmer rum.
    Immerhin einmal schon mit Clips und noch ohne Clips zum festmachen der Wolle.
    Mein Partner hat Sie mir aber schon gedruckt die Clipse zum festmachen der Wolle.🤓
    Gruß aus Hamburg Ann-Kris

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  5. 140 klingt so als sollte ich ehebaldigst auch wieder einmal in ein Künstlerbedarfsgeschäft eilen, da gibt es diese tollen Regale mit wunderbar farblich sortierten Fläschchen oder Tuben. Ein wahres Paradies für das ich mir immer viel Zeit nehme ….

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  6. Das muß ich loswerden: Knäule statt Knäuel gefällt mir. Klingt schwäbisch (klar kommt jetzt: geh auch sparsam mit der Wolle um! Schafe kosten auch Geld!) in meinen Leserohren.

    Das mit den Farben… genau so war es. Nein, keine Hundertirgendwas. 36, glaube ich. Gehörte zu den Sachen meines Bruders, an die ich als kleines Kind nicht randurfte und meine Begehrlichkeit weckte. Man denke, 36 Buntstifte! Heut noch betrachte ich solche Schachteln mit Sehnsucht. Aber brauche ich sie? Ja, ist das die Frage?

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    1. Die Knäuel…wirklich? Jetzt wo du es schreibst… 🙈
      Aber danke für die Ausrede. Ich hab die schwäbischen gemeint.
      36 als Kind sind ein Traum. Mein Farbkasten hatte auch „nur“ zwölf. Vielleicht ganz gut, sonst würde ich mich heute nicht so freuen. Die Sehnsucht ist aber auch ganz schön. Ein paar unerfüllte sollte man haben. Wolle werde ich mir deshalb nicht kaufen.

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      1. Wolle macht nur Sinn, wenn man entweder fest entschlossen ist, mit Handarbeiten anzufangen. Oder sich eine Katze zulegt! In beiden Fällen muß man die Gefahren kennen. Entweder man ist mit sich und dem Zuwachs unzufrieden. Oder diese, Wolle, Strickzeug und Katzen, neigen zur ungebremsten Vermehrung…

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      2. Ehrlich gesagt, klingt die Vermehrung für mich ganz reizvoll. Da ich allerdings in einer Wohnung mitten in der Stadt wohne, lasse ich von Wolle erst mal lieber die Finger.

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      3. Ich war mal in einer Fortbildung, in der wir über verschiedene Säulen (Persönlichkeit und so Zeugs) belehrt wurden. Der Fortbildner malte Säulen. Ich nutzt die Pause und malte Säule. Also niedliche Schweinchen.
        Er war zum Glück souverän genug und wußte diese Merkhilfe zu nutzen!
        (Siehe auch mein Beitrag zum Wirbelsäule (derdiedas Wirbelsäule https://petrastextzeit.wordpress.com/2020/12/31/2061/). Die Dialekte geben immer was her!

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      4. Ja, der war recht souverän. Sowas macht immer Freude. Natürlich hat er gestutzt, als er meine Verbesserungen auf seiner Flipchart sah, brauchte eine rasche Aufklärung bzw. Einführung in das spezielle Idiom, aber dann nahm er die Anregung sofort auf!

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  7. Kann ich sehr gut verstehen!

    Meine Farbstiftkästen liebe ich sehr. Der Anblick der geordneten Farben beruhigt und beglückt. Talent zum Malen habe ich auch nicht, habe es versucht und mir Stifte gekauft. Wohl auch nur, weil sie so fein aussehen und man, wenn man kann, damit viel Schönes zustande bringen könnte. Es gibt manchmal Gründe einen Brief zu verzieren und dann ist es wunderbar einen Kasten zu öffnen…

    Ich fand auch die Farbtäfelchen der M. Montessori schön, die wir als Anschauungsmaterial in der Ausbildung sahen.

    Liebe Grüße,

    Syntaxia

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    1. Dann scheint es nicht nur mir so zu gehen. Genau Wahrscheinlich ist es am Ende gar nicht so wichtig, ob man ein Talent hat oder nicht. Wenn sie eine Freude bereiten, wird man schon irgendeine Verwendung finden.
      Die Montessori Farbtafeln werde ich mal googeln.
      Liebe Grüße

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  8. Glücklich spinnt es sich doch am besten!

    Bei mir sind es Nagellackfläschchen. Keine Ahnung wieso, die haben einfach irgendwann angefangen, sich so richtig hinterrücks anzusammeln, und weil ich a) kaum Nagellack trage und b) nichts wegwerfen kann…

    Ich hoffe trotzdem, dass es keine 140 werden. Und wünsche dir weiterhin farbenfrohe Glücksmomente!

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  9. ich bin neidisch auf die 140 Buntstifte! Dir wünsche ich viel Spaß beim Ausprobieren und Malen und vor allem beim Einsortieren der Farben! Bei 140 Farben ist das ja ein Traum 😻 da fällt mir das Handyspiel „I Love Hue“ ein, wo man Farben sortieren muss. Vielleicht ja auch was für dich 🙂

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  10. Ich habe vor ein paar Jahren mal eine Packung mit 48 Buntstiften geschenkt bekommen – und fand das schon viel – viel grün, viel rot, viel blau usw. und sogar einmal gold und einmal silber.
    Das man damit Kästchenausmalen kann – gute Idee, das probiere ich auch mal.

    Aber 140?! Da bin auch ich neidisch. Und was ist das für eine große Packung. Ich bin beeindruckt.

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    1. Die ist wirklich beeindruckend. Und wenn ich ehrlich bin, dann hätten 48 Stück natürlich auch gereicht. Aber ich war ein bisschen wie ein kleines Kind… Liebe Grüße

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    1. Stimmt 🙂 Ich hinke dem Trend immer ein bisschen hinter her. Aber anscheinend liege ich versehentlich manchmal doch im Trend mit meinen Beschäftigungen. Liebe Grüße

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  11. Im Nachgang fiel mir ein und auf: Kleine Zwänge verspürt jeder, ein wenig Waschzwang, wenn man in einer schmuddeligen Wohnung war oder zum Beispiel den durchaus akzeptablen (das ist doch klar und logisch und außerdem verspüre ich denselben Drang), Farben zu sortieren. Während ich – weiter oben – keinerlei Sinn darin erkenen kann, Gewürze außer für eine Aufzählung alphabetisch zu sortieren. Koriander, Kümmel, Curry… ach, selbst dafür scheint das wenig ergiebig. Nein, wenn – die Schublade mit den Sächelchen gehörte dringend mal durchgesehen! – dann muß das doch nach Nutzungshäufigkeit geordnet sein. Wir schließen daraus, dass Zwanghaftigkeit bis hin zum anerkenneswerten Status einer Krankheit im Auge des Betrachters liegt. Bücher und Stifte, so farblich unterscheidbar, gehören sortiert, ja!

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      1. Was wäre der Mensch ohne Spleen? Und alles gleich zu finden zeugt von einer Charakteristik, die in der modernen Welt noch weit weniger überlebensfähig ist als früher. Wer fand schon mal im Internet auf Anhieb das Gesuchte…

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