10717 Extragroß

Ob 1.500 Teile wohl reichen? Ich bin mir nicht sicher und konsultiere vorsichtshalber meine Kollegin. Ihr Brief muss warten. Das Zeug ist schließlich nicht billig und es war schon früher so, dass die begehrten Teile nur begrenzt verfügbar waren und meist auch nur in der falschen Farbe. 1.500, frage ich, reichen die? Sie zuckt mit den Schultern und tippt auf den Bildschirm. Vielleicht ja, aber noch wichtiger ist es, eine ordentliche Anzahl an Bodenplatten zu bestellen. Die waren schon damals, sie erinnert sich genau, Mangelware. Ich nicke und lege einen Satz besonders großer Bodenplatten in den virtuellen Einkaufskorb. Wenn man gerade im Begriff ist fast 75 Euro für Legobausteine auszugeben, dann kommt es auf die Bodenplatten nicht mehr an. Auch, weil diese nicht mehr nur in dunkelgrün, sondern in allen nur erdenklichen Farben zu haben sind. Ein Kollege aus dem Nachbarbüro wartet ungeduldig auf den zu unterschreibenden Brief und schüttelt jetzt den Kopf. Bodenplatten sind ja ganz ok, viel wichtiger aber sind die Räder. Genau die, sind früher doch immer ausgegangen. Räder und diese kleinen durchsichtigen Knöpfchen, die man als Sirenen verwenden konnte. Sirenen und Räder? Meine Kollegin und ich schütteln den Kopf und der wartende Zimmernachbar blickt über unsere Schultern auf den Bildschirm, der seit geraumer Zeit schon die Ebay Suchergebnisse anzeigt. Hier, er tippt energisch dagegen, das muss ich kaufen. Alle Kinder stehen auf Fahrzeuge, von den Steinen reichen ein paar Handvoll, aber die Räder und dünnen Plättchen, die zu Tragflächen werden, die sind wichtig für die Kinder.  Kinder? Wir sehen ihn fragend an und scheuchen ihn aus dem Büro, bevor er nachhaken kann. 4.500 Teile, frage ich die Kollegin und sie nickt. Wenn schon, dann das gesamt Programm. 75 Euro für drei Bodenplatten und 4.500 Teile – ein Schnäppchen.  Weiterlesen

Pudriges Altrosa und doch eine Enttäuschung U-Bahn Gedanken

Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so anstarre. Ich merke, dass es Ihnen unangenehm ist. Wir kennen uns ja nicht und in der U-Bahn lösen die aufdringlichen Blicke fremder Menschen schnell ein unangenehmes Gefühl aus. Auch ich mache Sie nervös. Schon vor einigen Minuten haben Sie Hemd und Krawatte auf mögliche Flecken überprüft. Ich kann Sie beruhigen, Ihr Hemd ist fleckenlos weiß und auf der Krawatte kann ich keine Spuren Ihres Frühstücks erkennen. Ich sollte Sie wirklich nicht so anstarren, aber Ihre Krawatte ist so ausgesprochen hübsch, dass ich es doch tun muss.

Sie können es ja nicht wissen, aber ich habe ein Kleid in genau der gleichen Farbe. So ein hübsches, pudriges altrosa findet man nicht oft und ich verliebte mich sofort. In die Farbe. Nicht in den Schnitt. Der war alltäglich, fast schon gewöhnlich. Aber Sie verstehen sicher, dass man einer solchen Farbe, einem solch herrlich ungewöhnlichem, pudrigem altrosa nicht widerstehen kann. Sie konnten es ja selbst nicht, wie Ihre Krawatte verrät. Ich will nicht behaupten, dass ich mich in Ihre Krawatte verlieben würde. Das wäre doch ein wenig albern. Aber erst durch deren Farbe sind Sie mir aufgefallen. Ich weiß natürlich, dass selbst ein noch so schönes, pudriges altrosa kein aufdringliches Starren rechtfertigt. Ein bisschen sind Sie aber selbst schuld. Sie tragen nicht nur einen Farbton, der mir schon letztes Jahr ans Herz gewachsen ist, Sie schmücken sich auch noch mit einem Kleidungsstück, das mit Tupfen verziert ist. Ich mag Tupfen und Punkte, müssen Sie wissen. Ä, Ö und Ü schreibe ich manchmal nur, um die zwei Punkte tupfen zu dürfen. Tupf, tupf. Ach, das ist manchmal das schönste an einer langweiligen Nachricht. Meine Kollegen ahnen nicht einmal, wie lange ich manchmal für eine Handgeschriebene Notiz brauche, nur weil ich nach Wörtern mit möglichst vielen Umlauten suche. Mittlerweile habe ich Übung darin. Aber das ist Ihnen sicher egal. Womöglich genauso egal wie die Tatsache, dass die Punkte auf Ihrer Krawatte einen Farbton haben, der meiner Haut auf der Innenseite der Unterarme im Winter ganz nahe kommt. Meinen Sie nicht auch, dass das Grund genug ist, sie ein wenig genauer anzusehen? Ich habe Sie ja eh schon nervös gemacht. Da kann ich mir auch den Rest von Ihnen ein wenig näher ansehen.

Ach Gott, nun sind Sie doch zur Endtäuschung geworden. Ein langweiliger Anzug. Ein nichtssagendes Gesicht und noch dazu so unangenehm nervös, nur weil ich Sie ein wenig zu lange anblickte. Entschuldigen Sie die Umstände, aber Ihr angespanntes Lächeln kann ich nun wirklich nicht erwidern. Es ist nicht halb so schön, wie die Tupfen auf Ihrer Krawatte und nicht annähernd so einzigartig wie der pudrige, altrosa Farbton. Das mit uns wird nichts. Sie sehen es ja selbst, ich weiche Ihrem Blick jetzt aus und halte die Luft an, bis ich aussteigen kann. Nur wegen Ihnen. Denn Sie haben sich bewegt und ich mag ihr Rasierwasser nicht. Luftanhalten über drei Stationen wird schwer. Sind Sie doch so lieb und steigen Sie hier aus. Ach danke, das ist wirklich rücksichtsvoll.

Lassen Sie sich nicht von hübschen Krawatten täuschen. Fast hätte ich die von heute morgen gebeten, mich und mein pudrig, altrosa Kleid auszuführen. Es hätte nicht funktioniert.