Paprika Edelsüß

Der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht, teilt mir mit, dass er in näherer Zukunft nicht bei mir einziehen wird. Eine Information die mich etwas irrtiert, da ich ihn meines Wissens weder aktuell, noch in ferner Vergangenheit darum gebeten habe. Auf keinen Fall wiederholt er und ich bin mir nicht sicher ob diese plötzliche Eingebung etwas mit mir oder dem Gewürzdöschen in seinen Händen zu tun hat. Letzters betrachtet er schon eine Weile und weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was Paprika Edelsüß verbrochen haben könnte, entscheide ich mich, bis auf weiteres beleidigt zu sein. Man teilt schließlich niemanden ungefragt mit, dass man ein räumliches Zusammenleben konsequent ausschließt. April 2019, sagt der Mann, der nicht bei mir einziehen möchte, und weil ich beleidigt immer wortkarg werde, ignoriere ich diese vermeintliche Begründung, indem ich weiter meine Gewürze ins Regal sortiere. Was auch immer im April 2019 vorgefallen sein mag – es sollte längst verjährt sein.

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Aggro Amsel 3:2 für Amsi

Vielleicht erinnern Sie sich. Vor etwa fünf Jahren wurde die Fassade des Vorderhauses renoviert.  Herr Meier schimpfte. Frau Obst auch.  Damals stand unsere Hausgemeinschaft kurz vor dem Kollaps. Man hatte uns lediglich ein Jahr vor Beginn der Bauarbeiten über die anstehenden Einschränkungen informiert und war davon ausgegangen, dass wir die grellgelben Zettel mit wichtigen Hinweisen, die an und in den Briefkästen lagen, auch lesen würden. In meinem Stadtteil funktioniert Kommunikation ausschließlich, wenn sie persönlich stattfindet – vorausgesetzt natürlich, das sprechende Gegenüber weckt unser Interesse. Schriftliche Verhaltenshinweise dagegen ignorieren wir ignorant und manchmal ein wenig naiv. Vor fünf Jahren hat uns das plötzliche Auftauchen einer ganzen Armada an Handwerkern deshalb unvorbereitet und eiskalt erwischt. Binnen Stunden mussten wir unsere Balkone leerräumen und konnten Möbel, frisch angepflanzte Blumen und Kräuter nur notdürftig auf den Gemeinschaftsflächen (=Treppenhaus) unterbringen. Die Bewohner des Hinterhauses grinsten damals hämisch und beschwerten sich mittels Aushängen am schwarzen Brett über unser Gerümpel, das überall im Weg stand. Sie grinsten lange. Seit einer Woche aber nicht mehr.  Jetzt wird im Hinterhaus renoviert und das Vorderhaus steigt nachsichtig über im Treppenhaus stehende Basilikumtöpfchen und der emotionale Graben zwischen Vorder- und Hinterhaus wird erneut aufgerissen. Anfangs lächelte das Vorderhaus milde und mitfühlend über ein duzend Sonnenschirme im Fahrradkeller und schüttelt erst im Laufe der ersten Woche leicht verstimmt den Kopf über am Treppengeländer mit einem Fahrradschloss angekettete Klappstühle. Ärgerte sich zunehmend die Rücksichtslosigkeit des Besitzers eines Hochbeetes, der dieses extrem dämlich vor den Briefkästen abgestellt hat und beginnt seit Montag das schwarze Brett mit bösen Zetteln zu bestücken. Emotional befinden wir uns nun wieder im Jahr 2016. Alles beim Alten. Noch zwei Wochen, dann liegen die Nerven wieder blank und ernsthafte kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn können nur durch einen Lockdown verhindert werden, der uns das verlassen der Wohnung komplett und völlig verbietet. Mir ist das alles egal, da ich meine Wohnung eh nicht verlassen kann. Auch ich führe Krieg. Mein Gegner: Eine Amsel. Weiterlesen