Randnotiz – Home Office II

Ich gehöre ja zu den Menschen, für die nur das existiert was sie sehen. Deshalb schaue ich morgens nach dem Aufwachen seit einigen Jahren schon nicht mehr in den Spiegel. Vermindert das Frustpotential ungemein und lässt mich in dem Glauben leben, dass sich in den letzten Jahren an meinem Aussehen nicht sonderlich viel verändert hat. Das ist ein ungemein beruhigendes Gefühl. War es. Bis ich aus Gründen von Corona ins Home Office versetzt wurde.

Schöne neue Welt, zwinkert mir einer zu, den ich in diesen Tagen nur selten zu Gesicht bekomme und nötigt mich via Fernlehrgang am Telefon Skype auf dem Handy zu installieren. Man will sich ja sehen. Will man nicht. Wir haben beide beschlossen auf Skyp zu verzichten, nachdem er mich heute um 06:15 Uhr mittels dieses Schrotts kontaktiert hatte und etwas sah, dass er sonst, dank noch nicht eingesetzten Kontaktlinsen so nicht sieht – mich nach dem Aufwachen. Probleme die Sie sicher auch kennen und mit denen man Leben kann. Der Vorteil in liebevollen Beziehungen ist schließlich, dass der Blick milde ist und die inneren Werte zählen. Hoffe ich zumindest, denn sein Blick heute morgen schwankte zwischen „Wer bist du?“ und „Wie machst du es denn bitte sonst, anders auszusehen, wenn ich neben dir aufwache?!?“ (Könnte ich ihm erklären – ich wache vor ihm auf und war meist schon im Bad, wenn er die Kontaktlinsen einsetzt). Geduld, ich richte mich erst noch ein und muss lernen wie es ist komplett von zu Hause aus zu Arbeiten. Zum Beispiel war ich von der Notwendigkeit direkt nach dem Aufstehen zu duschen, bisher noch nicht überzeugt. Sieht ja keiner, da reicht es, sich die Zähne zu putzen. 

Mag stimmen, trifft aber nicht zu, wenn die Kollegen morgens um 09:30 Uhr ein Abteilungs-Meeting  via XYZ einberufen und man erst um 09:26  Uhr begreift, dass es sich um eine Video und nicht Autiokonferenz handelt. Dann muss man mit geradem Rücken und klarem Blick vor dem Rechner sitzen und seine Snoopy-Nacht-Shirt professionell weglächeln. Dann muss man trotz unfrisierter Haare Kompetenz ausstrahlen. Da ich das erst noch üben muss, habe ich die Kameralinse überklebt und behauptet, sie sei kaputt. 

Man hat uns hier im Haus heute das warme Wasser abgestellt. Ich bin also immer noch ungeduscht. Aber gekämmt. Als ich mit dem mutigsten und eingsperrtesten meiner Freunde in Italien telefoniere, erkläre ich ihm, dass es unabdingbar ist, seinen Tagesablauf in Zeiten wie diesen zu strukturieren. Als er mich fragt, was es zum Mittagessen gibt, antworte ich etwas verlegen wahrheitsgemäß. Heute Eierlikör-Ostereier.