Randnotiz

Ich: Schönen Valentinstag.
Er: Mhm.
Ich: Schönen Valentinstag.
Er: Danke.
Ich: Blumen? Schokolade?
Er: Ernsthaft?
Ich: Umarmung?
Er: Noch eine?
….
….
Es ist ein großes Glück, dass mir der Valentinstag nicht wichtig ist. Sonst würde ich dem, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht wahrscheinlich den Hals umdrehen.

Er: Kuss?
Ich: Warum?
Er: Warum nicht?
Ich: Wart, ich will noch schnell was romantisches über den Valentinstag schreiben.
….

Er: Soll ich einfach rausgehen, noch mal reinkommen und wir starten diesen Dialog noch mal?
Ich: Ja. Unbedingt.

Romantik können wir!!!

Leider nicht meine

Die besten Geschichten schreibt das Leben. Das behaupte ich schon immer und mache es mir seit Jahren recht bequem, in dem ich einfach nur das aufschreibe und erzähle was ich selber erlebe. Ausdenken muss ich mir, dank des unerschöpflichen Archivs an Alltagsbegegnungen kaum etwas. Auch heute Abend und überhaupt seit ein paar Wochen erzählt das Leben eine ganz fantastische Geschichte. Nicht ganz so fantastisch allerdings für die direkt Beteiligten. Für die es doch ein wenig anstrengend, da sie sich in einer Geschichte befinden deren Ende noch in den Sternen steht. Die Protagonisten durchleben derzeit ein Wechselbad der Gefühle und erfreuen sich an ihren Emotionen, die gleich einem Pendel zwischen hoch erfreutem Kribbeln und zu tiefst verstörenden Unverständnis – das andere Geschlecht betreffend – schwanken. Leider neigen emotionale Pendel dazu, den Ruhepunkt der gefühlsmäßigen Ausgeglichenheit schlicht und einfach zu überspringen. Phasen der Erholung gibt es in der Regel nicht. Phasen der emotionalen Erholung. Selbst ich, als unbeteiligter Beobachterin und hochinteressierte Zuhörerin, befinde mich in einem Zustand ständiger Anspannung und kann es kaum erwarten bis das nächste Kapitel aufgeschlagen wird. Zweifelsfrei ist es also wirklich so, dass das Leben die aller besten Geschichten schreibt. In diesem Fall, ist es nur leider nicht mein Leben und es verbietet sich mir, Ihnen diese Geschichte zu erzählen. Sie gehört mir nicht. Leider. Oder vielleicht auch zum Glück. Das Ende ist ja noch offen. Obwohl, genau das ist doch eigentlich das schöne an diesen Erzählungen. Die Phase, in der man nicht weiß was daraus wird, aber noch voller Hoffnung ist und sich voll und ganz auf das herrliche Kribbeln konzentrieren kann. Sie wissen schon, dieses ganz besondere Kribbeln, das nur dann zustande kommt, wenn ein bisschen Unsicherheit darin mitschwingt.

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Zurück geblättert

Ich gehe ihm auf die Nerven. Obwohl er nichts sagt, merke ich es. Er atmet zu regelmäßig um entspannt zu sein – penetrant gleichmäßig und kontrolliert. Acht Mal atmet er langsam und tief ein und wieder aus. Dann eine kleine Pause. Danach der neunte Atemzug mit einem tieferen Einatmen und einem viel längeren Ausatmen. Dieser neunte Atemzug macht mich wahnsinnig. Mitzuzählen macht es nicht besser. Den ersten, der neunten Atemzüge empfand ich als übertrieben, den fünften als überflüssig und störend. Der achtzehnte, der neunten Atemzüge aber, der ist eine Frechheit. Ich sage nichts, atme nur selbst ein und aus. Einmal nur, aber das etwas zu tief und eine Spur zu laut. Zu laut für einen Nachmittag an dem  sich die Luft zum Schneiden dick anfühlt und wir beide ahnen, dass ein falsches Wort reicht, um uns verbal in die Luft zu jagen. In seinem Fall reicht ein Atemzug – meiner.

Man kann ein Notebook zuklappen, um es zu schießen und man kann ein Notebook so zuklappen, dass nach seinem Schließen unzählige Fragezeichen aufsteigen und in der Luft hängen bleiben. Dünnes Eis, sagt er und verwandelt eines der Fragezeichen in ein Ausrufezeichen. Dünnes Eis, Mimi, wiederholt er und mir fällt auf, dass er mich nur dann „Mimi“ nennt, wenn er vergisst, dass ihm große Emotionalität eigentlich nicht liegt oder er so angefressen ist, dass das Kosewort die deutlich unfreundlichere Bezeichnung, die ihm auf der Zunge liegt, überdecken muss. Weiterlesen

Von Brausepulver und zurück gelassenen Dingen

Der Nachbarsjunge hämmert gegen die Wand und ich brülle durch Putz und Ziegel, dass er die Klappe halten soll. Ich musste mir jahrelang die Sirene seines Feuerwehrautos anhören, da wird er meine Lieblings-CD auch aushalten können. Meine Freundin schlägt vor die CD zu wechseln und ich stelle ihr frei zwischen den Titeln zu wählen, drohe aber mit sofortigem Entzug des restlichen Weines, wenn sie die CD zu tauschen versucht. Lachend, aber mit besorgtem Unterton, attestiert sie mir, dass ich langsam ein wenig anstrengend werden würde. Ich zucke mit den Schultern und sage ihr nicht, dass sie die Klappe halten soll. Ich weiß, dass sie Recht hat. Aus der Küche ruft einer, der mich länger als sie kennt, dass es besser sei, mich die nächsten Tage einfach in Ruhe zu lassen. Er lacht und drückt mir im Vorbeigehen ein Bussi auf die Stirn und dreht die Musik lauter. Früher, als er und ich in einer WG wohnten, verfluchte er diese CD – als Besucher sieht er es entspannt und stellt amüsiert fest, dass auch er die Texte  der Lieder noch auswendig kennt. Wir murmeln sie mit, ignorieren das Klopfen der Nachbarn und winken meiner Freundin, die sich verabschiedet und etwas von „Irrenhaus“ murmelt. Ich kann es ihr nicht verdenken. In einer Woche fahre ich nach Italien und ich musste zu lange warten, als dass ich jetzt noch rund laufen würde. Oder deutlicher, wie es der klügste meiner Freunde ausdrückt – ich spinne und das nicht zu knapp. Lucio Battisti mag aber auch er noch immer. Dieci ragazze, schreie ich als eines meiner Lieblingslieder kommt und er hält mich lachend davon ab, die Musik noch lauter zu drehen. Als Ausgleich bekomme ich eine Umarmung. Trotz Corona. Schließlich ist dieser Virus schuld, dass ich einen meiner Freunde seit Februar nicht sehen konnte. Einen, der mir besonders wichtig ist. Un avventura!!! Noch ein Lieblingslied. Ich schlüpfe aus den Armen die mich festhalten und drehe die Anlage ein kleines bisschen lauter…nur bei diesem Lied, verspreche ich und weiß, dass ich schwindle. Weiterlesen

Nachgerechnet

Das erwachsene menschliche Herz schlägt pro Minute etwa 66 Mal. Wenn es aufgeregt oder verliebt ist auch öfter. Deines vielleicht, sagt er und schafft es, mir eine Minute lang in die Augen zu sehen, ohne dass sich sein Puls erhöht. Mir gelingt es nicht. Nach 30 Sekunden bekomme ich Herzklopfen und weiche seinem Blick aus, weil ein aufgeregtes Herz nicht zu stoischer Gelassenheit passt. Noch immer, wundert er sich und streicht mit dem Daumen über die Innenseite meines Handgelenks. Nur wegen des ausgesprochen hübschen kleinen dunkelbraunen Fleck im Grün des linken Auges, erkläre ich und ziehe meine Hand zurück. Ein Herz schlägt durchschnittlich 4.000 Mal pro Stunde, meines in Stunden mit ihm vermutlich deutlich mehr. Später frage ich ihn, ob das auf Dauer gesundheitsschädlich ist und er schüttelt stumm den Kopf. Ein Herz schlägt gut und gerne 2,6 Milliarden Mal im Leben, ein paar hunderttausende Schläge mehr, würde es problemlos verkraften. Wieder liegt sein Finger an der Innenseite meines Handgelenks an meinem Puls und er lacht. Es ist dunkel und den hübschen kleinen dunkelbraunen Fleck in seinem Auge kann ich nicht sehen. Es muss an seinem Aftershave liegen, behaupte ich und wir lachen. Wir lachen, bis er mich in seine Arme zieht und meine Wange auf seiner Brust liegt. Ich mag sie, die Brust. Mag es, dass mich ein Haar an der Nase kitzelt und mag es, dass seine Haut dort unter dem braunen Flaum so warm wie ein Kachelofen ist und mag es besonders, dass sie leicht nach trockenem Holz riecht. Wahrscheinlich riecht sie anders. Nach Boss, Armani oder Paco Rabanne. Vielleicht auch nach billigem Duschgel, aber sicher nicht nach dem, das ich jetzt glaube zu riechen. Ich sag ihm, dass er nach altem, trockenem Holz riecht und spüre seine Hand in meinem Nacken, die mich kneift, weil es nach einem zweifelhaften Kompliment klingt. Ich mag altes Holz sage ich und rutsche ein Stück nach oben, um der unrasierten Wange einen Kuss zu geben und um das Herz in der Brust nicht klopfen zu hören. Altes Holz, murmelt er und schiebt mich wieder nach unten, weil „auf Augenhöhe“ geistig unabdingbar, bei unserem Größenunterschied, physisch aber unbequem ist. Weiterlesen

Balz

Seit ein paar Tagen sitzt meine Freundin Nele auf meinem Sofa. Das ist schön, aber auch ein wenig gewöhnungsbedürftig, da wir derzeit meist zu dritt darauf sitzen und sie sich den Platz zwischen mir und dem Mann an meiner Seite reserviert hat. Es ist ok, dass es derzeit der Mann an ihrer und nicht meiner Seite ist, und er und ich an den nicht von ihr besetzten Flanken eine noch winterkalte Wand zum anlehnen haben. Nele ist kälter als uns und ein bisschen Wärme kann sie gut gebrauchen. Ihr Winter war hart und ich habe ihr versprochen, dass sie sich bis zum Frühling, ein wenig bei mir aufwärmen kann. Neles Winter beinhaltete eine zwischenmenschliche Eiszeit. Eine solch frostige Klimaperiode führt ab und an dazu, dass ein Paar, den Frühling nicht mehr gemeinsam erlebt. Oft ist ein Teil des früheren Paares erleichtert und der andere erst einmal in Schockstarre. Tiefgefroren sozusagen. Nele taut langsam auf. Oder, wie eine andere Freundin gestern Abend meinte, sie erreicht langsam wieder ihre Betriebstemperatur. Wenn dem so ist, dann müssen wir dringend über die Platzverteilung auf meinem Sofa sprechen. Weiterlesen

Nagel bleibt

Ob ich endlich erwachsen werde, höre ich dich leise fragen, und sehe das Lächeln auf deinen Lippen ohne mich umzudrehen. Vielleicht. Angesichts des Kinderzimmerkartons und der WG Kiste, die ich endlich, endlich aussortiere, könnte man es meinen. Keiner der Gegenstände, die ich bei der Renovierung meiner Wohnung in den letzten Tagen aussortiert habe, gehörte dir und doch sind es Dinge, die dir vertraut sein müssen. Nicht nur dir. Einem jeden von uns, der in etwa zur gleichen Zeit geboren und im selben Jahrzehnt erwachsen wurde. Kaum einen kenne ich, der nicht mindestens eine Lavalampe besessen hatte und die CD Sammlungen von mir und meinen Freunden war sich über viele Jahre ähnlich, wenn nicht sogar identisch. Es ist an der Zeit sich zu trennen.  Weiterlesen

Vom Atmen und von Parkplätzen

Der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Tür steht, fühlt sich in der U-Bahn nicht wohl. Es ist nicht sein Terrain, aber heute hilft es nichts, weil sein Auto abgeschleppt wurde. Obwohl ich eine U-Bahn Fahrt längst nicht so schlimm finde wie er, sage ich es ihm nicht. Ich bin still, weil er schlechte Laune hat. Früher hätte ich einen mit schlechter Laune gebeten, sie nicht an mir auszulassen. Heute oft nicht mehr. Auch weil die Tatsache, dass wir in der U-Bahn und nicht in seinem Auto sitzen, in der etwas zu kreativen Wahl des Parkplatzes begründet liegt, mit der ich sein Auto am Vorabend in Schwabing abgestellt habe. Bei einem abgeschleppten Auto kann man durchaus ein wenig sauer sein, aber eine so schlechte Laune ist unangebracht. Denke ich. Sage ich aber nicht, weil ich mein Gegenüber mittlerweile kenne und am Klang seiner Atemzüge erahne, dass es klüger und für den Verlauf des restlichen Wochenendes elementar wichtig ist, dass ich den Mund halte. Selbstredend, dass mein Beitrag zu einem harmonischem Wochenende weder registriert noch honoriert wird. Er wird weggeatmet. Männer können das. Die artikulieren ihre schlechte Laune anhand tiefer Atemzüge und halten diese für vollwertige Sätze. Auch eine Kunst.   Weiterlesen

1.800.000 Atemzüge

Auf meinem Sofa hockt seit drei Tagen das heulende Elend. Vor vier Tagen noch war es eine meiner Freundinnen und mir im Bezug emotionaler Ausgeglichenheit weit überlegen. Jetzt nicht mehr. Ihr Mann hat seit Samstag ein neues Auto, eine neue Freundin und eine neue Telefonnummer. Was genau er sich zuerst angeschafft hat, weiß ich nicht. Meiner Freundin Suse präsentierte er vorgestern Abend aber Auto und Freundin gleichzeitig und weigerte sich die neue Nummer rauszugeben, als er mit einer Reisetasche unter dem Arm die gemeinsame Wohnung und das gemeinsame Leben verließ. Unschön. Die neue Freundin, vor allem aber die neue Telefonnummer, die es Suse unmöglich macht ihm all das zu sagen, was sie jetzt ersatzweise gegen die Wände meiner Wohnung brüllt. Wir haben alles durch. Wein und Schokolade. Analyse der WhatsApp Chats der vergangenen drei Jahre.  Sie das Internetstalking der Neuen und ich die Gewissheit, dass man auch mit zwei Jahrzehnten mehr auf dem Buckel so bescheuert wie eine angeschossene Zwanzigjährige ist. Selbstverständlich sind wir die Straße der ehemals gemeinsamen Wohnung in den letzten beiden Nächten mehrfach mit ausgeschaltetem Licht abgefahren, um anhand eines erleuchteten Küchenfensters auch nicht mehr als vorher zu wissen. Und natürlich hat sie betrunken E-Mails geschrieben von deren Abschicken ich sie solidaritäts angeschickert nicht abgehalten habe. Wir sind genauso blöd wie vor zwei Jahrzehnten, machen genau die gleichen Fehler und stellen jetzt nur fest, dass wir nach solchen Nächten morgens nicht mehr dramatisch wild, sondern zerknautscht verkatert aussehen. Mit zwanzig war verschmierte Wimperntusche ein Accessoire, heute das was es schon immer war – kosmetischer, bröckelnder Dreck.  

Nach 48 Stunden intensivster Freundschaftspflege brauche ich eine Pause und weil man sich die als gute Freundin nicht einfach nehmen kann, nutze ich Wimperntuschen verschmierte und Rotwein befleckte Kopfkissen als Ausrede um mich eine Stunde im Waschkeller zu erholen und mir Tipps für Liebeskummer bei Google, dem großen Bruder und Allwissenden zu holen. Gallseife, Bleiche, 60 Grad und ein Handy mit Internetzugang – mehr braucht man als gute Freundin heute nicht mehr. Dann mal los…

Google ist auch nicht mehr das was es mal war. Noch vor der Hauptwäsche gebe ich auf. Mein Nachbar Paul nicht. Der versucht noch immer seinen Fußabtreter in eine der Maschinen zu stopfen. Mein amüsierter Blick scheint ihn dabei zu stören und er macht eine Pause, indem er sich neben mich stellt und über meine Schulter auf das Display meines Handys schaut. Grinsend schüttelt er den Kopf und nimmt es mir aus der Hand. Mit „Schwachsinn“ kommentiert er die Kalenderweisheiten für frisch Getrennte und mit „harte Nacht?“, mein zerzaustes Aussehen. Ich zucke mit den Schultern, besser sehe ich nach einer durchwachten Nacht nicht aus – Suse blockiert heulend seit Stunden das Bad. Ich erzähl ihm von den Stunden im Auto vor einem hellen Küchenfenster, von geschriebenen und bereuten E-Mails und ein bis drei Gläsern zuviel. Wir schmunzeln darüber und lachen wie dumm, irrational und verletzlich einen eine Trennung doch noch immer machen kann. Wir lachen, bis wir verstummen, weil es eigentlich gar nichts zu lachen gibt, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird und weil es doch eher zum Heulen ist, wenn ein Leben von heute auf morgen zerbricht. Wie geht es ihr, fragt er und ich zeige ihm ein Bild von uns beiden, dass wir kurz vorm Einschlafen geschossen haben. Da hielten wir uns für wild und ungestüm. Im Neonlicht des Waschkellers sehen wir darauf angeschlagen und traurig aus. Beide. Suse, weil sie es ist und ich, weil ich nichts tun kann, damit es ihr besser geht. Süß, sagt Paul und ich finde es süß, dass er lügt. Ob er soll, will er wissen und ich verstehe ihn nicht, bis er mit den Schultern zuckt und etwas von Gift mit Gift bekämpfen murmelt. 

Suse hat die Wäsche nach oben geholt und Paul getroffen, der auf seine Fußmatte wartete. Ich vermute er hat sein Rhett Butler Lächlen gelächelt. Sie waren beim Griechen, bei DEM Griechen. Dort werden um Mitternacht die Servietten in die Luft geworfen und dann wird auf den Tischen getanzt. Ein Ort an den man seine frisch getrennte beste Freundin als Frau sicher nicht schleppen würde. Ein Ort, den nur ein Kerl als passend empfinden würde. Als Suse um fünf in der Früh nach Hause kam und zu mir ins Bett kroch weinte sie ein bisschen bevor sie lachend rülpste. Ob der ganze Scheiß nicht zum Heulen lächerlich wäre, murmelte sie und wir lachten beide. Ohne Grund. Oder weil Weinen – begründet bei ihr,  solidarisch, bei mir – nach drei Tagen zu sehr in den Augen brennt. Vielleicht auch weil das mit dem „Gift bekämpft Gift“ gar nicht so falsch ist. Einer versaut es, einer macht es wieder gut. Bevor ich einschlafe, schreibe ich Paul eine SMS: „Danke“. 

Suse heult wieder. Zwischen dem Griechen, der Bar im Glockenbachviertel und ihrem interims Zuhause bei mir hat sie in den wohl einen Zwischenstopp im Hinterhaus eingelegt. Würde Paul an sein verdammtes Handy gehen oder die von ihr an ihn geschriebenen WhatsApp Nachrichten einen zweiten Haken zeigen, würde Suse jetzt nicht heulen. Gift vertreibt Gift. Mag sein, hält nur nicht lange. Meiner Nachbarin Judith erzähle ich es im Keller vor den Altglascontainern. Sie haut mir ein Gurkenglas in die Rippen und fragt ob ich mir solidarisch den Verstand weggetrunken hätte. Paul? Unser Paul?!? Sie muss mir das Glas nicht noch mal gegen den Arm schlagen. Ich nehm es ihr weg und nicke. Paul ist toll. Als Nachbar. Wahrscheinlich auch als guter Freund. Auch um zu vergessen, sich toll zu fühlen und wieder lebendig. Nach Paul schläft man bestimmt gut ein. Nur das Aufwachen, das kann schief gehen. 

Judith nimmt sich jetzt Suse an. Ich mache mir ein wenig Sorgen um meine Freundin. Ganz tief in mir drin, weiß ich ja, dass gar nichts hilft. Nur warten. Einatmen, ausatmen und einatmen. 1.800.000 Mal. Dann sind die ersten drei Monate geschafft und es wird besser. 

 

 

 

Atemwegsinterpretation

Heut in einer Woche ist die nächste Lesung schon wieder rum. Auf meinem Tisch liegt dann wieder das kleine grüne Notzibuch, in das ich alles schreibe, was ich noch zu lernen habe. Als Autorin, auf der Bühne und vor ein paar Duzend Menschen sitzend. Für alles andere habe ich eine Excel-Liste auf meinem Computer gespeichert. In erster Linie wegen der Suchfunktion. Gebe ich dort Socken ein, dann sehe ich auf einen Blick, dass ich bereits gelernt habe, dass es völlig sinnlos ist, verstehen zu wollen, warum ein Mann, seine Socken nicht vor, sondern erst im Bett auszieht. Nach meiner Erfahrung ist das genetisch bedingt. Ebenso wie das Suchen nach selbigen am nächsten Morgen, weil das Männer-Hirn der Meinung ist, dass Socken durchaus zwei Tage hintereinander getragen werden können und dann für eine knappe Woche vor dem Bett zwischen gelagert werden, bevor sie den Weg in den Wäschekorb finden. Es ist gut, dass ich mir das schon vor ein paar Jahren notiert habe, so erspare ich dem aktuellen Sockenträger in meinem Leben ein für ihn lästiges Nachfragen. Eine solche Liste – ganz nebenbei – ist auch für Männer zu empfehlen. Der, der seine Socken unter meiner Bettdecke auszieht, könnte sich darin zum Beispiel notieren, dass ich meinen Kaffee nur mit Milch und Zucker mag und dass ich lüge, wenn ich ihm am Sonntagmorgen in seinem Bett sage, dass schwarz und mit Süßstoff auch ok ist. Ist es nicht. Es versaut mir den Morgen und hätte er es sich notiert, dann könnte er sich den Eintrag „wie bring ich sie wieder zum Lachen“ sparen. Vielleicht wäre es am besten, wenn ich die Datei gleich selbst für ihn anlege und laufend ergänze. Weiterlesen