November – da müssen wir durch

Rückblickend, war der Oktober ein einziges großes Glück. Ich konnte einen Großteil der wegen Corona verschobenen Lesungen nachholen und galoppierte fünf Wochen lang durch das, was eigentlich auf ein halbes Jahr verteilt gewesen wäre. Atemlos wäre das Wort, das ich wählen würde, müsste ich diesen Monat beschreiben und es wäre durchaus positiv behaftet. Negativer, das gleiche Wort einen Monat später. Ich fühle mich ein wenig, als hätte jemand auf die Stopptaste gedrückt und uns zurück in den Frühling geworfen. Zurück auf Start, aber im Wissen, dass die zweite Runde um einiges härter als die erste werden wird. Der November hat gerade erst angefangen und doch schon so viel bereit gehalten, dass es leicht für den Rest dieses Herbstes reichen würde. Mein Freundeskreis befindet sich abwechselnd in Quarantäne, mindestens ein Kindergarten- oder Schulkind kann muss gerade immer zu Hause bleiben und jeder hat nun schon Coronafälle im näheren Bekanntenkreis gehabt. Bis jetzt ist hier bei mir und meinem Umfeld alles gut gegangen, aber dieser Herbst hält uns auf Trapp und macht es uns schwer, frei zu atmen. Und wenn man es doch einmal tut, dann hört man von Menschen, die fern sind und doch sehr nahe stehen, dass sie in Wien so großes Glück hatten, dass einem ganz schlecht wird. Er macht es uns nicht leicht, dieser Herbst und auch der Winter flüstert schon leise, dass man sich besser auf holprige und ungewohnte Feiertage einstellen sollte. 

Bei allem Optimismus, kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen, dass ich am Vormittag des hl. Abends mit etwa vierzig Menschen gemeinsam auf die Feiertage anstoßen werde. Vielleicht werden wir es in kleinen Gruppen machen und die anderen über den Computer in ihren Wohnungen sehen. Vielleicht auch gar nicht und uns dafür 2021 umso heftiger in die Arme fallen und wissen, was für ein Glück und was für eine unbändige Freude diese Weihnachtstradition doch eigentlich ist. Schwerer fällt mir der Gedanke, vielleicht auch meine große Familie nicht komplett zu sehen. Auch hier..ja, man kann es entzerren, solle es wahrscheinlich auch und es gibt in so verrückten Jahren wichtigeres. Und auch hier weiß man danach wieder, wie glücklich man sich schätzen kann einen so großen und verrückten Haufen als Verwandtschaft zu haben. Dass ich letzte Woche nun wieder nicht nach Italien konnte ist schade und traurig, aber es ist eben wie es ist. Schwieriger ist der Gedanke, dass es durchaus möglich ist, dass ich an Weihnachten das erste Mal seit ich erwachsen bin, nicht mit dem Lachen des mutigsten meiner Freunde im Ohr einschlafen und aufwachen werde. Dieser Gedanke ist widerlich und auch wenn ich ihn noch nicht denken möchte, kommt er immer öfter. Mit vielem kann ich umgehen, aber das, das geht mir wirklich an die Substanz. Vielleicht wäre es in einem anderen Jahr leichter. In diesem Jahr kommen die Sorgen dazu, die man sich um die, die man gerne hat, macht. Die Alten sind alt und Risikogruppen. Ja, sie könnten auch von anderem erwischt werden, aber dieser blöde Virus ist den Medien so präsent, dass die Sorgen kommen. Die Jüngeren in meinem Freundeskreis gehören oft genau zu den Gruppen, die wirtschaftlich gerade völlig untergehen und keine Ahnung haben, wie sie den November noch überstehen sollen und dann noch die, die in den Ländern sitzen, in denen es gerade wieder richtig ungemütlich wird. 

Das erste Mal weiß ich schon am 07.11. eines Jahres, dass ich den November nicht mag. Und mich selbst auch nicht, weil eine solche Aussage einem Moment, selbst wenn es der elfte des Jahres ist, einfach nicht gerecht wird. Wir werden ein schönes Weihnachten haben. Wahrscheinlich wird es anders, aber das heißt nicht, dass es schlecht werden wird. Mein Weihnachts-Lieblingsmensch ist nicht aus der Welt und ich habe ihn schon öfter nicht gesehen. Sobald es wieder geht, werde ich ihn neben mir lachen hören. So wie auch die anderen, meine Familie und all die Freunde mit denen ich sonst am 24.12 falsch und laut „Last christmas“ singe. Dann müssen wir es eben endlich einmal wahr machen und uns nicht erst wieder am Jahresende sondern auch unter dem Jahr sehen. Und auch in Wien wird es ein schönes Weihnachten werden. Dort sitzt eine so starke und wunderbare Frau, dass ihr dieses schreckliche Attentat nicht die Luft zum Atmen nehmen wird. Nicht ihr und hoffentlich auch all den anderen, die diesen Wahnsinn hautnah miterlebt haben. Es wird, weil es immer geworden ist und auch diesmal werden wird. Im Radio läuft gerade das erste Mal Last Christmas, das ist so verrückt wie das ganze Jahr 2020. Und so bescheuert, wie meine Nachbarn und ich. Mittlerweile hängen an fünf Balkonen im Innenhof schon die Lichterketten. Als vorausschauender Ausgleich für die abgesagten Christkindlmärkte. Wenn es wie im Frühling läuft, dann werden wir gegen Ende des Monats auf unseren Balkonen Glühwein trinken und uns brüllend (der Hof ist groß) unterhalten. Ich freue mich darauf. Darauf und auf den ersten Schnee. Dem ist Covid herzlich egal und er hat nur seine Unberechenbarkeit mit ihm gemein. 

Kommen Sie gut durch den November und den Lockdown (light, teilweise, ganz oder wie auch immer er bei Ihnen aussehen mag). Bleiben Sie gesund – der Rest wird sich finden. 

24 Gedanken zu “November – da müssen wir durch

  1. Ich mag den November grad sehr gern und bin überhaupt nicht scharf auf Weihnachten. Und schon gar nicht auf 2021. Am liebsten würden ich den Zeitenlauf etwas retardieren. Anderthalb Tage Mani haben mir den Seelenfrieden zurückgegeben. Also nicht drängeln, liebe Mitzi! Wer weiß, was noch kommt!

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    1. Ich übe mich in Geduld. Schön zu hören, dass die Tage in Mani gut getan haben. Lassen wir uns überraschen was die Wochen uns schönes bringen und versuchen wir das nervige und unschöne einfach hinzunehmen. Das sage ich mehr mir selbst, ich bin sicher Du machst das eh.

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  2. Ich bin zuversichtlich. Darauf kann man allerdings nicht viel geben, weil ich das immer bin, ich kann nichts dafür. Wir müssen das überstehen, überleben, und alles andere … ist eigentlich unwichtig.Und wenn es überstanden ist (lange kann es nicht mehr dauern, wir müssen bloß achtsam bleiben), werden wir uns erinnern und sagen: Weißt du noch, 2020, was für ein Scheißjahr, aber wir haben es geschafft. Genießen wir das Leben.
    Bleib auch Du gesund!

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    1. Ich bin es eigentlich auch…zuversichtlich. Schön wie positiv du schreibst und heute – Mitte November – sehe ich es auch wieder genau so. Eine saublöde Zeit. Aber eben nur eine Zeit und eine die auch den einen oder anderen Vorteil hat. Bleib gesund und liebe Grüße

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  3. 2020 ist wohl nicht das Jahr für Menschen, die ihr Leben gern geplantverbringen.
    Am meisten leiden wohl die, die trotzdem auf einen Weiterbestand ihres bisherigen Lebens bestehen anstatt zu erkennen, dass es gerade bloß eine Pause einlegt.

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    1. Lustig, dass ich eigentlich gar nicht viel plane und mich jetzt an den wenigen Plänen so festhänge. Wobei ich mittlerweile einfach alles auf mich zukommen lasse. Auf etwas bestehen bringt nichts, das stimmt. Liebe Grüße

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      1. Danke Dir…. muss man halt durch…. ich sehe es eher als eine Lebenserfahrung. Ich wünsche Dir auch nur das Beste.💫

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  4. Es ist schon ein sehr seltsames Jahr. So krisengeplagt, so aufgewühlt und bisweilen konfus. Manchmal schwirrt mir ganz der Kopf davon. So war es grade ganz gut, selbst eine Woche in Quarantäne zu sein und eine verordnete Zwangsruhe einhalten zuz müssen. Hier ist es genauso – immer ist irgendwer in Quarantäne, erkrankt, zum Glück kenne ich nur glimpfliche Verläufe. Auch ich mach sich Sorgen um die Liebsten, die als Risikopatienten gälten. Und dann die Überlegungen, wie wird Weihnachten. Wir machen immer nachmittags ein Krippenspiel, mit Sekt und Glühwein und Lebkuchen, danach gehts zum Singen in die Fußgängerzone. Das wird sicher ausfallen dies Jahr. Und das Krippenspiel machen wir dann halt, so stelle ich mir grad vor, nur mit OmaOpa, die geben die weisen Könige, die Kleine ist Maria, der Bub der Josef, und die Puppe das Jesus kindle. Ich bleibe Rezitativ. Irgendwie müssen wir da durch. Yep. Das schaffen wir. Irgendwie.

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    1. Wir schaffen das ganz sicher. Vielleicht hat es den Vorteil, dass wir Weihnachten 2021 dann wieder bewusster unsere kleinen Rituale feiern und sie mehr wertschätzen.
      Quarantäne ist wirklich seltsam. Einerseits etwas unerwartet friedliches, weil man zum Warten und zum Stillstand gezwungen wird und dann auch einfach nur komisch, weil man wahrscheinlich noch nie gebeten wurde, die Wohnung überhaupt nicht zu verlassen.
      Liebe Grüße

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  5. Apropos November, bei uns hier im mittleren Norden wird gerade ein goldener Oktober praktiziert. Kann allerdings auch sein, dass ein Zeitsprung schon den Frühling eingeläutet hat?!

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  6. da sind mir jetzt aber glatt arg die tränen in augen und nase geschossen, gleich zweimal.
    für mich ist 2020 erledigt. ich finde, das jahr hat uns einfach so viel irrsinn beschert, dass man nicht unbedingt das gute drin suchen MUSS. es darf auch einfach mal besch*** bei so viel sorgen und ängsten um alle möglichen themen und vor allem menschen die einem nahe stehen und manchmal auch ein wenig über sich selber.

    aber trotz allem eines ist gewiss: es wird wieder besser, heller, freundlicher.

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    1. Das wird es auf jeden Fall – besser, heller, freundlicher. Vor allem bei Dir, wo es im Moment viel strenger als in Bayern ist.
      Und ja, ich finde auch, dass man – wenn es sich richtig anfühlt – ein Jahr schon im November abhaken kann. Bevor man sich verrückt macht, etwas schönes suchen zu MÜSSEN, lieber ein „du kannst mich mal 2020“ und sich auf ein besseres 2021 freuen. Trotzdem hoffe ich und wünsche ich dir noch einige besondere und schöne 2020 Momente. Eine Umarmung und liebe Grüße

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      1. ❤ ich bin jetzt dann auf pause und hoffe, dass der advent trotz allem ein bisschen ein vakuum sein kann außerhalb des ganzen irrinns, im rahmen der möglichkeiten.

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      2. Das hoffe ich auch. Ganz besonders für dich. Ein kleines Vakuum, eine kleine Insel die dir Wärme und Geborgenheit schenkt. Ich habe übrigens gerade wieder einmal dein Fotobuch am Tisch liegen. Zum Abtauchen und Ausblenden des Wahnsinns sind diese Fotos immer wieder genau richtig.

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  7. Mit Weihnachten hab ichs nicht so, aber die Seuche kann einen natürlich schon nervös machen. Mehr sorge ich mich um Bekannte und Freunde, denen es aufgrund der Einschränkungen inzwischen ökonomisch gar nicht mehr gut geht. Da habe ich nun wieder viel Glück. Während sie in Wien den Total-Lockdown zum zweiten mal erleben müssen, geht es uns in Hessen noch vergleichsweise gut (bis jetzt). Die Unfähigkeit und Hilflosigkeit der Politiker-Riege aller Couleur macht mich allerdings teilweise sprachlos – das sollte einen wirklich beunruhigen. Halt die Ohren steif und bleib gesund – wir werden auch das überleben!

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