Corona Home Office IV

In unserem Haus gibt es schon viele sehr eigene Typen. Eine Mutter Beimer hat bisher gefehlt. So wie sich die Dinge entwickeln, werde ich die Rolle übernehmen. Der Gedanke gefällt mir nicht. Weniger, weil mir die drei Kinder fehlen, eher aus oberflächlichen Gründen. Mutter Beimer ist unanttraktiv. Ok, für Ihren Hansemann nicht (bis er sie mit einer jungen und schlanken betrogen hat), aber für die meisten Männer dann doch. Oder wenigstens für mich. Föhnwelle, Glucke und ständig am Spiegeleier braten, wenn es mal schwierig wird. Falls Sie sich fragen wovon ich rede….Mutter Beimer aus der Lindenstraße. Die gibt es glaube ich nicht mehr und um Mutter Beimer ist es nicht schade. Die Figur war aus erzählt – bis mich Corona ins Home Office schickte und ich binnen viereinhalb Tagen den Tagesablauf von drei unselbstständigen und verzogenen Schratzen (bayerisch für innig geliebten, aber doch sehr nervigen Nachwuchs) organisieren muss.

Nr 1: Paul (mein Nachbar aus dem Hinterhaus)
Fragen Sie mich nicht wie es dazu gekommen ist, aber ich erkläre dem Mann derzeit (über den Laubengang gelehnt) wann es Zeit ist mit der Arbeit im Home Office zu beginnen, wann er Pause machen soll und was er sich abends zu kochen hat, damit Wein, Kippen und Eierlikör Ostereier nicht zu seiner Grundnahrung werden. Oder doch, fragen Sie warum, dann kann ich es Ihnen sagen. Gestern Abend habe ich beim Online Poker mit ihm verloren. Der Wetteinsatz war – etwas Fürsorge und Zusammenhalt in schweren Zeiten. Als ich mich darauf einließ spekulierte ich darauf, dass er mir bei einem Gewinn meinerseits die schweren Terracotta Töpfe aus dem Keller holt und mir vor die Türe stellt. Und auch die übrig gebliebenen Säcke mit Blumenerde vom letzten Jahr. Leider habe ich verloren und mein Nachbar Paul wünschte sich grinsend einen Tag lang bemuttert zu werden. Sonstige – von ihm bevorzugte Wetteinsätze – wären in Corona Zeiten nicht einlösbar wären, da sie den einzuhaltenden Mindestabstand zwischen zwei Menschen deutlich unterschreiten würden. 

Nr 2: Herr Meier (mein Nachbar aus dem Vorderhaus)
Diesen alten Mann zu Hause zu halten ist schlimmer als einen Sack Flöhe zu hüten. Und das schon heute an Tag fünf. Wenn es mir im Nacken die Härchen aufstellt, dann ahne ich, dass es ihn wieder in den Fingern juckt und raus zieht. Nur mal schauen…zum Kiosk. Oder eine Packung Milch, die er nicht braucht, kaufen. Der Mann dreht durch, so alleine in seiner Wohnung.  Vorhin rief ich über den Balkon nach unten ob er Poker spielen kann. Leider nicht. Später, wenn ich Paul an die Nachmittagspause erinnere, frage ich ob der vielleicht Schafkopf spielt. Das gibt es bestimmt online und ich hoffe inständig, dass der Meier ein Smartphone hat. Sonst lass ich ihn wieder kurz auf den Friedhof. Da ist genug Platz und er geht zu Fuß hin – hinten rum, nicht durch die Straßen. Ich bin ihm gestern nach und hab seinen Weg kontrolliert, um mich zu versichern, dass er so wirklich niemandem begegnet. 

Nr. 3: Herr Mu (aus dem Viertel)
Der kann nicht mehr an der Bushaltestelle sitzen. Da sind immer noch Menschen die in die Arbeit fahren müssen. Er hockt jetzt auf einer Bank alleine in der Sonne bei den Mülltonnen. Da setzt sich keiner freiwillig hin, weil es ein bisschen streng riecht. Ich konnte ihn überzeugen, dass das leider sein muss. Werde es aber kontrollieren. 

Wenn Nr. 2 und Nr. 3 jetzt dann gar nicht mehr rauskommen, dann denk ich mir was neues aus. Der eine hat einen Krieg überstanden, der übersteht auch Hausarrest. Der andere hat seine Frau überlebt, der schafft es auch. Nur mit Paul spiel ich besser nicht mehr Online Poker er hat mir vorher einen neuen Wetteinsatz vorgeschlagen und wenn ich könnte, dann wär ich rüber und hätte ihm eine Ohrfeige verpasst. Der spinnt doch!

So uns jetzt muss ich mich um mich und meinen Job kümmern. Ist ja Home Office und nicht Urlaub. Bleiben Sie gesund. 

21 Gedanken zu “Corona Home Office IV

  1. So eine fürsorgliche Mitzi in der Nähe zu wissen, muss schön sein. Mutter Beimer kenne ich kaum, aber „ständig am Spiegeleier braten, wenn es mal schwierig wird.“ ist herrlich charakterisiert. Überhaupt fürchte ich nicht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wo es eine Frau wie dich gibt, liebe Mitzi..

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    1. Lieber Jules, vielen Dank für die lieben Worte des letzten Satzes. Vielleicht ist das eines der wenigen guten Dinge momentan – die Menschen halten zusammen. Nicht alle, aber so viele, dass es eine Freude ist.

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  2. Solltest du für Paul strippen und du wolltest ihm dafür eine runterhauen????
    Ich kenne zwar Mutter Beimer nicht, weil ich Lindenstraße nie geguckt habe – aber das wäre garantiert keine Rolle für dich.
    Virenfreie Grüße von mir

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  3. Das ist wunderschön! 🙂
    Ich habe hier eine Hausgemeinschaft mit zwei erwachsenen Frauen, wobei der der jüngeren der Pelz juckt, was zu gelegentlichen Übertretungen des Kontaktverbots führt, während die ältere versucht, die Katzen aneinander zu gewöhnen, damit wenigstens die sich frei bewegen können. (Es gibt nur eine Katzentreppe, und die müssen sie sich teilen, ebenso wie den Balkon, auf den sie führt; leider nicht unserer). Außerdem vier KInder, eine dauerabhängende und mittlerweile mit ihrer Matratze verwachsende Teenagerin, zwei Grundschulbuben, die sich mit Holzschwertern bekämpfen und vor minecraft wieder versöhnen, und ein Kindergartenmädchen, das in der Unterbespaßung systematisch die von der Fasnacht übriggebliebenen Süßigkeiten niedermacht.
    Spiegeleier gibt es auch manchmal. Aber mehr noch Pfannkuchen.
    https://beatekalmbach.home.blog/corona/
    ein tagebuch

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    1. Über zu viel Stille wird man sich in deiner Hausgemeinschaft sicher nicht beschweren. Eigentlich aber sehr schön. Bei mir ist es ja sehr ruhig und ich vermisse so langsam den Trubel meiner großen Familie (inklusive der Hahnenkämpfe der Kinder und dem Desinteresse der Teenager). Pfannkuchen sind auch besser als Spiegeleier. Bei mir eines meiner Lieblingsgerichte und zu gleich echtes Seelenessen, das mich an daheim und an Kindheit erinnert.

      Liebe Grüße, ich werd gleich mal bei dir vorbei schauen.

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