Permanent schlecht gelauntes Miststück

Entgegen der E-Mail, die mich vor kurzem erreicht hat, bin ich kein „permanent schlecht gelauntes Miststück“ mit Hang zu „undurchschaubaren promiskuitiven Beziehungen“. Wobei ich ganz formell darum bitten möchte, den letzten Satzteil verwenden zu dürfen, wenn ich mich jemals bei Tinder anmelden sollte. Vielleicht auch den ersten, das würde mir Nachfragen jeglicher Art ersparen und ich müsste gar nicht erst versuchen ein solches arrangiertes Beischlaf-Event der Höflichkeit halber als etwas anderes zu bezeichnen. Ok, vielleicht bin ich jetzt gerade wirklich etwas schlecht gelaunt. Jetzt. Nicht permanent. Jetzt etwas mehr, weil mich jemand der mich nicht kennt, als Miststück bezeichnet. Das dürfen nur Freunde und Familienmitglieder. Die wissen warum und denen kann ich ab und an nicht widersprechen. Die sind aber auch aus Bayern und in Bayern ist ein Miststück kein schlechter Mensch, sondern nur einer, der sich zum Beispiel aus Versehen, das letzte Stück Erdbeerkuchen genommen hat und der mit vollem Mund nicht fragen konnte ob vielleicht sonst noch jemand Milch in den Kaffee will, bevor man am Sonntag den letzten Rest in die eigene Tasse kippt. Da sagt der Bayer schon mal Miststück. Also meine Freunde zu mir. Manchmal. Aber in einer E-Mail, in der man sich darüber beschwert, dass ich permanent schlecht gelaunt bin, da möchte ich schon gerne als Mitzi angesprochen werden. Meinetwegen auch als Frau Irsaj oder „hey du“, aber eben nicht als Miststück.

Und was bitte ist an meinem Liebesleben nicht durchschaubar? Ich würde es ja verstehen, wenn mir das jemand sagt, der bei einer meiner Lesungen war. Da gab es die eine oder andere, die ein wenig außer Kontrolle geraten ist. Zum Beispiel die mit dem Titel „Liebe ist ein Butterbrot“. Da las ich über die Liebe. Auch über die Liebe zu Butterbroten aber primär über die Liebe zu Männern und weil ich die WENIGEN Männer die ich liebte in der Öffentlichkeit nicht preisgebe habe ich sie hinter Namen und Synonymen versteckt. Wie „der, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor der Tür steht“…Sie kennen das ja. Es war eine lange Lesung und in der ersten Reihe saß eine alte Frau die besonders aufmerksam war. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie bei jeder neuen Erzählung, die neuen Namen an den Fingern abzählte. Am Ende fragte sie mich streng ob ich stolz auf eine so große Anzahl von Beziehungen sei und wo um alles in der Welt ich diese stattliche Anzahl an Kerlen eigentlich aufgetrieben hätte. Der lieben alten Dame, hab ich gern erklärt, dass nicht jede Erzählung gleichbedeutend mit einem neuen Mann ist und das meist schon eine männliches Exemplar ausreicht, um ein durchschnittlich dickes Taschenbuch mit Anekdoten zu füllen. Am Rande, auch ein weibliches Exemplar reicht. Zum Beispiel ich – ich fülle, wie Sie wissen, ohne jede Anstrengung einen ganzen Blog. 

Und obwohl ich ohne Anstrengung mit meiner mir eigenen Art einen ganz Blog fülle und durchaus von Menschen (bayerischen Menschen) die mir nahe stehen auch mal als Miststück bezeichnet werden kann, ist es eine Unverschämtheit wenn mir einer so was als Mail schreibt. Permanent schlecht gelaunt… ja gut, wenn man mich im falschen Moment trifft, vielleicht schon, aber nicht permanent. Da müsste einer schon ein Händchen haben, immer im falschen Moment das falsche zu sagen, um so einen Eindruck von mir zu bekommen. Aber wie einer auf die Idee kommt, dass ich  undurchschaubare Beziehungen hätte ist mir ein Rätsel. Mein Freund durchschaut sie jedenfalls. Also unsere, die eine, die ich habe. Gell, Hase, frage ich ihn und er sagt nichts, sondern liest nur über meine Schulter die noch offene Mail auf dem Bildschirm. Er braucht ein bisschen und ich frag mich, warum er den Mist überhaupt liest. Ich hab nach den ersten beiden Sätzen aufgehört.

Vielleicht hätte ich doch weiter lesen sollen. Die Mail ist von meinem Nachbarn Paul und weil mir der eigentlich nie schreibt, wusste ich auch nicht das er sich hinter pk1976 verbirgt. Das Paul mich für permanent schlecht gelaunt hält wundert mich nicht. Wenn einer ein Händchen hat, mich auf dem falschen Fuß zu erwischen, dann er. Paul beschwert sich, dass ich seinen Zweit-Parkplatz seit nun mehreren Jahren permanent durch meine „Kerle“ belegen würde und er die Schnauze voll hätte. Ich lese es und grinse etwas verlegen. Mein Freund grinst nicht, sondern sieht mich in der Erwartung einer Erklärung an. Ich kanns erklären und tue es. Da Paul seinen zweiten Parkplatz für seine Freundinnen angemietet hat und er sich mindestens so oft nicht in einer Beziehung, wie in einer Beziehung befindet, nutze ich ihn eben auch. Aus Gründen der Effizienz. Wäre ja doof, wenn der die halbe Zeit leer steht. Außerdem sind seine Freundinnen meistens so jung, dass sie sich noch gar kein Auto leisten können. Kerle, fragt mein Freund und grinst noch immer nicht. Ja, ab und zu steht da auch jemand außer mir. Der beste meiner Freunde mit dem roten Twingo. Oder der klügste meiner Freunde mit dem grauen Polo. Manchmal der mutigste mit irgendeinem Auto und ab und zu einer meiner Neffen, mit den Autos ihrer Eltern. Und ganz oft eben du, sagte ich meinem Freund und lächle ihn strahlend an, damit er weiß, dass er mein Lieblingskerl ist und ich nur zufällig mehr männliche als weibliche Freunde habe. 

Mein Freund parkt jetzt sein Auto um. Es steht jetzt auf der Straße und nicht mehr in der Garage auf dem Platz, von dem er dachte es sei der meine. Ich habe zwar durchaus einen Parkplatz in der Tiefgarage, aber den habe ich seit Jahren untervermietet. Miststück, sagt mein Freund und grinst. 

20 Gedanken zu “Permanent schlecht gelauntes Miststück

  1. Liebe Mitzi,
    manchmal weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll.
    Muss ich ja auch nicht, meinen Senf dazugeben, erwartet ja niemand von mir.
    Aber was Sie hier in Ihrem Blog schreiben, ermuntert schon, es mit Senf zu versehen. 😉

    Erst wollte ich sagen: don’t feed the troll
    aber als ich dann weiter las und erfuhr, dass es sich um Paul dreht,
    kam mir spontan der Gedanke:
    So reagieren Kerle, die einer Frau an die Wäsche wollten und abgeblitzt sind. Dann beleidigen sie statt ihr mit Kusshand einen Parkplatz anzubieten. 😉
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, man muss seinen Senf wirklich nicht zu allem dazu geben. Hier aber ist er erwünscht und von Ihnen ganz besonders :).
      Eine für mich schöne Interpretation. Bei Gelegenheit frage ich Paul, ob er das auch so sieht. Ich warte nur einen „guten“ Tag ab ;).
      Herzliche Grüße
      Mitzi

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  2. Ich vermute, Paul kennt Dich besser, als wir glauben: Er weiß genau, wenn er Dich bittet: „Kannst du bitte deinem Besuch sagen, daß das mein Parkplatz ist?“, daß Du dann höflich antwortest: „Aber ja, lieber Paul“ – aber sich nichts ändern wird. Wegen einer solchen Bitte fängst Du keinen Streit an, aber ihr tatsächlich nachzukommen, das wäre doch sehr unvernünftig und einfach lächerlich. Und da Paul das ahnt, beschimpft er Dich mit den größten Beleidigungen, die ihm einfallen, nämlich mit denen, die ihm neulich eine seiner – inzwischen Ex- – Freundinnen an den Kopf geworfen hat. Vermutlich war er für zehn Minuten recht beeindruckt davon, auch ein wenig empört, daher kann er sich daran erinnern. Wenn das bei ihm klappt, warum dann nicht bei Dir? Aber soo gut scheint er Dich dann doch nicht zu kennen.;-)

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    1. Beim morgendlichen Kaffee habe ich gerade herzhaft gelacht. Mir scheint, als würden auch meine Leser mich schon weit besser kennen, als ich mir vorstelle ;).
      Herzliche Grüße von Mitzi – die jetzt ganz brav ihren Besuch auf der Straße parken lässt. (Oder auf den für Supermarktkunden reservierten Parkplätzen)

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  3. Besser eine Mail vom Nachbarn bekommen, als es in seinem Abitur-Abschluss Buch der weiterführenden Schule stehen zu haben 😉 Wobei sich alle „Miststück“ einfach nur gedacht und nicht ausgeschrieben haben… Haben wir davon, effizient sein zu wollen

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  4. Abgesehen davon, dass alle Beziehung in der realen Welt undurchschaubar ist und bleibt, und wirkt sie noch so einfach. Und abgesehen davon, dass Beleidigungen anonym oder von gewissen Leuten die man kennt eigentlich die größten Komplimente sind oder sein sollten.
    Ist das nebenbei nur dumm. Wer eines elaborierten Code mächtig ist und die Kulturtechnik des Schreibens beherrscht sollte doch eine ausgefeiltere (ausgefeimtere) Beleidigung zustande bringen!

    Freilich, eines ist wahr… das Ausmaß, in dem Schreibende promiskuitiv sind, freilich, wie unschwer zu erkennen, nur in ihrer schmutzigen Phantasie und oft selbst da nur in einem sinnbildlichen und weniger drastisch bildlichen Sinne, das kann Herrn Phantasielos und Frau Hypermoralisch schon mal aus dem Gleichgewicht bringen.

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