Pronto?!?

Chiuso per ferie – wegen Urlaub geschlossen – hätte ich vor Jahren gerne dem missmutigen Spanier und dem unfreundlichen Italiener am Telefon ins Ohr gefaucht. Nix Telefon. Heute ist Feiertag. Mariahimmelfahrt bei mir und Ferragosto bzw Asunción de la Virgen Maria bei euch. In Gedanken habe ich es gemacht. Bei jedem Klingeln des Telefons fauchte ich anfangs leise und im laufe des Tages immer lauter „No! Sono in ferie!“ – ich hab frei – bevor ich den Hörer abnahm und mein leidlich freundliches „Pronto“ schmetterte. Von wegen Pronto. An diesem 15. August war ich alles andere als pronto. Weder war mein Italienisch den unzähligen italienischen Dialekten gewachsen, noch sprach ich Spanisch. Beides grundlegende Voraussetzungen um ein Telefonat mit italienischen und spanischen LKW Fahrern zu führen. Ich verstand nur die Holländer. Die hatten keinen Feiertag, waren keine Fahrer sondern Büromenschen und riefen am häufigsten an. Pronto war ich für die aber auch nicht. Sprachlich lief es super mit ihnen, inhaltlich eher weniger. Die Holländern wollten von mir an jenem 15. August nämlich wissen wo sich die LKW Ladungen ihrer Obst- und Gemüselieferungen gerade befanden und warum bei ihnen die Telefone mit verärgerter Lageristen heiß liefen. Ganz ehrlich, obwohl ich die einzige war, die diese Frage hätte beantworten können, war ich völlig ahnungslos.

Ahnungslos und mit den Nerven am Ende.  Keine Sau (außer den Holländern und den verlorengegangenen LKW Fahrern) arbeitete an diesem 15. August meines ersten Jahres in Italien. Der mutigste meiner Freunde lag irgendwo am Meer in der Sonne, meine Familie daheim in München traf sich im Biergarten und meine italienischen Kollegen hatten den Tag geschlossen frei genommen. Das konnten sie, weil es jetzt einen Idioten gab, der den Laden schmiss. Über den Haufen schmiss. Oder an die Wand fuhr. Vielleicht auch in den Ruin steuerte. So ganz genau wusste ich das noch nicht, aber je weiter der Tag voran schritt umso sicherer war ich mir, dass ich auf eine Katastrophe zusteuerte. Ganz einfach, sagte Leo mein Kollege am Vorabend. Die Bestellungen sind gemacht, die Großmärkte informiert und die Fahrer hätten ihre Routen bekommen. Kein Problem. Ich hätte nichts zu tun, müsse nur das Telefon bewachen, falls, sehr unwahrscheinlich, doch einer anruft und etwas wissen möchte. Den könne ich dann auf den nächsten Tag vertrösten. Kein Problem, sage er und schönen Ferragosto. Ja, scheiß Ferragosto! Von wegen keine Probleme. Man sollte doch meinen, dass so ein LKW Fahrer seine Karre im Griff hat und weiß was zu tun ist, wenn die Kühlung ausfällt. Am späten Vormittag wusste ich es dann auch. Die erwarten vom Deppen, der im Büro die Stellung hält, dass der ein Fahrzeug mit funktionierender Kühlung zu ihm schickt, damit die dämlichen Pfirsiche umgeladen werden können. Und wenn die – wie ich jetzt, damals aber nicht, weiß – zu lange in der Augustsonne ungekühlt gären, dann verramscht man sie an Abnehmer, die Marmelade oder Kompott aus ihnen machen. In meinem und Lucas Fall passierte mit den Pfirsichen gar nichts, weil ich  im Abstand von wenigen Minuten ein neues Problem am Telefon hatte. 

Wussten Sie, dass Genua auf italienisch Genova und nicht Ginevra heißt? Wenn ja, behalten Sie es bitte für sich. Ich wusste es nicht und schickte einen Fahrer der den Ausdruck seiner Route verloren hatte nach Genf statt nach Genua. Non é colpa mia – nicht meine Schuld! Man wird doch wohl erwarten dürfen, dass einem die Fahrer einer Spedition, mit der man seit Jahren zusammenarbeitet, darauf aufmerksam machen, dass sie bisher noch nie zu einem Großmarkt in die Schweiz geschickt wurden. Machen sie nicht. Und wenn Sie sich fragen ob die denn überhaupt an den Feiertagen auf den Autobahnen fahren dürfen….in manchen Ländern ja und damals noch mehr. Irgendeiner meiner Kollegen hatte es mir erklärt. Hatte mir genau gesagt, wann, wer, wo wegfahren muss um pünktlich am Tag nach dem Feiertag wo, wann und mit was anzukommen. Ich hab es gewusst. Hab alles ganz genau verstanden. Bis an Ferragosto um acht Uhr morgens das erste Mal das Telefon klingelte. Pronto sagte ich noch, bevor ich im völligen Chaos versank. 

Um sechs Uhr abends meldete ich mit einem leisen „Grüß Gott“, weil es eh schon egal war und ich himmlischen Beistand sehr dringend brauchte. Eine halbe Stunde später war Leo, der hören wollte wie mein Tag gelaufen war, im Büro. Gerade einmal zwei Stunden brauchte er, um alles wieder gerade zu biegen. Alles außer mir. Ich war um acht noch immer geknickt. Erst das Abendessen zu dem ich eingeladen wurde und die vielfache Versicherung, dass ich meinen ersten Tag ganz alleine im Büro hervorragend gemeistert habe, hat mich wieder aufgerichtet. Kurz. Denn leider war Leo dazu übergegangen mein Italienisch jetzt unter- und nicht mehr überzuschützen. Ich verstand genau was er seinen Freunden erzählte. Disastro ist dem deutschen Desaster doch recht ähnlich.

P.S. Falls Sie in Urlaub im Süden sind….morgen gibt es überall in Italien wieder frische holländische Strauchtomaten, keine Sorge. Ich arbeite jetzt wieder in München.

P.P.S. Nicht aus dem Buch „Nix mit Amore“ ;). Da gibt es andere Feiertagskatastrophen


 


			

19 Gedanken zu “Pronto?!?

  1. Was für ein marianisches Himmelfahrtskommando … ! Feiertag für alle!
    Hier in Nürnberg wird gearbeitet, und in die mehrheitlich protestantische Stadt kommen die umliegenden katholischen Feiertägler*innen gerne zum Einkaufen.

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  2. Das erinnert mich an den Freitagabend, an dem ein mit Aprikosen beladener spanischer Laster in ein österreichisches Feld kippte, ich an einem Ohr den brüllenden österreichischen Bauern hatte und am anderen die Versicherung des Lasters, die sich leider nicht so schnell entscheiden konnte, ob sie die Bergungskosten denn nun übernehmen wollte oder nicht.

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  3. Ich bin irgendwie sehr froh, dass die Iren wesentlich unkomplizierter waren 😀 Einzig und allein die Verkaufsgespräche waren manchmal ein wenig happig, vor allem wenn kein Preis auf der Rükseite der Bilder stand. Zumindest habe ich so meiner Chefin ihre Monatsmiete gesichert und sie hatte darauf hin ein schlechtes Gewissen 😀 Dafür habe ich ja ihre Gallerietür runiniert. Es nimmt sich nicht viel

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