Alltag IX – Dinge

Ob er in seiner Branche so schlecht verdienen würde, fragte eine Bekannte, als sie mich und ihn zufällig traf. Amüsiert schlug sie die Türe ihres…was weiß ich für eines….Autos zu und schüttelte den Kopf über den kleinen in die Jahre gekommenen VW aus dem ich gerade ausgestiegen war. Ich hätte ihr erklären können, dass ich keine Ahnung habe, was er verdient, es vermutlich mein eigenes Gehalt aber um einiges übersteigt. Da es sie aber nichts angeht und mich nicht sonderlich interessiert, zuckte ich nur mit den Schultern. Für die Rechnung im Supermarkt reichte das Gehalt – meines und das seine – und der VW um damit zurück nach Hause zu kommen. Weder er noch ich ersetzen Dinge, solange sie noch funktionieren. Ich bin mir sicher, dass der kleine VW ersetzt wird, sobald er den Geist aufgibt und noch sicherer, dass es keinen Tag vorher geschehen wird. Warum auch? Er, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Tür steht ist in diesen Dingen konsequenter als ich. In Dingen, die mit Dingen zu tun haben. Ohne sich je darüber Gedanken gemacht zu haben, gehört er zu der seltenen Spezies Mensch, die tatsächlich nicht ein Teil besitzen, das sie nicht a) brauchen b) ihnen nicht gefällt oder c) sinnlos ist, ihnen aber Freude bereitet. Dinge wie d) von denen die Allgemeinheit behauptet man hätte sie zu besitzen, deren Sinnhaftigkeit ihm aber nicht erschließt, hat er nicht. Eine Butterdose zum Beispiel. Oder Handtuchhalter (hier bin ich übrigens entschieden anderer Meinung – er braucht unbedingt einen, weiß es nur nicht). 

Konsequent ist er auch in der Nutzung von Dingen. Alles was er besitzt nutzt er. In seiner Wohnung gibt es nichts, was nur rumsteht. Und wenn, dann nur weil es wie das alte Blechschild im Flur zu c) sinnlos, bereitet aber Freude, gehört. Es wunderte mich also nicht, dass er die Stirn in Falten zog, als ich ihm erklärte, dass die Tasse meines Großvaters nur zur Erinnerung dastehen würde, aber auf keinen Fall benutzt werden darf. Ihm zu erklären, dass ich ein ganz besonderes, sehr teures Parfüm nur selten benutze um es mir aufzusparen, habe ich gar nicht erst versucht ihm zu erklären. Auch nicht, dass ich manche Kleidungsstücke so sehr liebe, dass ich sie nur zu besonderen Anlässen anziehe um sie zu schonen und auch nicht, dass ich aus Angst ihn zu verlieren manchen Schmuck den man mir schenkt, gar nicht erst anlege. Besonders nicht das filigrane Armkettchen, das er mir schenkte. Es ist so wunderschön zart, dass ich es bestimmt kaputt mache, wenn ich im Vorbei gehen irgendwo hängen bleibe. Schade, denn am liebsten würde ich es jeden Tag tragen. Aber noch viel mehr schade wäre es, wenn es kaputt und damit dauerhaft verloren ist. Deshalb liegt es in der Schmuckschatulle und deshalb stehen die beiden Tassen meines Großvaters im Schrank und werden nie gefüllt.

Wurden nie gefüllt. Eine von ihnen zerbrach vor einigen Wochen, als ich den Schrank feucht raus wischte und versehentlich dagegen stieß. Sie zerbrach, ohne das ich ein einziges Mal aus ihr getrunken hatte. Ich rechne es dem, der damals neben mir stand, hoch an, dass er über meine Tränen weder gelacht, noch den Kopf geschüttelt hatte. Und noch höher, dass er mir meinen Kaffee am nächsten Morgen in der anderen noch übrigen Tasse auf den Tisch stellte. Ein kleiner, wortloser Stups, die schönen und emotionalen wertvollen Dinge die ich habe, auch zu nutzen und mich an ihnen zu erfreuen. Meinen Milchkaffee trinke ich seither nur noch aus dieser Tasse und freue mich jeden einzelnen Tag über die Erinnerung an meinen Großvater. Meinen Tee aus der meines Vaters und am Handgelenk habe ich Tag und Nacht ein filigranes Kettchen, das sowohl in der Sommersonne als auch im Kerzenlicht wunderbar funkelt. Die Absätze meiner liebsten Schuhe sind bereits etwas ramponiert, aber sie trugen mich in diesem Jahr durch so viele schöne Nächte, dass es anders auch nicht sein könnte. Mein Seidentop ist hinüber, aber wann immer ich es trug, fühlte ich mich gut und ich habe Platz für ein neues und sicher genauso schönes. Das Lämpchen im Lampion an meinem Balkon gibt sicher bald den Geist auf. Man kann es nicht austauschen, aber die Abend die ich mit einem den ich sehr mag in seinem Licht saß, die waren wirklich schön. 

Besondere Dinge, werden noch besondere, wenn man ihnen Leben einhaucht. Im Schrank stehend verblassen sie oder werden schlecht. Das letzte Glas selbstgemachter Marmelade meiner Oma…nach ihrem Tod wollte ich es für einen besonderen Tag aufheben. Gestern musste ich es wegwerfen. Wie dumm, dass ich es nicht gegessen habe. 

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34 Gedanken zu “Alltag IX – Dinge

  1. Liebe Mitzi,
    Sie sagen es! Das geht die Bekannte gar nichts an. Ich vermute mal, da sie nicht so eine nette Begleitung hat, muss sie mit ihrem Auto angeben. 😉
    Mich geht es übrigens auch nichts an, ob er wirklich jedes Mal ’ne Flasche Wein mitbringt? 😉 Darum frage ich das auch nicht.
    Es gibt noch so viele offene, wichtige Fragen auf diesem Planeten, für die wir noch Antworten brauchen.
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, Sie fragen ja nicht, aber würden sie fragen, dann wäre ich ganz ehrlich und würde lachend den Kopf schütteln. 😉🙂😶
      Kümmern wir uns um die anderen Fragen. Die wirklich wichtigen.

      Herzliche Grüße
      Mitzi

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  2. Da fällt mir der Spruch von Maude aus dem Film Harald and Maude ein. „Man soll sein Herz nicht an Dinge hängen“. Maude hatte übrigens eine riesige Sammlung von Dingen, die ihr Freude machten aber eigentlich keinen praktischen Nutzen hatten. Schön.

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    1. Das ist am Ende ja auch ein Nutzen. Kein praktischer aber ein sehr angenehmer und schöner. Dinge die einem Freude machen die dürfen ruhig rumstehen. Zumindest ein paar davon. Den Spruch kannte ich, erinnere mich aber nicht mehr woher eigentlich stammt. Danke für die Erinnerung

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      1. Maude hat auch Sachen leichtherzig an Menschen die sie möchte weitergegeben und dabei große Freude empfunden. Sie ist zwar nur eine fiktive Person aber für mich durchaus ein Vorbild. (und sie hatte wirklich einen Haufen Sachen:-))

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  3. Für mich ist es ein wenig eine Stimmung wie in einem Museum, wenn Dinge herumstehen und nicht benutzt werden. Andererseits sind sie Zeugnis eines individuellen Lebens.
    Ich frag mich, da Lebensraum immer teurer werden wird, ob sich das auch auf unser Verhalten auswirken wird. Ich denk da jetzt mal drüber nach.😎

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    1. Mir geht es ähnlich wie dir. Eine Wohnung die zu steril und ohne jede Atmosphäre ist kann ich nicht leiden. Ein wenig Leben muss darin sein damit es gemütlich und heimelig ist. Aber diese vielen Staubfänger die eben nichts bedeuten die gefallen mir nicht.
      Mangelnder Platz wird ein Umdenken bedeuten müssen. Zum einen clevere Lösungen, zum anderen auch die Trennung von vielen Dingen die man einfach nicht braucht.

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  4. Sehr schöne und weise Betrachtung! Manche Dinge die einem etwas bedeuten und an denen das Herz hängt wegen wundervollen Erinnerungen, gibt man nicht in den Müll oder entsorgt sie sonst irgendwie. Und es geht niemanden etwas an, außer einen selbst. 😉
    Manche Bekannten würden sich wundern, was für Sachen ich noch von Lynn aufhebe. 🙄
    Viele liebe Grüße,
    Werner 🙂

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    1. Danke, lieber Werner. Schöne Erinnerungsstücke könnte ich auch nie weggeben. Egal wie eng der Platz wird.
      Und auch bei mir würde man sich wundern. 😉
      Solange dir etwas wertvolles ist es ja auch egal was andere davon halten.
      Liebe Grüße Mitzi

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  5. Liebe Mitzi!

    Und sollte Ihr Armkettchen doch einmal abhanden kommen, können wir wohl sicher sein, dass es sich der liebe Pumuckl mit seiner Vorliebe für Glitzer vorübergehend ausgeborgt hat. Doch wer ihn kennt weiß ja, dass er es auch artig wieder zurück bringen wird 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  6. Du sagst es, liebe Mitzi: „Weder er noch ich ersetzen Dinge, solange sie noch funktionieren.“
    Vom Prinzip her ist das auch mein Motto, aber eben doch nur vom Prinzip her, denn bei der Spülmaschine habe ich ja z.B. dagegen verstoßen. Aber ich wurde so bitter, bitterlich bestraft, dass ich das bestimmt so schnell nicht wieder machen. – Mit dem Klempner und dem Durchlauferhitzer war es auch nicht so viel anders; also werde ich mich bemühen, nach deinem und meinem Grundsatz strikt zu leben.
    Lieben Gruß

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    1. Man kann seine Prinzipien auch nicht immer durchhalten. Ich versuche es zwar schon, werde in Kürze aber meinen Staubsauger auch auf den Gerätefriedhof bringen, da er zwar noch wunderbar funktioniert ich aber Angst habe dass er irgendwann bei Benutzung schlicht und einfach explodieren wird. 🙈😳Fast 20 Jahre Laufzeit sind genug. Obwohl er funktioniert. Liebe Grüße

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  7. Lustigerweise (?) hat mir damals der Film „Kevin allein in NY“ genau diese Lekton vor Augen geführt. Denn er erzählt ja dieser einen vereinsamten Taubenfrau von den Rollerskates, die er mal geschenkt bekommen hatte. Die waren wohl so schön, dass er Angst gehabt hatte sie kaputt zu machen letzendlich ist er aus ihnen rausgewachsen ohne jemals einmal damit gefahren zu sein. Glaube es sollte uns allen eine wichtige Lektion sein…

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  8. Wie oberflächlich muss man sein, um Menschen danach zu beurteilen, wieviel sie verdienen. Das es so etwas noch gibt, hätt ich niemals gedacht. Aber ich wurde auch schon öfters von Frauen als erstes gefragt, welches Auto ich fahre. Ich frag mich dann, ob die ne Freundschaft usw. suchen oder einen Fahrdienst – und mach schnell die Biege. LG PP

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      1. Darüber käm ich gar nicht auf die Idee, mich zu wundern. Aber ich denke, je kleiner und älter das Auto, desto größer und jünger erscheint die Besitzerin. Wenn du ein altes ungebügeltes Hemd anziehst, fallen deine Falten nicht mehr auf und du wirkst jünger .. Sorry, mein Humor, aber ohne ihn wär ich schon längst gesprungen .. ^^

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  9. Liebe Mitzi, ich bin versucht zu schreiben, gut, dass die eine Tasse zerbrochen ist – natürlich ist es nicht gut, es ist schade, aber nun benutzt du die andere und eben das ist gut. Ja, wir sollen unsere Lieblingskleider tragen, den schönen Schmuck auch und die Marmeladen essen, Gläser sind haltbarer als der Inhalt und du könntest z.B. dort etwas Schönes in Gedenken an die Grossmutter hineintun … aber was schreibe ich denn da? Du hast es doch schon selbst kapiert …
    Ich freue mich sehr, dass du auch in dieser Runde wieder mit von der Partie bist.
    Herzlichen Dank und Gruss
    Ulli

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    1. Doch, Ulli, du hast recht. Es ist gut, dass die Tasse zerbrochen ist. Ich war (und bin noch immer) gar nicht gut im Loslassen und viel zu vorsichtig, wenn ich glaube etwas „aufheben“ und „behüten“ zu müssen. Ein Schubs schadet nicht.
      Die Gläser habe ich weggeworfen. Sie waren scheußlich. Ich habe anderes von meiner Großmutter und an die wunderbare Marmelade muss ich mich nun einfach erinnern.
      Liebe Grüße und einen schönen Sonntag.
      Mitzi

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