Sie fragen – ich lüge

Im Grunde bin ich ein sehr ehrlicher Mensch. Ich lüge nur äußerst ungerne und schwindle nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt oder für den Fragenden einfach besser ist, nicht alles zu wissen. Und doch gibt es ein Thema, bei dem ich fast immer lüge – Sport. Ich bin mir sicher, dass es kaum ein Thema gibt, bei dem mehr gelogen wird. Sogar unter guten Freunden. Wenn ich eine meiner Freundinnen am Samstag Vormittag in der U2 zufällig treffe, dann sieht sie nicht glücklich aus. Ihr Gesichtsausdruck schwankt zwischen genervt und unwillig und in ihren Mundwinkeln sehe ich die Abscheu gegenüber dem was kommt. Grüße ich sie aber, dann strahlt sie mich an. Hey, auch auf dem Weg ins Studio? Toll, gell? Mal wieder richtig auspowern. Wir lügen beide, dass sich die Balken biegen und versichern uns, dass es nichts schöneres gibt, als sich Samstagmorgen um kurz nach zehn von einem saublöd grinsenden Sadisten malträtieren zu lassen. Ne klar, macht Spaß wenn man feststellt, dass man auch nach Jahren des Trainings nach der zweiten (echten) Liegestütze einfach flach auf das Gesicht fällt. In meinen Augen eh eine völlig überbewertete Übung, da ich anscheinend zu den wenigen Menschen gehöre, deren Armmuskulatur für so etwas nicht gemacht ist. Meine Armmuskeln kann man nicht mit Liegestützen trainieren. Die können schwere Einkäufe durch die Gegend schleppen und bockige Dreijährige einen halben Tag lang durch die Stadt tragen. Das können die richtig gut. Was sie dagegen nicht können, ist mich selbst auch nur für dreißig Sekunden in der Luft halten. Das machen sie einfach nicht. Sie können mich auch nicht hochziehen. Hängt man mich an ein Reck, um einen Klimmzug zu machen, dann wird das nichts. Dann häng ich da, aber mehr auch nicht. Sollte ich jemals in den Bergen stürzen, einen Abhang runter rutschen und mich gerade noch an einem Felsvorsprung festhalten, dann wüsste ich was ich zu tun hätte. Einmal noch den Blick schweifen lassen, sehen wie schön wir es hier in Bayern haben und dann loslassen. Es wäre völlig sinnlos zu versuchen, mich hochzuziehen. Jahrelanges hängen an einer Reckstange hat mir bewiesen, dass meine Arme für so einen Mist nicht geschaffen sind. Lächeln, Ausblick genießen und fallen lassen – so würde es kommen. Da ich aber trittsicher und schwindelfrei bin, ist das unwahrscheinlich. Sollten sie dennoch mal in den Bergen eine kleine Blonde sehen, die gar nicht versucht wieder hoch zu kommen – das bin dann wahrscheinlich ich. Winken Sie, das würde mich sicher freuen. 

Lassen Sie sich, wenn Sie mich in den Bergen sehen, übrigens nicht von meinem Aussehen täuschen. Es geht mir gut. Der hochrote Kopf und die Schnappatmung erinnern an einen Herzinfarkt, sind aber völlig unbedenklich. Ich gehöre nämlich leider zu den Frauen, die scheiße aussehen, wenn sie sich richtig anstrengen. Wie andere das machen, ist mir ein Rätsel und ich würde wirklich gerne zu ihnen gehören. Ähnlich wie das nicht vorhanden sein meiner Armmuskeln, habe ich mit den Jahren aber auch akzeptiert, dass ich mich bei extremer Anstrengung in etwas verwandle, dass einer bissigen Bulldogge gleicht. Einer die sich im Laub oder Schlamm gewälzt hat und deren Fell ein wenige….na, Sie können sich das sicher vorstellen. Ähnlich einer Bulldogge gebe ich aber auch nicht auf. In den Bergen sind schon weit Fittere an mir gescheitert. Ich komme aus München und der Berg der mich schafft, den gibt es nicht. Hoch komme ich immer. Ok, man ist sich nicht sicher, ob ich es wieder runter schaffe, wenn ich oben, alle Viere von mir gestreckt erst mal dreißig Minuten unter dem Gipfelkreuz liege. Ich würde Anwesende Bergsteiger gerne beruhigen, aber meist fehlt mir die nötige Luft und die wenige die ich bekomme brauche ich zum Atmen. Meine Freunde sagen ich bin zäh und das stimmt. Ich bin es dank ihnen. Die mit denen ich in die Berge gehe, sind alle super fit und rennen da einfach hoch. Ich krieche, keuche und schimpfe – aber ich bin fast immer genauso schnell. Und wenn ich mal länger brauche….die Brotzeit ist immer in meinem Rucksack, darauf achte ich. Man versucht mich also besser nicht abzuhängen. 

Damit wir uns richtig verstehen, ich bin nicht unsportlich. Nur leider sieht man das nicht. Liegt nicht an mir, liegt an den anderen. Die machen alles so gut, dass ich daneben nur verlieren kann. Zwei meiner engsten Freunde sind richtig gute Skifahrer und ich betrachte es als Kompliment, dass sie ihre Freundinnen früher häufig zu Hause ließen, mich aber immer mit nahmen. Sie machten sich einen Spaß daraus, zu versuchen, ob man mich nicht doch klein kriegen könne. Konnte man nicht. Auf einer normalen, gerne auch steilen Piste, fühle ich mich sicher und bin eine ganz gute Skifahrerin. Lustiger war es für die beiden daher, mich durch Tiefschnee und über Buckelpisten zu scheuchen. Ich weiß nicht wie ich da ausgesehen habe, aber Kontrolle hatte ich sicher nicht mehr. Über nichts. Stehend nach unten kommen, das war mein Ziel und wenn ich mich richtig erinnere, dann waren diese Abfahren mit einem einem beständigen Murmeln verbunden. „Uiuiuiuiui“ in Endlosschleife. Mache ich immer, wenn ich weiß, dass ich jegliche Kontrolle über mich und die Gerätschaft verloren habe und einfach nur Glück brauche. Beim Einparken und auf der Buckelpiste zum Beispiel. Und immer dann, wenn sich jemand der mich noch nicht lange oder gut kennt nach meiner Sportlichkeit erkundigt. Dann lüge ich, dass sich die Balken biegen und ahne, dass es ein böses Erwachen geben wird. Spätestens dann wenn ich vorschlage, die schwarze Buckelpiste zu nehmen, weil alles andere doch viel zu langweilig ist, behaupte, dass ich als Münchnerin, mit dem Eisbach vor der Tür, natürlich Wellenreiten kann und man im Sommer gern mal mit dem Rad über die Alpen fahren könne.

30 Gedanken zu “Sie fragen – ich lüge

  1. Liebe Mitzi!

    Keine Sorge. Sollten Sie je an einem Felsvorsprung hängen, rufen Sie nach unserem Flugschwein Alfredo Ringelo. Er wird im Nu angeschwebt kommen und Sie sanft hinab ins Tal geleiten. 🙂
    … außerdem habe ich mal gehört, dass Fitnessübungen den zarten Händen begabter Schreiberinnen schaden sollen … naja, das war jetzt ein bißchen gelogen 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  2. Ich brauche den richtigen Anreiz. Bin um mit einem tollen Mann zusammenzusein in der Kur zweimal weit über meine Grenzen gehend gewandert. Er hat es leider gemerkt, war aber schwer beeindruckt.

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  3. Ha ha ha😀. Sehr schön und anschaulich. Ich gehöre übrigens auch zu der Sorte angestrengter Sportler. Schön ist es erst, wenn es vorbei ist. Ich kenne auch Menschen die ganz ohne Sport leben und sich wohl fühlen. Beneidenswert!

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  4. Liebe Mitzi,
    Ihre Geschichten sind nicht nur humorvoll, lebensnah und von höchster Unterhaltsamkeit, sondern auch ausgesprochen lehrreich.
    Ich habe nun gelernt, Unterhaltungen über Sport gänzlich zu vermeiden um nicht lügen zu müssen, den Sport selbst nur in der Form zu betreiben, wo entweder ein Motor, der Wind oder die Schwerkraft für die Bewegung sorgen. Da wir hier keine Skipisten haben, überlege ich mir, an Seifenkistenrennen teilzunehmen.
    Aber auf jeden Fall werde ich vermeiden, mich an ein Reck zu hängen und was Liegestütze sind weiß ich gar nicht. Ist das so etwas wie ein Kopfkissen oder eine Knierolle?
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, die kühnsten, talentiertesten und klügsten Sportler sind jene die Motor, Schwerkraft und Wind zur Fortbewegung benutzen. Insbesondre Bahnfahrer oder eben Sie. Ich denke da an das schöne Foto, das Sie mit dem Elektroroller zeigt.
      Kopfkissen und Knierolle….ich glaube ich muss mir das noch mal ansehen, das klingt gar nicht so schlecht.
      Herzliche Grüße

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  5. Mitzi, ich lüge wirklich und wahrhaftig jetzt nicht, wenn ich schreibe, du musst all diese Dinge von mir geerbt haben, obwohl ich NICHT deine Mutter bin. Ich habe wirklich laut und schallend gelacht. ut, ich würde meinen letzten Blick sicher nicht in Bayern in der Runde schweifen lassen, aber loslassen würde ich sicher auch, wahrscheinlich noch schneller als du. – Und Liegestütze hasse ich, da ich schon jetzt durch meine Nase zu wenig Luft bekomme – geschweige, sie wäre platt wie bei einem Boxer – egal ob Hund oder Mann.
    Also lügen wir weiterhin nicht oder nur bei Bedarf oder auch aus Notwehr.
    Un-Sportliche Grüße aus Berlin von der armmuskellosen Clara

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  6. und wieder einmal könntest du von mir schreiben. die arme, die dafür nicht gemacht sind (als ich mit 14 einen kopfstand machen wollte und seitlings über meine schulter einfach umfiel, als ich wegen zuviel gequatsche vor zwei mädchenklassen liegestütze hätte machen sollen und einfach auf den bauch geknallt bin und und und) und dann: ich schrieb einen text, in dem ich mich selbst als boxer (und ich bezog mich auf den hund) bezeichnete. also: i feel you 🙂

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    1. Ich hab gerade laut auf gelacht als ich von deinem Kopfstand gelesen habe. Vor einigen Jahren ging es mir ganz ehrlich, da habe ich einen Handstand gemacht an der Wand gar kein Problem aber ich musste wegen irgendetwas so lachen dass ich endlich wie du auf den Boden geknallt bin. Ich hoffe du hast dir genauso wenig weh getan wie ich damals 😂

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  7. Ich bin bis heute der Meinung, wer nicht scheiße aussieht beim Sport strengt sich nicht genug an. Das Thema Partnersuche im Studio habe ich auch noch nie verstanden… Bin wohl einer der wenigen Menschen, die dort tatsächlich hingehen um Sport zu machen. Klimmzüge waren auch nie meins, meine gesamte Familie kann keinen. Falls es dich tröstet Frauen könnten dafür mit ihrer Beinmuskulatur Menschen erwürgen. Adrenalien lässt doch die Körperkraft ansteigen, da mach ich mit diesbezüglich der Klippe also keine Sorgen 😛 Gab mal ne Nachricht über einen Jungen, der eine umgefallene Komode wieder aufgestellt hat… Sein Bruder war dort drunter gewesen und das Ding war 10 Mal so schwer wie er.

    Ps: Beim Skifahren hats mich schon mehrere Male rdentlich hingehauen von verdrehtem Knie bis verbrannte Oberlippe/ (Gesicht)war alles dabei

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