1. April

Der 1. April und ich, das ist wie Fasching und ich. Beides funktioniert nicht. Die Freude am Fasching ist mir abhanden gekommen, als meine Mutter mich im „Ungarische Prinzessin“ Kostüm in den Kindergarten schickte und mich alle für eine oberbayerische Stallmagd hielten. Der 1. April hat eine Weile Spaß gemacht. Im Alter von drei bis acht konnte ich meinen Vater an diesen Tagen quer durch das Viertel jagen und behaupten, irgendjemand benötigt seine Hilfe. Klappte immer. Zumindest erzählte man mir das als Kind. Heute vermute ich, dass mein Vater in aller Ruhe irgendwo ein Bier trank und später seine Tochter aus lauter Gutmütigkeit zum gelungenen Aprilscherz gratulierte. Später wurde ich kreativer und in manchen Jahren war es ganz lustig. Ich bin schnell zu amüsieren und lache wirklich gerne über meine eigenen Witze. Die anderen meistens nicht. Vorbei war es mit den Aprilscherzen als ich meiner Mutter und meinem damaligen Freund erzählte ich sei schwanger. Damals lebte ich in Italien, hatte mein Studium noch nicht abgeschlossen und war so pleite, dass ich mir sicher war, dass beide erst aus den Wolken und dann, wenn ich das erlösende „April, April“ rufen würde – der eine live, die andere fernmündlich – mir um den Hals fallen würden, . Leider verschätzte ich mich ganz gewaltig. Mein Hals, war für meinen Freund zwar durchaus von Interesse, aber eher um ihn mir umzudrehen. Vor lauter Schreck provozierte er einen Auffahrunfall und mein Lachen trug nicht zur Deeskalation bei. Meine Mutter dagegen war so enttäuscht und traurig, dass ich mir schwor, sie nie wieder in den April zu schicken. Schließlich ist es einer Mama sehr hoch anzurechnen, wenn sie nur den Bruchteil einer Sekunde zögert und dann sofort und ohne Zweifel versichert, dass alles wundervoll werden wird und ich auf sie zählen könnte. Seit dem findet der 1. April ohne mich statt.

Deshalb lächelt ich auch nur müde, als mir der beste meiner Freunde heute morgen erklärte, dass er ein Date mit Paul hätte. Klar, mit meinem Nachbarn Paul. Ich lächelte nicht nur müde, sondern auch milde, weil das eine so abstruse Vorstellung ist, dass es mich fast schon rührte, dass er mich damit in den April schicken wollte. Der beste meiner Freunde und ich haben nicht selten den gleichen Männergeschmack. Etwas, das kein Problem ist. Schließlich ist das Feld ganz klar aufgeteilt. Hetero – meins; schwul – seins. In selten Fällen räumten wir den begehrten Männern ein Mitspracherecht ein. Wollten sie keinen von uns beiden, handelte es sich – da waren wir uns ausnahmslos einig – um komplette Idioten. Es war mir also völlig egal, dass der beste meiner Freunde versuchte mich eifersüchtig zu machen. Paul….Paul ist so was von hetero, ein lächerlicher Versuch mich dazu zu bringen, Besitzansprüche geltend zu machen.

Mittags kam ein Foto. Die hocken tatsächlich gemeinsam im Biergarten. Montags. Geht´s noch? Ist mir eigentlich egal, einer hat Urlaub, der andere arbeitet nie am Montag, sollen sie doch. Trotzdem ist das scheiße. Da geht es nicht um meins oder deins, sondern darum, dass ich im Büro hocke und die beiden vor Maßkrügen sitzen. Solche Fotos verschickt man einfach nicht. Das ist gemein. Trotzdem ist es mir egal. Ist ja kein Date und selbst wenn, Paul und ich sind Nachbarn und kein Paar.

Fies ist es trotzdem. Woher kennen die sich eigentlich. Klar, der beste meiner Freunde kennt die Paulerzählungen alle. Geschrieben, vorgelesen und seit Jahren in epischer Breite bei einem Glas Wein. Aber kennen gelernt hat er ihn nicht. Es gab auch keinen Grund Paul vorzustellen. Paul ist überhaupt nicht sein Typ. Eher mein Typ. Nicht wirklich, ist ja nur mein Nachbar, aber wenn, dann viel eher mein Typ als seiner. Außerdem kenne ich ihn viel länger und eigentlich schon ganz gut und mit mir war Paul noch nie im Biergarten. Und er, der ihn vielleicht zufällig im Treppenhaus getroffen hat, hockt jetzt mit im in der Waldwirtschaft. Das ist unangebracht.

Und klar, seit Wochen erzählt er mir, meine Geschichten mir Paul bräuchten einen Twist. Etwas unvorhergesehenes, etwas mit dem niemand rechnet, damit es spannend bleibt. Danke, aber nein danke. Wenn es langweilig wird, dann denk ich mir halt was aus. Ich brauch da bestimmt keinen Schwulen, der mir und der Leserschaft beweist, dass der Prototyp eines heterosexuellen Kerls an einem Montag im April auf ganz andere Gedanken gebracht werden kann. Niemals!

Und selbst wenn, ja! Selbst wenn da was homosexuelles in Paul lauert, gell, dann ist das immer noch Sperrgebiet. Das ist mein Nachbar und mein Rhett-Butler-Lächeln! Ich hab´s zuerst gesehen und es wohnt in meinem Haus.

Wer´s anleckt, dem gehört´s, schreibt der beste meiner Freunde und ich lösche seine Nummer aus meinem Handy, blockiere ihn bei Twitter und werfe ihn aus der „Kack-Elch“ (fragen Sie nicht) WhatsApp Gruppe.

Erst als er später grinsend mit einer Brezen und einer Flasche Rotwein vor meiner Tür steht, dämmert es mir. Wer´s anleckt, dem gehört´s, das sagen bei uns die Kinder, wenn sie sich um Süßigkeiten streiten. Ich schmunzle auch. Ok, er hat es geschafft. Er hat mich in den April geschickt. Ich steh verlegen in der Sonne vor meiner Wohnungstür, umarme den besten meiner Freunde und schäme mich ein bisschen für die Überreaktion. Über seine Schulter hinweg sehe ich Paul von seinem Balkon aus winken.

„Du Arsch“, brülle ich quer über den Innenhof. „Das ist nicht lustig. Nicht lustig! Man spielt nicht mit Gefühlen anderer, auch nicht am 1. April, du Arschloch!“ Zwei kräftige Arme ziehen mich in die Wohnung und halten mir den Mund zu. Paul hält mich jetzt für endgültig übergeschnappt. Er war nicht mit dem besten meiner Freunde im Biergarten. Das Foto zeigt zwar zwei Bierkrüge und zwei Männerhände, aber eben nicht Paul. Etwas naiv sei ich schon sagt mein Freund und ich ziehe die Vorhänge in der Küche zu. Die nächsten Monate verlasse ich das Haus nur durch die Tiefgarage und nutze weder Lift, noch Keller noch Mülltonnen. Am besten ziehe ich erst mal zum besten meiner Freunde.

20 Gedanken zu “1. April

  1. Liebe Mitzi!

    Nun könnte sich der geneigte Leser natürlich auch fragen, ob Sie uns mit Ihrer tragischen Aprilscherzgeschichte nicht auch in den April schicken möchten 🙂 Denn wer würde Sie schon auf so fiese Weise veräppeln … so oder so, in jedem Falle mal wieder ein ganz wunderbarer Schmunzeltext 🙂

    Herzliche Aprilgrüße
    Mallybeau

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    1. Liebe Mallybeau, ich hätte sie und die anderen Leser sehr gerne in den April geschickt. Leider fiel mir absolut nichts passendes und amüsantes ein. Das Karma hat mich schnell eingeholt und mein Vorhaben hat sich gegen mich gewendet. Wenn sie aber schmunzeln konnten, dann ist das ja eigentlich auch viel schöner als wenn ich sie in den April geschickt hätte. Herzliche Grüße

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    1. Im richtigen Moment, schaffe ich es alles in ein Drama zu verwandeln 😉 auch für dich eine schöne Biergartensaison. Sie hat ja gerade erst angefangen und ich glaube es wird ein gutes Jahr. Viele Grüße

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  2. Nicht mal Fotografien kann man noch trauen. Aber schön ist es doch, wenn ein Freund soviel Aufwand treibt, um dich in den April zu schicken, liebe Mitzi. Aber was du dem armen unschuldigen Paul zugerufen hast, klingt nach oberbayerischer Stallmagd. Ist hoffentlich nur erfunden, und in Wahrheit benimmst du dich wie eine ungarische Prinzessin 😉

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    1. In seltenen fällen, lieber Jules, werde ich leider tatsächlich zur oberbayerischen Stallmagd. Dann bleibt nur zu hoffen, dass mich möglichst wenig Leute hören. Oder, dass ich ein bisschen schwindeln kann und behaupte, dass du natürlich recht hast. Alles erfunden, so würde ich niemals sprechen 😉

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  3. Ach du liebes bisschen, diese Art der Eifersucht ist mir auf eine nur zu unangenehme Weise bekannt. Aufgrund solcher Eifersucht habe ich schon Sektflaschen nach guten Freunden geworfen und sie aufgefordert zu vergessen dass sie mich je gekannt haben (nachdem ich den Inhalt der zuvor geworfenen Flasche runtergeschütte hatte).

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