Uno heißt in München nicht eins

Wie Sie wissen, wohne ich alleine. Bei mir geht es deshalb zu wie in einem Taubenschlag. Es ist ein einziges Kommen und Gehen, weil ja Besucher und Gäste ja nicht bleiben, sondern beständig ankommen und wieder gehen. Seit ich alleine wohne, ist die Tür zu meinem Badezimmer oft verschlossen, und wenn ich an klopfe dann heißt es ein halbes Stündchen, bis das Wasser in der Wanne kalt ist, habe ich noch zu warten. Mein Kühlschrank ist meist leer gefressen, und meine Wohnungsschlüssel oder meine Handtasche, liegen selten an der Stelle, an der ich sie beim Betreten meiner Wohnung hinterlassen habe. Früher läutete es oft an der Türe, aber seit mein Drittschlüssel verschwunden ist, dreht er sich oft im Schloss und mein Telefon wird abgenommen, bevor ich rangehen kann. So ist das, wenn man unverheiratet ist und keine Kinder hat. Dann ist man wirklich selten alleine und die Wohnung für die man Miete bezahlt gehört einem nicht wirklich, weil Partner, Familie und Nachbarn sich sorgen, man könne sich einsam fühlen.

Öffne ich die Türe dann flutscht unter meinem Arm einer vorbei und sagt er wäre jetzt soweit. Für 25 Partien Uno, bevor er ins Bett muss reicht seine Zeit gerade noch. Während ich verliere obwohl ich mir wirklich Mühe gebe, teilt mir mein Spielpartner mit, dass er sich mit dem Gedanken trägt bei mir einzuziehen. Ich zuckte mit den Schultern, denn einem Fünfjährigen widerspricht man bei einer so weit reichenden Entscheidung nicht. Er wird schon wissen was er macht, und seine Mutter weiß ja wo er zu finden ist. Im Zweifel bei mir. Seit meine Nachbarin Frau Obst nicht mehr links neben mir wohnt und nicht mehr täglich überprüft ob ich auch den letzten Teelöffel abgewaschen und abgetrocknet habe, kümmert sich Ludwig, der Sohn meiner Nachbarin um mich. Er weiß genau wann ich zu Hause bin, und besucht mich sobald er abends aus dem Kindergarten kommt. Der Einfachheit halber hat er die UNO Karten und ein paar Spielzeugkisten bei mir deponiert um nicht ständig alles schleppen zu müssen. Das ist o. k. Auch o. k. ist, dass er mir vor einigen Wochen seine liebste Saftsorte mitgeteilt hat, damit ich diese kaufen und auftischen kann wenn er kommt. Er macht es nicht anders als der Mann, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe steht, und vor geraumer Zeit dazu übergegangen ist mir so oft mitzuteilen welchen Wein er gerne trinkt, dass er sich mittlerweile sicher sein kann, dass ich diesen vorrätig habe. Auch das, was er gerne isst und wonach ihm der Sinn beim Frühstück steht, wurde mir längst mitgeteilt und ich habe vorgesorgt. Wohnt man alleine, dann kauft man ja grundsätzlich für mehrere Personen ein. Das weiß auch Herr Krüger, der mir zwar nie gesagt hat, was er gerne ist, ab und an aber heimlich seinen Hund bei mir vor der Türe absetzt, so dass natürlich auch ausreichend Leckerlis vorhanden sind. Seit Herr Krüger weiß, dass ich Hasso mit rein nehme, lässt er ihn ab und zu über das Wochenende gleich ganz bei mir. Da er nicht mit Frauen spricht, teilt er mir das mit, indem er auf mein Klingeln nicht reagiert und erst am Sonntagabend den Fernseher laut dreht um mir zu signalisieren, dass ich den Hund jetzt nach unten schicken kann. Für den Wochenendgast habe ich seit August Wasser- und Fressnapf in der Küche stehen.  Die habe ich für Ludwig und den Mann mit dem Wein ja auch schon längst besorgt. Keine Näpfe, sondern Tassen, weil sowohl Fünfjährige als auch Vierzigjährige großen Wert auf „ihre“ Tasse legen. Deshalb wohnt man ja alleine, um „Baumeister Bob“ und „I love Hildesheim“ Tassen im Schrank stehen zu haben. Herr Iwanow kümmert sich auch um mich. Damit ich mich nicht alleine fühle, raucht er die seine Zigarren gerne vor meinem Küchenfenster im Laubengang. Es scheint interessanter zu sein in mein Fenster zu schauen und mich beim Kochen zu beobachten, als das gleiche in seiner Wohnung und mit seiner Frau zu machen. Das ist gut, denn so kann er mir gleich mitteilen, dass ich die rote Beete falsch zubereite und mir seine Frau rüber schicken, damit sie mir erklärt wie eine ordentliche russische Rote-Beete-Suppe zubereitet wird. Da er ja nicht alleine wohnt und verheiratet ist, ist er in letzter Zeit häufig alleine in seiner Wohnung, während ich die ledige, allein Wohnende immer öfter auch seine Frau bei mir am Tisch sitzen habe. 

Als ich vor einigen Jahren meinen damaligen Freund und unsere gemeinsame Wohnung verlassen habe, war mir klar, dass ich mir in diesem Leben mit niemandem mehr Bad oder Küche teilen würde. Abendessen, Bett und Interessen gerne, aber die Miete nicht mehr. Mein Herz jederzeit, den Kleiderschrank auf keinen Fall. Um ehrlich zu sein, ich hatte mir das alleine wohnen schöner vorgestellt. Ein bisschen ruhiger. Den, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor meiner Türe stellt, habe ich deshalb gefragt, ob wir nicht zusammen ziehen wollen. Ich wäre so gerne mal wieder einen Sonntag lang alleine. Er überlegt es sich, weil sein Schwester sich mit dem Gedanken trägt, in sein Gästezimmer einzuziehen. Nicht weil die Mieten in München bedeutend höher als in Hildesheim sind, sondern weil er ihr leid tut. So ganz alleine in seiner schönen, perfekt gelegenen Altbauwohnung. 

P.S. Ludwig würde ich übrigens weiter einladen. Die UNO Partien am Abend sind klasse und eine herrliche Ausrede für pappsüßen Saft. 

 

32 Gedanken zu “Uno heißt in München nicht eins

  1. Absolut zutreffend, aber auch zu zweit oder mit Kind zu wohnen, hält niemanden noch so Fremden aus Ganzwoanders davon ab, sich bei Leuten mit dem Münchener KFZ-Kennzeichen im Urlaub anzuwanzen, bis sie die Adresse abgestaubt haben, um dann zur Wiesn „ganz überraschend“ aufzuschlagen, weil unverständlicherweise etwas mit der Zimmerbuchung murmelmurmel….

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  2. Der erste Teil Deiner Geschichte weckt in mir das Bild einer Psychose. Entschuldigung, ist wohl eine Berufskrankheit.
    Aber Fünfjahrige und Hunde sind tatsächlich optimale Besucher. Die gehen einfach wieder wenn es anderswo was besseres zu Essen gibt.;)

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  3. Mizzi, wenn ich das so lese und verinnerliche, stelle ich fest, dass ich irgend etwas falsch gemacht haben muss in meiner Lebenspolitik. Bei mir ging es nicht zu wie im Taubenschlag, obwohl mein Kühlschrank abwechselnd voll war wie für 5 Personen oder leer wie für mich allein.
    Und jetzt in diesem „ehrenwerten Haus“ wird das auch nicht mehr passieren. Doch ich denke, ich kann damit leben.
    Liebste Grüße zu dir von Clara

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  4. Im Winter ist es echt schwierig eine Abwesenheit vorzutäuschen … wie ich es bevorzuge.
    Wer will schon am späten Nachmittag im Dunkeln sitzen, nur weil er nicht wagt, verräterisches Licht anzuschalten … 😉

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  5. Du musst eine Geduld haben *lächel* absolut bewundernswert!
    KÖSTlich geschrieben, liebe Mitzi, ich habe hier beim Lesen
    GELACHT wie blöd. Das könnte deeeer Vorleseknüller werden
    bei deiner Lesetour 🙂
    LG vom Lu

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