Künstler – mit Namen

Meine Eltern haben sich etwas dabei gedacht, als sie mich auf den Namen Tanja Nicole taufen ließen. Jeder für sich, hatten sie sich Gedanken gemacht und dem jeweils anderem kurz vor der Entbindung das Ergebnis präsentiert. Nicole, sagte meine Mutter, weil so das kleine, süße Mädchen ihrer Aupair Familie in Südfrankfreich hieß und deren wenige Fotos sie wie einen Schatz hütet. Tanja, sagte mein Vater und so wie ich ihn kenne sagte er nur das und begründete die Wahl mit keinem weiteren Wort. Musste er auch nicht. In meinem Geburtsjahr gehörte Tanja zu den Top 10 Namen und wenn einem nichts besseres einfiel, dann war man damit auf der sicheren Seite. Beide Namen gehörten zu den Top 10 und mit Tanja Nicole war ich in etwa so individuell wie der durchschnittliche Helene Fischer Fan es heute ist. Ab Ende der 80iger Jahre wurden beide Namen seltener und wenn sie heute eine Tanja oder eine Nicole treffen, dann müssen Sie nicht nach dem Alter fragen. Beide sind altmodisch geworden und ich bin heute so etwas wie die Helgas und Inges als ich ein Teenager war. Glückwunsch, liebe Eltern – es ist ein Kackname. Verbunden mit meinem Nachnamen kratze ich nicht mal mehr am Mittelmaß sondern laufe ganz eindeutig unter ferner liefen. Verstehen Sie das?

Der Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferates in München, verstand es nicht. So wie er mich ansah, war er schon beim Aupair Aufenthalt meiner Mutter in Südfrankreich ausgestiegen. Meine Vornamen hatte er sich aber gemerkt und fragte jetzt, ob ich sie ändern wollte. Natürlich nicht. Es sind meine Namen, ob sie mir nun gefallen oder nicht. Nur in Kombination mit dem Nachnamen, da….. Ja, da könne man etwas machen, wurde der Beamte munter. Heirat zum Beispiel. Und da gingen sie hin, die Jahrzehnte der Emanzipation und der letzte Rest Romantik, an den man sich in der zweiten Lebenshälfte klammert. Nein, auch nicht heiraten. Zumal der letzte Irsaj in München, meines Wissens in den frühen Achtziger Jahren verstorben ist und ich einen Umzug aus Gründen der  Namensänderung ausschließe, weil Tanja Nicole Irsaj nun wirklich bescheuert klingt. Er nickt und ich ahnte, dass ich diesem Mann nicht erklären kann, was mit meinem Namen nicht stimmt. Ich bin gegangen ohne es versucht zu haben. Das hab ich erst wieder am Freitag vor Weihnachten. Und diesmal knallhart, ohne Eingangsgeschichte und in einem anderen Stadtteil.

„Grüß Gott. Ich will Mitzi Irsaj als Künstlernamen in den Ausweis eintragen lassen.“   
„Kennt man Sie?“
„Schon.“
„Ich nicht.“
„Dann haben´S was verpasst.“
Er grinst und Sie ahnen gar nicht, wie wichtig es auf dem Münchener Einwohnermeldeamt ist, wenn einer grinst. Ohne ein Grinsen können Sie gleich wieder gehen, wenn Sie sich sich einen Künstlernamen eintragen lassen wollen. Die Genehmigung ist nämlich eine Sache des Ermessens und das ist gerade in Bayern etwas ganz und gar vertracktes. 
„Aha.“ Aha, ist weniger gut als ein Grinsen und ich übernehme es für ihn – das Grinsen. Und weil das nicht reicht schiebe ich die Mappe mit allem, was es über mich gibt in seine Richtung. Diesmal war ich vorbereitet. Ich wusste es ja selbst nicht, aber man kennt mich – und wie man mich kannte, zeigte diese Mappe. Die Zeitungsartikel schob er mir gleich wieder zurück. Mir völlig unverständlich. Ok, die beiden Schülerzeitungen sind vielleicht nicht für überregionale Bekanntheit repräsentativ, aber die Kritik über meine Lesung im Bruchbichler Baumarkt, die erschien in Franken und das ist für einen Münchner definitiv nicht mehr regional. Die Flyer haben mehr geholfen. Das sind mittlerweile einige und ich habe beim Sitzen und Warten drei Kreuze geschlagen, dass die vom Theater Südsehen so toll aussehen. Nachhelfen musste ich trotzdem. Ich tippte auf einen von ihnen. „Da, mit Ulrike Dostal….sehen´S? Und hier….der Robert Ludewig.“ Er nickte anerkennen. Das musste er auch. Spätestens als ich beide als großartige Künstler bezeichnete (was sie auch sind, damit wir uns hier nicht missverstehen) und er sich nicht zuzugeben traute, dass er sie vermutlich nicht kannte. Und ich wäre da….. ja, freilich, unterbrach ich ihn. Schauen´S, hier hinten, da stehts…die Mitzi. Bedeutungsvolle Pause und dann noch den Flyer vom Hofspielhaus auf den Tisch gelegt. Das kennt er aber, oder? Direkt am Platzl, hinterm Schuhbeck. Eine Münchner Institution. Lächeln und wirken lassen. 

Ich hätte es mir sparen können. Der freundlich Grinsende und interessiert Aha-Sagende musste Rücksprache halten und verschwand für die nächste Dreiviertelstunde um sich mit seinem Kollegen zu beraten. Nicht ohne mir noch zu sagen, dass eigentlich alle Anträge abgelehnt werden. Aber wenigstens auch mit meinem Buch unterm Arm. Was am Ende den Ausschlag gegeben hat, weiß ich nicht. Aber geklappt hat es. Sie hören hier zum letzten Mal von Tanja, ich bin jetzt wirklich Mitzi. Steht im Ausweis und das fühlt sich schön an. Und wichtiger….es fühlt sich richtig an. Ich bin´s nämlich. Die Mitzi. Mein Buch hab ich ihm da gelassen. Dem, der so nett gelacht hat und der sich so viel Mühe gegeben hat sich durch den Berg an Flyern und Artikeln zu wühlen. Vorne hab ich ihm reingeschrieben, dass er im Januar mal hier auf die Seite schauen soll. Dann würde er sehen, wie meine Geschichten entstehen und wieviel davon echt und was womöglich erfunden ist. 

Sie sind gut weggekommen, oder? Ich hätte Sie viel mehr gelobt, wenn Sie mir nicht verraten hätten, dass sie mein Buch bei Nichtgefallen ja noch für´s Schrottwichteln verwenden können. Der war gut. Böse aber gut. Im Ernst. Danke für Ihre Bemühung und ich hoffe es hat ihnen gefallen. 

Herzliche Grüße
Ihre Mitzi Irsaj – wenn Sie mir nicht glauben, kann ich jetzt meinen Ausweis vorzeigen 🙂

 

 

 

35 Gedanken zu “Künstler – mit Namen

  1. Herzlichen Glückwunsch, liebe Mitzi, für das gute Gelingen dieses Behördenganges. Und der Glückwunsch kommt aus einer Stadt, die die römischste nördlich der Alpen sein soll (Colonia), und in der gerne gelacht und gelächelt wird, wobei man dann schauen muss: Ist’s Karneval? Ist’s Szene? Ist’s die Politesse? Ist für einen Imi nicht immer leicht zu verstehen… Also: Ein Lachen an Dich! Josch

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  2. Liebe Mitzi, ich freue mich für Dich!
    Das ist ja auch der Name unter dem wir Dich letztes Jahr kennenlernen durften – als ich später ‚Tanja‘ las, dachte ich mir, Mitzi ist aber doch spannender…
    Somit freue ich mich nicht nur für Dich, sondern bin auch selbst (etwas ego) ganz zufrieden mit der offiziellen Bestätigung 🙂 LG

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  3. Liebe Mitzi,
    beim Lesen Deines amtlichen Dossiers schmunzelte ich und im Ohr klang der Refrain aus „Cowgirl in the sand“:
    „Old enough now to change your name
    When so many love you is it the same
    It’s the woman in you that makes you want to play this game“
    Während ich stets dachte, Neil Young spielte auf eine eheliche Namensveränderung an, erschliesst Deine Geschichte die Interpretationsvariante, es könnte sich auch um einen Künstlerinnennamen gehandelt haben.
    Mögest Du Dich mit dem eingetragenen Künstlerinnennamen allezeit wohlfühlen und dabei mit Deinem Geburtsnamen versöhnen, vertöchtern oder befreunden.
    Ja, neuer Name, neues Jahr: viel Glück
    und schöne Grüße, Bernd

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  4. Ich freue mich für dich, dass es geklappt hat, liebe Mitzi, dass deine Identität als Autorin jetzt auch amtlich ist. In Bayern ist vielleicht alles anders, aber Ermessungssache scheint mir das nicht zu sein. In Niedersachsen muss man nur nachweisen, dass man unter dem Pseudonym schon etwas Fassbares veröffentlicht hat. Der Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch schreibt: „Dichter haben die Lizenz zu lügen. Und daher auch, mit ihrem Namen zu spielen.“ Herzlich willkommen im Club!

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    1. Guten Morgen, lieber Jules. Ich hatte es so verstanden, dass genau das „Fassbare“ oder die Relevanz der Veröffentlichung schwer zu messen ist. Womöglich ist es aber auch ganz leicht und ich wurde ein wenig aufgezogen ;).

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  5. Hallo Mitzi, mein ganzes Blogleben, seit dem ich dich kenne, kenne ich nur eine Mitzi Irsaj, und keine Tanja und keine Nicole. Frauen mit den anderen Namen kenne ich in anderen Zusammenhängen. Gut, dass du den Beamten nicht zu Boden geknutscht, sondern gegrinst hast.
    Könnte ich ja mit Clara Himmelhoch auch mal versuchen – werde ich aber nicht tun.
    Jetzt sollte ich mich ja wohl doch mal um dein Buch kümmern.
    Herzlichst von Clara

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  6. Liebe Mitzi,
    da muss man gar nicht großartig Glückwünsche aussprechen!
    Erstens gibt es keine Dienstleister (nicht mal Beamte!) die Ihnen etwas abschlagen würden, wenn sie „grinsen“.
    Zweitens ist ein eingetragener Künstlername ein völlig normaler und logischer Schritt auf dem Weg zur Weltberühmtheit!
    Es ist die Ihnen angeborene Bescheidenheit, die bei Ihnen hin und wieder Zweifel auslöst.
    Gruß Heinrich

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    1. Solange Sie mich dann am Boden halten – wenn die Weltberühmtheit mich ereilt hat – ist es in Ordnung. Sie sind ja immer ganz bei mir und genau diese Menschen halten einen dann unten. Also im Jahr 2143, da zähle ich auf Sie!

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      1. Liebe Mitzi,
        ich würde es mit meinem unzulässigen Gesamtgewicht sogar schaffen, Sie am Boden zu halten, wenn Sie mit einem Ballon starten wollen. Aber Ihre Bodenständigkeit wird vermutlich ein unkontrolliertes Abheben verhindern.
        Aber vielleicht kommt ja auch alles ganz anders?!? Wer weiß das heute schon?

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